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 Percy Pickwick Gesamtausgabe Band 1


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Kennen Sie Colonel Harold Wilberforce Clifton? Wenn Sie in den 1970er-Jahren nicht bereits "Fix und Foxi" gelesen haben, wird Ihnen der Name wohl weniger vertraut sein. Aber wie sieht es mit Percy Pickwick aus? Genau, der schrullige britische Detektiv aus den Yps-Heftchen. Nun, bei Colonel Clifton und Mr. Pickwick handelt es sich um ein und dieselbe Person, nur dass der zweite Name wohl von einem Yps-Redakteur erdacht wurde, und sich deswegen in den deutschen Köpfen festgesetzt hat. Deshalb erscheint die längst überfällige Gesamtausgabe bei toonfish auch unter dem Titel "Percy Pickwick".

Der erste Band ist ein in Blau gehaltenes Hardcover mit seinem Protagonisten, Pfeife rauchend und im klassischen Tweedanzug, vor Londoner Silhouette und Union Jack im Hintergrund. Auf insgesamt 176 Seiten finden sich eine zwölfseitige Einleitung mit Rückblick auf die Jahre 1959 bis 1972 sowie die in diesem Zeitraum erschienenen Geschichten, nämlich vier Abenteuer in Albenlänge und drei Kurzgeschichten. Das Besondere hierbei ist, dass Pickwick-Erfinder Raymond Macherot nur die ersten drei Abenteuer verfasst und illustriert hat, die übrigen in diesem Band gesammelten Beiträge stammen von den Textern Greg und Bob de Groot, sowie den Illustratoren Jo-El Azara und Turk.

Die verschwundenen Geldschränke
Eines der renommiertesten Juweliergeschäfte in London hat ein Problem: Der Kohl-i-Door, seines Zeichens einer der größten Diamanten der Welt, Leihgabe des Emirs Abd-el-Falzar, wurde mitsamt des tonnenschweren Safes gestohlen. Die beiden Inhaber stehen vor dem Ruin, wenn der Stein nicht innerhalb von zwei Wochen wieder auftaucht. In ihrer Not wenden sie sich an Percy Pickwick, den größten Detektiv in England seit Sherlock Holmes, - wenn dieser nicht gerade auf einem Pfadfinderlager irgendwo in Schottland wäre.
Die erste Geschichte etabliert bereits einige der wichtigsten Aspekte Pickwicks, beispielsweise sein Pfadfindertum, seinen roten Roadster oder das Gewehr im Regenschirm. Leider wird das große Geheimnis der Geschichte unachtsamerweise bereits auf dem vor der Geschichte abgedruckten Titelbild verraten, was den Lesegenuss etwas trübt. Insgesamt ist "Die verschwundenen Geldschränke" jedoch ein gelungener Einstieg in Pickwicks Welt.

Percy Pickwick in New York
Nach einem gegen ihn geführten Staatsstreich flüchtet der südamerikanische Diktator General Poncho nach New York, wo er hofft, sich mit gefälschten Dollars neu eindecken zu können. Doch als dieser Plan fehlschlägt, entführt er kurzerhand den beliebten Schlagersänger Pincher Barnett. Dessen Manager eilt nach England, um Percy Pickwick um Hilfe zu bitten.
Die zweite Geschichte ist im Vergleich zur ersten eher enttäuschend, was man sowohl an der teilweise platten Handlung als auch an dem einfallslosen Titel merkt. Macherot lässt seinen Helden Pickwick zudem teilweise sehr naiv agieren, sodass sich der Leser fragt, warum dieser Mensch ausgerechnet als größter Detektiv nach Sherlock Holmes bezeichnet wird. Würde man nur diese ersten beiden Geschichten kennen, stellte man sich die Frage, ob Macherot jetzt bereits die Ideen ausgegangen seien. Doch zum Glück folgt darauf die dritte Erzählung.

Unter falschem Verdacht
... der Spionage steht Osbert Horsepower, ein Mitarbeiter eines Nuklearforschungszentrums und einst der beste Pfadfinder unter Percy Pickwick. Ehrensache, dass der Colonel sich persönlich des Falls annimmt und schon sehr bald einem alten Widersacher aus Kriegstagen gegenübersteht.
Nach der eher enttäuschenden zweiten Geschichte legt Macherot mit seinem letzten Beitrag zu Percy Pickwick einen klassischen Agententhriller vor. Außerdem wird mit der Figur des Ottokar Toffel ein markanter Erzfeind für den britischen Detektiv eingeführt.

