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 Die Büchse der Pandora

Geschichte des Ersten Weltkriegs

Autoren: Jörn Leonhard
Verlag: C. H. Beck

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Ein richtig dicker Wälzer: Auf mehr als 1100 Seiten legt Jörn Leonhard wohl einen der voluminösesten und ambitioniertesten Bände zum diesjährigen Gedenkjahr anlässlich des Ersten Weltkriegs vor.

Wie so viele der bisher erschienen Überblickswerke geht auch Leonhard chronologisch vor, indem er jedes Großkapitel einem Kriegsjahr widmet. Ergänzt wird dies durch ein Großkapitel zur Vorgeschichte sowie durch drei Großkapitel zu den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges. So gewöhnlich diese Konzeption auf den ersten Blick erscheinen mag, einen entscheidenden Unterschied zu vielen aktuellen Überblickswerken zum Ersten Weltkrieg (siehe beispielsweise "Der Große Krieg" von Herfried Münkler) gibt es: Innerhalb dieser einzelnen Großkapitel bricht Leonhard die Chronologie dadurch auf, dass die einzelnen Unterkapitel thematisch orientiert sind oder bestimmte Perspektiven in den Mittelpunkt rücken. Für das Jahr 1916 bedeutet dies beispielsweise, dass neben der kriegsstrategischen Wandlung zu einem modernen Krieg auch die Bilder oder die "Sprachen des Krieges" thematisiert werden. Hinzu kommt ein länderübergreifender Blick auf die "Durchhalte-Gesellschaften" in Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie die Darlegung der Kriegssituation in Südosteuropa und im Nahen Osten. Es wäre müßig, diese Aufzählung an dieser Stelle fortzuführen, da der Band sage und schreibe fünfzig derartige "perspektivierende" Unterkapitel zu bieten hat.

Erwähnt werden sollte jedoch noch, dass neben einem umfangreichen Anmerkungsapparat auch ein mehr als 60-seitiges Quellen- und Literaturverzeichnis zu finden ist. Hinzu kommt außerdem ein Personenregister.

Die Masse an Veröffentlichungen zum Ersten Weltkrieg macht es notwendig sich hervorzuheben. Und um es gleich vorwegzunehmen: Jörn Leonhard gelingt dies bravourös. Nicht nur der Umfang des Werkes rechtfertigt diese Feststellung, sondern auch die Art und Weise der Darstellung beeindruckt. Denn Leonhard ist ein Meister der präzisen Aufschlüsselung von "Kausalgeraden und Kontinuitätslinien", ohne dabei außer Acht zu lassen, dass der Erste Weltkrieg auch eine "Dynamik" und "Eigenlogik" entwickelte, die so nicht absehbar war. In diesem Zusammenhang tauchen außerdem auch immer wieder Details auf, die Leser in anderen Darstellungen zum Ersten Weltkrieg vergeblich suchen: Oder wussten Sie, dass der Wagen, mit dem österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand durch die Straßen Sarajevos fuhr, über keinen Rückwärtsgang verfügte und so dem Attentäter Gavrilo Princip bei einem aufwändigen Wendemanöver eine ideale Angriffsfläche bot? Solche Details machen dieses Buch nicht nur lesenswert, sondern auch spannend.

Die Ausstattung wirkt durch die Schwarz-Weiß-Abbildungen auf den ersten Blick etwas dürftig. Doch die Auswahl der 62 abgedruckten Bilddokumente zeugt von einem guten Gespür für das Besondere. Denn viele dieser selten abgedruckten Bilddokumente visualisieren ausdrucksstark die Besonderheiten dieses Ersten Weltkrieges. Hinzu kommen 14 übersichtlich gestaltete Karten, welche trotz der Schwarz-Weiß-Beschränkung glasklar die entsprechenden Verhältnisse und Situationen darlegen.

Die einzige Hürde, welche das Buch aufweist, dürfte wohl darin liegen, dass es nicht schadet, ein gewisses Hintergrundwissen zum Ersten Weltkrieg mitzubringen, um Leonhards analytische Fähigkeiten in seiner ganzen Perfektion zu würdigen.

FAZIT: ein voluminöser und beeindruckender Band, der bravourös die große Komplexität des Ersten Weltkrieges aufzeigt. Wenigen gelang es bisher, den Ersten Weltkrieg mit einer derartigen analytischen Schärfe darzulegen.

Weitere Informationen zum Buch, einen Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 14. April 2014 | ISBN: 978-3406661914 | Preis: 38,00 Euro | 1157 Seiten | Sprache: Deutsch

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