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 Nocturno: Nocturno Nr. 5


Cover
Gesamt ++++-
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


NOCTURNO 5 enthält Stories diversen bekannteren und unbekannteren Autoren. Dazu kommen Illustrationen und Graphiken von mehreren Künstlern. Leserbriefe gibt es auch, sowie Rezensionen von Ramona Schroller, Thomas Hofmann, Malte S. Sembten, Markus Kastenholz und Constanze von Kolck.

Ein großer Schritt wurde gewagt, liegt die aktuelle Ausgabe der NOCTURNO nun doch als Buch im Format DIN A5 vor und umfasst immerhin 210 Seiten. Angesichts der wenigen Möglichkeiten für "junge" Autoren, zu veröffentlichen, ist es der Reihe NOCTURNO zu wünschen, dass der Formatwechsel finanziell kein Fiasko wird, ein großes Risiko ist er allemal.

Einige Autoren sind schon nicht mehr ganz unbekannt, haben sie doch schon Kurzgeschichten oder Romane veröffentlicht. Andere Namen sind zumindest dem Rezensenten völlig unbekannt. Man darf also gespannt sein. Da es sich allesamt um Kurzgeschichten handelt, sollte nicht allzu viel vom jeweiligen Plot oder gar Ende verraten werden, um nicht die Spannung zu rauben. Sie sind inhaltlich sehr unterschiedlich, von skurril über cthuloid bis nachdenklich; eine Geschichte ist sehr derbe und ohne jegliche Phantastik, eine beschreibt recht eindeutig sexuelle Handlungen, der Serienkiller darf nicht fehlen und zum Abschluss gibt es eine Fantasy-Geister-Geschichte. Auch vom Anspruch und Lesewert sind sie sehr unterschiedlich, was aber bei einem solchen Heft nicht verwundert.

Den Anfang macht UM KOPF UND KRAGEN von Charlotte Engmann. Diese kurze Geschichte zeigt einen gewissen makabren Sinn für Humor, bringt dann ein neues Element ins Rennen und wartet am Ende mit einer guten Pointe auf. Eine nette kleine Idee, die glücklicherweise nicht unnötig ausgewälzt wurde und daher lesenswert ist. Die dazu gehörige Zeichnung ist etwas arg einfach geraten.

KLEX von Stefan T. Pinternagel ist ebenfalls kurz und mit Komik ausgestattet, aber dieses Mal handelt es sich eher um Humor der skurrilen Art. Eine wirklich abgedrehte Handlung und als Kurzgeschichte gelungen.

Mit MADAME MOSCA von Eddie M. Angerhuber wird es dann geheimnisvoller und gruseliger. Blut fließt auch, aber die Gewalt wird zielgerichtet eingesetzt. Die Geschichte lebt von den Beschreibungen des (eigentlich unerklärlichen) Vorgehens des Protagonisten. Wieder eine gute Geschichte.

DAS BILD ÜBER DER TREPPE von Andrea Tillmanns hingegen kann nicht wirklich überzeugen. Eigentlich eine ganz nette Idee, aber der Plot erinnert schon stark an Poe oder Lovecraft bezüglich (geistigen) Verfall von "Schlossbesitzern". Auch das Ende kann nur bedingt überzeugen, da wäre eine etwas einfallsreichere Pointe wünschenswert gewesen.

Geschmackssache ist dann MARLEEN! von Markus Kastenholz, kranke Menschen mit kranken Fantasien als Protagonisten scheinen ja in Mode gekommen zu sein. Hier geht es um einen Mann, der seine Mutter hasst. Das reaktionäre Frauenbild ist natürlich das des Protagonisten und nicht das des Autors, trotzdem ist es nur schwer erträglich. Frauen, die fremdgehen, sind natürlich alles Huren, und klar werden solche Frauen vergewaltigt, macht es ihnen sicherlich auch noch Spaß, sind ja eben alles Huren … Die Schlusspointe ist dann makaber und mit einem gewissen Charme, aber es ist schade, dass man sich bis dahin mit solch armseligem Gedankengut beschäftigen muss.

Zwar nett zu lesen ist ABSCHIEDSGESCHENK von Micha Wischniewski, aber leider inhaltlich nur bedingt neu: Wissenschaftler wird nach dem Tod seiner über alles Geliebten Frau wunderlich und verliert sich immer mehr in seiner Forschung. Kundige Leser dürften schon wissen, wohin die Reise geht.

Das erste Highlight ist dann DAS INNERE ODER DIE NULLTE STUNDE von Antje Ippensen. Eine bedrückende Szenerie voller innerlich toter Menschen und Drogenkonsum, gut und eindrücklich geschildert. Das Ende mag nicht jedem gefallen, dem Rezensenten ja. Die Deutung der Handlung hängt sicherlich auch von Erwartung und Vorbildung des Lesers ab.

