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 Pioniere des Comic

Die andere Avantgarde


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Vom 23. Juni bis 18. September 2016 war in der Schirn Kunsthalle Frankfurt die Ausstellung "Pioniere des Comic" zu sehen - mit großer Resonanz. Denn nur bei wenigen anderen Genres besteht nach wie vor eine derartige Diskrepanz zwischen der "offiziellen" Rezeption und der Beliebtheit beim Publikum. Beim hier besprochenen Buch handelt es sich um den Katalog zur Ausstellung.

Bereits das Vorwort von Direktor Max Hollein, David Carriers Essay "Von Hand bewegte und bewegende Bilder" und Alexander Brauns Einführung zeigen dieses Ungleichgewicht auf und sind bestrebt, dem Comic einen angemessenen Platz in der Kunst zuzuweisen. Es schließen sich Kapitel zu den großen Vorreitern des Comics an: Winsor McCay, Lyonel Feininger, Charles Forbell, Cliff Sterrett, George Herriman und Frank King. Der Artikel "Parallelbilder, Fantasie oder optischer Humor" von Thomas Scheibitz rundet den Band ab.

Beim Besuch der Ausstellung "Pioniere des Comic" in der Frankfurter Schirn fiel nicht zuletzt die Verblüffung zahlreicher Besucher angesichts des Namens Lyonel Feininger in diesem Kontext auf - wer hätte den Bauhaus-Künstler in den Niederungen (so sieht es das "Establishment" zum Teil heute noch) der bunten Bildergeschichtchen verortet? Feininger selbst hat sich dieses Aspekts seiner Vergangenheit jedoch nie geschämt. Wer sich Feiningers Comics genau ansieht und mit einem gewissen Quantum an Scharfsinn ausgestattet ist, erkennt, dass es sich in der Tat um keinerlei Abstieg aus einem wie auch immer gearteten Olymp handelt: Feininger will unterhalten, dies jedoch auf einem beachtlichen Niveau, voller Anspielungen und Querverweise.

Auch die anderen porträtierten Künstler haben durchaus zur Entwicklung der Malerei und Zeichenkunst beigetragen. Wer Winsor McCays Comics betrachtet, erkennt beispielsweise surrealistische Anklänge, wie sie zu seiner Zeit noch gar nicht fest etabliert waren - und Cliff Sterrett etwa bringt expressionistische Züge in sein Werk ein. Feiningers "The Kin-der-Kids" warten dagegen mit anspruchsvollen Japonismen auf; unschwer lassen sich Anleihen von Hokusai und Hiroshige erkennen.

Überwiegend handelt es sich bei den Exponaten um originale Zeitungsseiten; die Comics bildeten meist eine attraktive Sonntagsbeilage. Ihre Akzeptanz beim Publikum erwies sich allerdings als sehr unterschiedlich: Während Feiningers Bildgeschichten etwa recht bald abgesetzt wurden, weil sie für die damalige Leserschaft zu anspruchsvoll waren, hielten sich manche Serien über viele Jahre, gar Jahrzehnte. Der Ausstellungskatalog dokumentiert dies auf informative, niveauvolle sowie unterhaltsame Weise. Neben den eigentlich präsentierten Comics finden sich auch Abdrucke von "Vorbildern", die den Zeichnern als Vorlage dienten, und Kunstwerken, die ganz offensichtlich durch den ein oder anderen Comic inspiriert wurden - eigentlich doch ein Tabu?

So erfährt der Leser viel Wissenswertes über die einzelnen Comicserien und ihre Zeichner, über die Tradition, in der sie stehen als Nehmende und Mittler, ihre Zielgruppen und Akzeptanz. Gerade für jene, welche die Ausstellung gesehen haben, bietet der Katalog eine wunderbare und nachhaltige Ergänzung. Doch auch Interessierte, denen die Ausstellung entgangen ist, kommen auf ihre Kosten: Denn wenngleich die Comics in Buchform natürlich nicht so eindrucksvoll ankommen wie die Originale in der Ausstellung mit ihrer schieren Größe, Farbigkeit und generellen Präsenz, so bieten sie doch einen tiefen Einblick in die Geschichte dieser Kunstform und ihrer Entwicklung hin zu einem bei weniger doktrinären Fachleuten anerkannten Genre.

Inhaltlich und in Bezug auf die Präsentation formidabel - eine Bereicherung für Kunstfreunde, die entweder den Comic schon lieben oder bereit sind, sich ihm zu öffnen!

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 30. Juni 2016 | ISBN: 9783775741101 | Preis: 35,00 Euro | 291 Seiten | Sprache: Deutsch

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