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 Der Bildhauer

Autoren: Scott McCloud
Illustratoren: Scott McCloud
Übersetzer: Jan-Frederik Bandel
Verlag: Carlsen

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
David Smith ist Bildhauer. Nein, nicht DER Bildhauer, sondern nur ein kleines Licht, ein Typ, der zufällig den gleichen Namen trägt wie der bekannte Künstler. Kein Wunder, dass ihn sein Name nervt. Überhaupt ist er unzufrieden, nichts klappt und der große Erfolg lässt auf sich warten, niemand interessiert sich für seine Werke. David ist kurz davor an diesem Desinteresse zu zerbrechen. In dieser verzweifelten Stunde begegnet er zufällig seinem Onkel Harry, den er schon ewig nicht gesehen hat. Harry hört zu, ist verständnisvoll und bietet ihm einen Deal an. David soll die Möglichkeit haben 200 Tage lang alles formen zu können, was er will. Einfach so. Mit seinen Händen. Keine Grenzen, keine Zeitverschwendung durch lange Bearbeitungszeiten. Harry fragt David, was er für seine Kunst bereit ist zu opfern. Die Antwort kommt prompt und ist ernst gemeint: sein Leben.

Zu spät bemerkt David, dass er einen Pakt mit dem Tod geschlossen hat. Seine neue Fähigkeit ist phänomenal, doch nach Ablauf der gesetzten Frist wird er zahlen müssen. In 200 Tagen wird David sterben, daran ist nichts zu rütteln.
Was jetzt für ihn folgt ist eine Zeit der Ekstase und der Selbstfindung. Und eine Zeit der Liebe. Er begegnet einem Engel, der sich dann doch als ganz normales Mädchen entpuppt. Und als seine große Liebe. Nur weiß er, dass er nicht mehr lange leben wird, ein Schatten schwebt über allem, was er tut. Aber plötzlich will er nicht nur Anerkennung für seine Kunst, er will Leben, er will lieben und geliebt werden. Aber ist es dafür nicht schon zu spät?



In Deutschland ist der Autor und Zeichner Scott McCloud durch seine Sachcomics "Comics richtig lesen", "Comics neu erfinden" und "Comics machen" bekannt geworden. Er nähert sich dem Thema "Comic" auf theoretische Weise, bleibt dabei aber der Kunstform treu und veröffentlicht die Werke selbst ebenfalls in Comicform. In der Szene hat er sich damit einen großen Namen gemacht und Erwartungen geweckt. Fünf Jahre hat er an seinem eigenen, epischen Comic gearbeitet. "Der Bildhauer" ist rund 500 Seiten stark und wurde von seinen Fans mit Ungeduld erwartet. Der Band hat ungefähr DIN-A5-Format und ist auf dickem Papier gedruckt. Sowohl die Bindung als auch das Cover sind äußerst stabil. Die Zeichnungen sind Schwarzweiß und enthalten als einzige Farbe ein zartes Blau, welches in verschiedenen Schattierungen verwendet wird.
Eins wird sofort klar, die Technik beherrscht McCloud als wäre sie eine Selbstverständlichkeit. Etwas anderes darf man von einem Autor wie ihm aber auch nicht erwarten. Aber ist "Der Bildhauer" denn wirklich dieses "ganze große Werk"?
Leider nur fast. Es ist dem Comic anzumerken, wie viel Liebe darin steckt, in einem kurzen Nachwort gibt der Autor einen kleinen Einblick in die persönlichen Verknüpfungen, mit denen die Geschichte mit seinem eigenen Leben verwoben ist. So etwas ist natürlich für den Leser spürbar. Emotional schafft die Geschichte es sehr oft zu berühren. Aber eben nicht immer, gerade auf den ersten zweihundert Seiten hat sie durchaus ihre Längen. Und was sich zu Anfang als mystische Variante eines Faust-Pakts präsentiert, wird zum Ende hin immer mehr zu einer durchschnittlichen Liebesgeschichte. Dabei sind die Figuren mit all ihren Fehlern und Zweifeln erfrischend normal und wirken deswegen äußerst lebendig und glaubwürdig. Es werden allerdings falsche Erwartungen beim Leser geschürt, die dann nicht erfüllt werden. Das ungewöhnliche und mystische wird zunehmend vernachlässigt und im Verlaufe nur noch als "Träger" für die eigentliche Geschichte verwendet. Für die reine Erzählung hätte David auch Krebs haben können. Für das, was McCloud erzählt, ist diese wundervolle Art, Kunst erschaffen zu können, nicht so wichtig.
Für einige der besten Seiten des Comics allerdings sehr wohl, denn die Dynamik, feste Werkstoffe mit den Händen, ja sogar mit Gedanken, wie Knete Formen zu können, hat der Zeichner einfach wundervoll umgesetzt. Gerade, wenn seine Arbeit mit Emotionen aufgeladen ist, wenn er mit Ärger, Wut, Leid, Liebe, Hoffnung und Verzweiflung zu Werke geht, ist das regelrecht spürbar. Dass es doch nur ein starres Blatt Papier ist, auf dem wir diese künstlerische Ekstase dargestellt bekommen, wird nebensächlich, der Prozess wird vor den Augen des Lesers lebendig.

"Der Bildhauer" ist eine bezaubernde Geschichte, keine Frage. Sie hat zahllose Momente und Bilder, die besonders sind und die Leser zu berühren wissen. Die ganz hohen Erwartungen werden aber nicht erfüllt. Der Band wirkt eher wie ein persönliches Vermächtnis, David scheint sich in McCloud zu spiegeln, wenn es darum geht zu erfahren, was wirklich wichtig ist im Leben. Was bleibt ist ein schöner Comic, nicht mehr, aber ganz bestimmt auch nicht weniger.

Scott McCloud über sein Werk, mit vielen Bilder aus dem Comic (Englisch):


Auf der Webseite von Carlsen gibt es weitere Infos zum Buch und eine Leseprobe.

Bine Endruteit



Hardcover | Erschienen: 17. März 2015 | ISBN: 9783551788405 | Originaltitel: The Sculptor | Preis: 34,99 Euro | 496 Seiten | Sprache: Deutsch

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