Cthuloid wird es dann mit Thomas Wagners DIE FARBEN DER TIEFE, hier geht es um bizarre Bilder und deren geheimnisvolle Entstehungsgeschichte. Die Geschichte erschien bereits 1999 in "Die Saat des Cthulhu", dem zweiten Band der Reihe "H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens" des FESTA-Verlages. Sie ist nicht in der aktuellen Neuauflage des Bandes enthalten, so dass der geneigte Leser und Käufer der Neuauflage hier endlich die Chance hat, diese Geschichte doch noch lesen zu können. Und es lohnt sich. Auch kein wirklich vollkommen neuer Plot, aber wirklich gut erzählt.

Ein nicht ganz jugendfreies Szenario findet der Leser in SCHNELLER! von Cassandra Schwartz vor, in dem sich das Grauen erst spät zeigt. Eine ganz nette Pointe, kurz präsentiert, insgesamt akzeptabel.

Nur zweieinhalb Seiten umfasst DIE (ALP-)TRAUMWOHNUNG von Ramona Scholler und kann unter anderem daher nicht näher beschrieben werden. Sehr makaber, sehr kurz und ebenfalls akzeptabel.

Erneut cthuloid geht es INNSMOUTH IN METROPOLIS zur Sache. Michael Tillmann beschreibt recht gelungen ein nicht eben neues Szenario.

Eine eigene Form des Grusels bietet dann BLUTIGER HAUCH. Eine junge Frau trifft auf einen ihr unbekannten Mann, der eine verwirrende Wirkung auf sie hat. Und in der Stadt treibt ein Serienmörder sein blutiges Werk. Diese Geschichte hat etwas.

Andreas Gruber zeigt in IN GEDENKEN AN MEINEN BRUDER mal wieder die Schrecken des Lebens auf. Drogen, Selbstverstümmelung, Kindesmisshandlung und -missbrauch, all die schönen Freuden der entfremdeten Menschen. Erschreckend, provokativ und lesenswert. Je nach Erwartung und Vorbildung des Lesers mag der Schluss überraschend sein.

Den Abschluss des literarischen Teiles bildet die fantasylastige Geistergeschichte NEBELTANZ von Linda Budinger. Vor dem Hintergrund einer asiatischen Kultur erzählt die Autorin eine Geschichte, die bis auf die Geister auch in der Realwelt spielen könnte. Der fantastische Aspekt ist gut eingebaut, aber nicht dominant für den Plot. Es geht um Frauen, um starke Frauen, um Vergewaltigung und um Rache (oder Gerechtigkeit?). Mit eine der besten Geschichten dieser Aufgabe. Als Rollenspieler fühlt man sich direkt an gewisse Kulturen auf Fantasy-Welten erinnert. Diese Autorin verdient Beachtung und hat auch schon einiges veröffentlicht, unter anderem für die Romane der DSA-Reihe.

Zwanzig Seiten umfasst der Rezensionsbereich, der den Band beschließt. Ein großes Problem ist die mangelnde Aktualität, die sich durch die geringe Veröffentlichungsrate des Mediums erklärt. Kommen dann noch Verspätungen bei der Veröffentlichung hinzu wie bei der vorliegenden Ausgabe, ist ein Buch auch mal schnell ein Jahr alt. Das Medium Internet bietet da sicherlich bessere Möglichkeiten, und es gibt ja eine Homepage zu NOCTURNO. Erklärbar, aber etwas unglücklich sind die Rezensionen für den VirPriV-Verlag. Immerhin erscheint die EDITION NOCTURNO in diesem Verlag und ist nicht unabhängig. Man will ja nichts unterstellen, aber um eben solche Unterstellungen zu vermeiden, hätte man eventuell darauf verzichten sollen. Ansonsten zeigen die Rezensionen ein gutes Niveau.

Die Zeichnungen sind im Großen und Ganzen schon ein gutes Stück besser als das, was man sonst so teilweise geboten bekommt. Schön wäre es, wenn sie wirklich immer zu den Geschichten passen würden. Oder einfach nur gut aussehen und zwischen den Geschichten unabhängig gestellt werden. Wirklich misslungen ist die Zeichnung auf Seite 183. Der Stil ist dürftig, und könnte das Motiv auch mythisch aussehen, sieht es eher aus wie eine plumpe Soft-Porno-Zeichnung.

Fazit:
Insgesamt ist NOCTURNO 5 eine lohnenswerte Anschaffung. So manche Geschichte mag alleine stehend dem kritischen Leser nicht genügen, als kleiner Einschub in einer Anthologie sind sie aber brauchbar. Humorvoll und Skurril geht es auch ein paar Mal zu, und zwei/drei Geschichten sind wirklich gelungen.

Auch darf nicht vergessen werden, dass Hefte wie NOCTURNO wichtig sind für die Einwicklung des literarischen Nachwuchses. Dass es da nicht nur Perlen gibt, versteht sich von selbst. Der Preis ist letztlich auch akzeptabel, besser auch mal eine abwechslungsreiche Anthologie mit eventuellen Neuentdeckungen und dafür ein durchschnittliches Taschenbuch weniger.

Bernd Wachsmann



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