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 Leben in Trümmern

Alltag in Berlin 1945


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Bereits im Januar 1945 glaubten wohl nur noch getreue Hitler-Anhänger, dass der Zweite Weltkrieg noch zu gewinnen sei. Für die meisten Berliner hatte vielmehr schon der Kampf ums Überleben begonnen. Denn die täglichen Bombenangriffe und die Versorgungslage waren kräftezehrend und zermürbend. Hinzu kam die Unsicherheit, welche sich spätestens im April potenzierte, als die sowjetische Armee immer näher heranrückte und Berlin schließlich einnahm.

Es gibt wohl kein Jahr in der Geschichte Berlins, in dem sich die Stadt mehr verändert hat als 1945.


Mit dem vorliegenden Buch rückt Traudl Kupfer die Wahrnehmung der einfachen Menschen ins Zentrum. Wie erlebten diese die letzten Kriegsmonate in Berlin? Wie gestaltete sich der Alltag nach der Kapitulation? Mit welchen Hoffnungen, Ängsten, Lebenssituationen mussten die Berliner in diesem Jahr fertigwerden? Ausgehend von Zeitzeugenberichten beschreibt sie darin, die Erlebnisse zahlreicher Berliner und Berlinerinnen in diesen schicksalshaften Tagen und Monaten. Sie verzichtet dabei auf eine durchgängige Narration und gibt diese Erlebnisse stattdessen in kurzen, epidosenhaften Erzählungen und Kurzeindrücken wider. Nicht selten umfassen diese lediglich eine halbe Seite oder sogar weniger. So sind die Leser in diesem kaleidoskopartigen Durchlauf ganz nah dran am Berliner Alltag, insbesondere an den Menschen. Und es sind vor allem die kleinen Details, die ganz neue Einblicke in diese Zeit eröffnen. Der Leser erfährt auf diese Weise beispielsweise, dass Judensterne mit dem nahenden Kriegsende zu einem bewährten Gut wurden, dass aufgrund des Fraternisierungsverbotes deutsche und alliierte Zuschauergruppen im Theater anfangs feinsäuberlich getrennt wurden oder dass Seife in der Not auch schon einmal aus den Knochen eines herrenlosen Hundes hergestellt wurde.

Die kleine rosa Hyazinthe auf Margret Boveris Balkon ist doch noch aufgeblüht, wenn auch teilweise zerfetzt, und sie duftet wunderbar intensiv.


Die Stärke des Buches, die unmittelbare Darstellung des alltäglichen Lebens im Jahre 1945, ist jedoch zugleich auch die Schwäche. Was dem Werk fehlt, ist die ordnende Hand. Traudl Kupfer springt wie es ihr gefällt zwischen den unterschiedlichen Personen, ohne dass hier eine Systematik erkennbar wäre. Einzig die Monate, nach denen sie das Buch gliedert, sind ihr Ordnungskorrektiv. Gerade die Vielzahl an erwähnten Personen ist oftmals sehr verwirrend und eine kurze biografische Zusammenstellung zu jeder einzelnen Person am Beginn oder am Ende des Bandes wäre hier sicherlich sinnvoll gewesen.

Aber vielleicht ist eine derartige Systematik auch die falsche Herangehensweise an diese Publikation, denn je länger der Leser darin schmökert, desto mehr vergisst er gängige Standards der Geschichtsschreibung. Er begibt sich so zunehmend auf eine Zeitreise, auf der die Geschichten und Eindrücke genauso ungeordnet erscheinen wie das Leben im Jahr 1945.

FAZIT: Das Buch vermittelt einen kaleidoskopartigen Eindruck über das Leben in Berlin im Jahre 1945. Auch wenn die Informationen dabei thematisch keiner durchgehenden Narration folgen und weitgehend unsystematisch aneinandergereiht werden, erscheint die Darstellungsweise bei zunehmender Lesedauer gar nicht so falsch. Schließlich kannten auch die Berliner im Jahre 1945 keinerlei Ordnung.


Weitere Informationen sowie ein Blick ins Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 20. März 2015 | ISBN: 9783944594279 | Preis: 19,95 Euro | 248 Seiten | Sprache: Deutsch

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