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 Die Menschen, die es nicht verdienen

Ein Fall für Sebastian Bergman


Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ein junger Mann wird nackt, tot und auf einem Stuhl sitzend drapiert in einer Schule gefunden. In seiner Stirn ein Einschussloch von einem Bolzenschussgerät, auf seinem Rücken festgetackert eine Art Test mit Allgemeinbildungsfragen. Anscheinend konnte Mirre, so der Name des Opfers, nicht besonders viele der 60 Fragen richtig beantworten. Der 21-Jährige war der Star einer beliebten Doku-Soap im TV - machte ihn das zur Zielscheibe eines irren Killers? Kurze Zeit später wird eine junge Frau ermordet und in einer ganz ähnlichen Pose aufgefunden: ebenfalls mit einem Bolzenschussgerät hingerichtet, ebenfalls mit einem Test auf ihrem Rücken, an dem sie gescheitert ist. Auch dieses Opfer hatte durch seine Teilnahme in diversen TV-Shows einige Berühmtheit als C-Promi erlangt.

Für Torkel Höglund und sein Team von der Reichsmordkommission beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit: Der Täter, der sich "Cato" nennt und sich offenbar zum Richter und zum Bewahrer von Bildung und Kultur aufgeschwungen hat, zeigt deutlich, was er von Trash-TV, Reality-Shows und YouTube-Promis hält - und er ist noch lange nicht fertig. Sebastian Bergman, der Kriminalpsychologe, findet die Herausforderung, die der offenbar geisteskranke Mörder vorgibt, wider Erwarten extrem fesselnd. Endlich ein intelligenter Gegner auf Augenhöhe, mit dem er sich messen kann. Doch dann läuft die Sache aus dem Ruder ...



"Die Menschen, die es nicht verdienen" ist der fünfte Teil der Sebastian-Bergman-Krimis von Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt. Obwohl der spannende Fall in sich abgeschlossen ist, lohnt es sich, ihn nicht außerhalb der Reihe zu lesen, denn die beiden Autoren greifen unmittelbar die dramatischen Ereignisse aus Band 4 ("Das Mädchen, das verstummte") auf: Sebastian Bergmans großes Geheimnis ist gelüftet worden und hat das Team in seinen Grundfesten erschüttert. Auch Billy hütet, wie der Leser mittlerweile weiß, ein dunkles Geheimnis. Hier geht es wirklich packend weiter und die privaten Ent- und Verwicklungen der Figuren - auch Ursula und Vanja sind natürlich wieder mit dabei - lesen sich ebenso spannend und emotional wie der eigentliche Fall, der sich um einen gestörten Serientäter dreht.

Die Handlung ist super aktuell und passt zu zahlreichen realen Diskussionen, die mit schöner Regelmäßigkeit den Untergang des Abendlandes beschwören, wenn ein neues hirnloses TV-Format an den Start geht. Hier treiben die Autoren die Diskussion auf die Spitze und präsentieren einen Mörder, dem die Entwicklung im Fernsehen und in den sozialen Netzwerken nicht passt und der diejenigen tötet, die seiner Meinung nach zur fortschreitenden Verdummung der Gesellschaft beigetragen haben. Seinem Empfinden nach werden die Geistlosen und Oberflächlichen, die sich schamlos ins Rampenlicht drängeln, mit Aufmerksamkeit belohnt, während die intelligenten, hart arbeitenden Menschen bestraft werden, denn für sie interessiert sich niemand. Der Täter entführt seine Opfer, Sternchen aus Reality-Shows, stellt ihnen Allgemeinbildungsfragen und tötet sie, wenn sie eine bestimmte Punktzahl in diesem "Test" nicht erreichen können. Zwangsläufig fiebert der Leser hier mit und fragt sich beunruhigt, ob er die Fragen wohl hätte beantworten können, oder ob er ebenfalls gescheitert und damit ermordet worden wäre? Was sagen solche Fragen überhaupt über die Intelligenz aus in einer Zeit, in der alles in Sekundenschnelle gegoogelt werden kann? Hjorth und Rosenfeldt zwingen dazu, Stellung zu beziehen: Hat der Leser möglicherweise weniger Mitleid mit den Opfern, weil sie vermeintlich dumm und mediengeil waren? Hat der Täter im Kern sogar Recht mit seinen Anschuldigungen - oder ist alles ganz anders? Eine spannende Konstellation, die wie immer dadurch gewinnt, dass das Team um Torkel Höglund eine gut zusammengestellte Truppe sehr reizvoller Charaktere ist, die detailliert ausgearbeitet und glaubwürdig sind.

Im Mittelpunkt steht der Kriminalpsychologe Sebastian Bergman, wohl eine der unsympathischsten Romanfiguren der letzten Jahre, und auch das ist natürlich ein Gewinn für die Serie. Statt glatt-gefälliger oder klischeehaft gescheiterter Ermittler präsentieren Hjorth und Rosenfeldt einen ziemlich nervtötenden Charakter, an dem der Leser sich reiben kann und der in den letzten vier Bänden offenkundig kaum etwas dazu gelernt hat. Der Leser verspürt des Öfteren zwar Mitleid mit Sebastian, der wie unter Zwang unausstehlich, egozentrisch und rücksichtslos agiert und alle, die ihm nahestehen, böse vor den Kopf stößt, meist überwiegt aber das Unverständnis.

Das Ende ist, sogar mehr noch als in Band 4, ein furchtbarer Cliffhanger, der Torkels Ermittlerteam erneut völlig auf den Kopf stellen wird und der schon jetzt mit Hochspannung Band 6 erwarten lässt. "Die Menschen, die es nicht verdienen" ist ein guter Fall aus der Sebastian Bergman-Reihe: packend, mit aktuellem Bezug und mit einem hochsympathischen Team von Ermittlern, von denen jede und jeder einzelne wirklich interessant ausgearbeitet ist und überzeugt.

Eine Leseprobe gibt es hier auf der Verlags-Website.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 30. Oktober 2015 | ISBN: 9783805250870 | Originaltitel: De Underkända | Preis: 19,95 Euro | 544 Seiten | Sprache: Deutsch

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