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 Ein Hap & Leonard Roman: Bärenblues


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Florida ist verschwunden. Nein, nicht etwa der Staat, sondern eine Rechtsanwältin, Florida Grunge, ihres Zeichens Hap Collins Exfreundin. Ein letztes Lebenszeichen von ihr gab es in Groverton, wo sie nach verschollenen Musikaufnahmen einer Blueslegende suchte. Hap hat ein ganz ungutes Gefühl bei der Sache, denn in Groverton herrscht unverhüllter Rassismus und Florida ist schwarz wie die Nacht. Da mit dem Schlimmsten zu rechnen ist, machen Hap und sein Freund Leonard, ebenfalls schwarz, sich auf den Weg, Florida zu finden. Klar, dass die beiden dort nicht mit offenen Armen aufgenommen werden - und ehe sie sich versehen, stechen sie in ein Hornissennest. Dieses Mal können sie von Glück sagen, wenn sie lebend wieder nach Hause kommen.

Wie kann ein Buch gleichzeitig so unterhaltsam und so erschreckend sein? Autor Joe R. Lansdale beschreibt eine Gesellschaft, wie es sie Mitte des letzten Jahrhunderts vielleicht gegeben haben mag. Freundschaften zwischen Weißen und Schwarzen werden nicht akzeptiert und ein Ableger des Klans herrscht ohne jede Zurückhaltung über eine ganze Stadt. Jeder Schwarze, der sich nicht unterwürfig verhält, wird gnadenlos bestraft, bis hin zu Mord. Kein Wunder, dass Hap und Leonard, die noch nie in ihrem Leben zimperlich waren, sofort anecken; da würde Leonards Hautfarbe ja schon ausreichen.

Wer die Reihe um die beiden Freunde kennt, weiß aber, das ist nicht alles. Die beiden wirbeln die Stadt auf wie ein Tornado, fordern ihr jeweiliges Gegenüber heraus und lassen keine Gelegenheit aus, einen blöden Spruch zu machen. Dabei folgen sie ihrem eigenen Ehrenkodex, der nicht immer mit dem Gesetz konform geht. Es dauert nicht lange, und sie bekommen die Prügel ihres Lebens. Doch egal wie schlimm die Bedrohung ist, Hap und Leonard stehen zusammen; wenn es sein muss, sogar bis zum Tod. Helden sind sie nicht, die beiden Underdogs, und aufrechte Stützen der Gesellschaft schon mal gar nicht. Gleich zu Anfang fackelt Leonard das Haus seiner Nachbarn ab, weil die blöd sind und er Frust hat. Es spricht Bände, dass er dafür nicht sofort eingesperrt wird. Aber so ist es eben; Hap und Leonard mögen Loser sein und unverschämt dazu, doch jeder in ihrer Stadt weiß, auf die beiden ist Verlass. Genau aus diesem Grund machen sie sich auch auf, ihre Freundin Florida zu finden und dabei landen sie in der Vorhölle.

Groverton ist eine heruntergekommene Stadt, abhängig von einem reichen Arbeitgeber, regiert nicht etwa vom Gesetz, sondern von einer Vereinigung, die den Ku Klux Klan wie Waisenkinder aussehen lässt. Gleich bei der Begrüßung wird den Ankömmlingen klar gemacht, dass unliebsame Besucher durchaus auch mal gelyncht in den Wäldern verschwinden können.

Joe Lansdale zeichnet hier ein derart düsteres Bild der Menschen in Ost-Texas, dass es kaum zu ertragen ist. Wenigstens ein paar freundliche Seelen gibt es in dem Ort und deren Hilfe brauchen Hap und Leonard schneller, als ihnen lieb sein kann. Denn es waren keinesfalls leere Drohungen, die gegen sie ausgesprochen wurden. "Bärenblues" ist zwar ein Krimi, die eigentliche Verbrechensaufklärung steht aber im Hintergrund. Im Grunde stochern die Hauptfiguren einfach so lange herum, bis sie die richtigen Leute ärgern und eher aus Zufall dem Verschwinden ihrer Freundin auf die Spur kommen. Lebendig wird das Buch durch zwei Dinge: einmal der unfassbar deutlichen Beschreibung der Gesellschaft in Ost-Texas und der unverbrüchlichen Freundschaft zwischen zwei Männern, die einander näher stehen als Brüder.

Lansdales Schreibstil ist rau und mit Schimpfworten durchsetzt. In "Bärenblues", der übrigens bereits 1997 unter dem Titel "Mambo mit zwei Bären" erschien, fällt dies besonders auf. Das passt zur Handlung, doch wer sich damit schwer tut, eine mit Beschimpfungen und Beleidigungen durchsetzte Geschichte zu lesen, sollte nicht einmal die erste Seite des Romans aufschlagen. Er verpasst dann allerdings auch ein mitreißendes, erschreckendes, anrührendes und lebendiges Buch, das trotz seines Alters modern und lesenswert ist.

Iris Jockschat



Taschenbuch | Erschienen: 30. November 2016 | ISBN: 9783946503040 | Originaltitel: The Two-Bear Mambo | Preis: 16,90 Euro | 275 Seiten | Sprache: Deutsch

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