Die teuflischen Zwerge
Eine Autopanne lässt Percy Pickwick in der englischen Provinz stranden, doch schnell merkt der Detektiv, dass sein scharfer Verstand genau hier dringend benötigt wird. Das kleine Dorf, in dem sein alter Freund Wetsock lebt, wird nämlich von einer Horde unheimlicher Zwerge tyrannisiert. Schnell wird Pickwick klar, dass der Marionettenspieler Silas Doublecross irgendwie in den Fall verwickelt sein muss.
Die vierte Geschichte, die von dem Autor Greg stammt, enthält einige interessante Ideen, leidet aber schlussendlich darunter, dass gerade die technische Auflösung des Rätsels um die Puppen nicht hundertprozentig überzeugen kann.

Die Kurzgeschichten
Auch bei seiner zweiten Geschichte "Die Stimme aus dem Nichts" setzt Autor Greg auf ein unheimliches Phänomen, hinter dem eine weltliche Erklärung steckt. Diesmal funktioniert der Plot allerdings wesentlich besser, was zum einen an der nachvollziehbareren technischen Erklärung als auch an der strafferen Handlung liegt.
Bei "Die verschwundenen Smaragde" aus der Feder von de Groot handelt es sich um eine klassische Detektivgeschichte, in der Pickwick klären muss, wie die kostbaren Steine aus einem geschlossenen Safe verschwinden konnten. Ihm zur Seite steht dabei John Halfdime, der typische amerikanische Privatdetektiv im Stile eines Philip Marlowe. Es versteht sich von selbst, dass dieser Pickwick nicht das Wasser reichen kann, was zu einigen heiteren Szenen führt.
Die abschließende Kurzgeschichte "Oldtimer" macht den Leser mit Pickwicks Vater bekannt, einem pensionierten General, der einen noch älteren Roadster als sein Filius fährt. Und genau um besagtes Gefährt geht es, wenn sich Vater und Sohn gemeinsam auf die Spur von Autodieben begeben. Leider ist die Geschichte mit acht Seiten fast etwas knapp für eine genauere Charakterisierung von General Pickwick geraten, doch was der Leser von seinen exzentrischen Verhaltensweisen mitbekommt, macht den alten Herrn durchaus charmant.

Der große Reiz des ersten Bandes dieser Percy-Pickwick-Gesamtausgabe besteht darin, dass sich hier die Geschichten von nicht weniger als drei verschiedenen Autoren finden, von denen jeder versucht, seinen eigenen Stil mit Percy zu entwickeln. Trotz einer enttäuschenden zweiten Geschichte ist es bedauerlich, dass der geistige Vater Macherot nur drei Beiträge zu der Serie geleistet hat, denn vor allem "Unter falschem Verdacht" machte Lust auf mehr aus seiner Feder. Die beiden Geschichten von Greg sind sich in der Grundidee sehr ähnlich, aber auch ihm hätte man einen weiteren Versuch in Albenlänge gegönnt. Die Leistung von Bob de Groot schließlich lässt sich in dem vorliegenden ersten Band noch nicht erahnen, hat er die Serie doch erst in den Jahren nach 1971 richtig zu seiner eigenen gemacht. Hier zu einem abschließenden Urteil zu kommen, ist im Rahmen zweier Kurzgeschichten noch nicht möglich.
Stilistisch halten sich die beiden nachfolgenden Zeichner Jo-El Azara und Turk sehr stark an die Vorlagen von Macherot, sodass man hier nur schwer von einem eigenen Stil sprechen kann. Der Pickwick-Look wird in der ersten Geschichte relativ fest definiert.

Die Percy-Pickwick-Gesamtausgabe Band 1 weiß zu gefallen. Die Geschichten sind meist sehr unterhaltsam, und es ist eine wahre Freude, den schrulligen Hauptcharakter bei seinen Ermittlungen zu begleiten. Das wahre Potential der Serie wird sich aber wohl erst in den kommenden Bänden der Gesamtausgabe zeigen. Zum Appetit anregen ist diese erste Veröffentlichung jedoch bestens geeignet.

Auf der Website des toonfish-Verlags steht eine Leseprobe bereit.

Markus Goedecke



Hardcover | Erschienen: 1. Dezember 2014 | ISBN: 978-3-86869-766-7 | Originaltitel: Clifton: L'Intégrale 1 | Preis: 29,95 Euro | 176 Seiten | Sprache: Deutsch

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