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 Die Abenteuer von Hergé


Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Georges Remi langweilt sich. Er sitzt auf einem Stuhl und lauscht missmutig der Klaviermusik und dem Gesang von Ninie, einer Freundin seiner Mutter. Da kommt ihm der rettende Einfall. Er schnappt sich den braunen Kater und beginnt ihn zu ärgern. Sein im Kinderwagen liegender kleiner Bruder zieht die Katze gar am Schwanz. Der wütende Kater entwindet sich Georges und springt mit einem Riesensatz auf das Klavier, reißt eine Vase um und beendet die Musikstunde mit einem großen Knall. Georges muss mit seinem Bruder in die Küche. Dort führt er seinem Bruder Popaul einen Schwertkampf mit Kelle und Nudelholz vor. Der Gegner ist wiederum die Katze. Und wieder geht eine Porzellankanne zu Bruch. Seine Mutter gibt ihm Stifte und ein Blatt Papier und fordert ihn auf, etwas zu zeichnen, weiß sie doch, dass Georges nun Ruhe geben wird.

So beginnt ein ambitioniertes Projekt von Stanislas, Jean-Luc Fromental und José-Louis Bocquet. Sie versuchen, sich dem Mythos Hergé (bürgerlich Georges Remi) in Form eines Comics zu nähern. In Episoden schildern sie dessen bewegtes Leben und pointieren in Zeichnung und Text Charakter und Einstellung des berühmten Belgiers.
Nach der einleitenden Geschichte, die 1914 spielt, Georges Remi ist gerade sieben Jahre alt, wird eine Begebenheit aus dem Jahre 1925 erzählt, bei der sich Georges als zupackender Pfadfinder, der eine Gruppe spielend zu leiten vermag, erweist. In einer Nebenhandlung dokumentieren Stanislas, der die Zeichnungen beisteuerte, Bocquet und Fromental, die für Szenario und Text verantwortlich waren, die Sorgen des Vaters von Georges, der nicht glaubt, dass sein Sohn mit Zeichnen und Geschichten erzählen Geld zu verdienen vermag und der sehr bekümmert ist, dass sein Sohn nicht Herrenschneider werden will, wie es in der Familie eigentlich Tradition ist. Weitere Episoden sind von 1930, 1934, 1941, 1944, 1948, 1956, 1959, 1960, 1966, 1971, 1975, 1977, 1981 und 1983, dem Todesjahr von Hergé.
In bewundernswerter Art und Weise haben sich der französische Krimiautor José-Luis Bocquet, der Journalist und Szenarist Jean-Luc Fromental und der französische Comic-Zeichner Stanislas Barthélémy dem Leben von Hergé angenommen. Der klare und pointierte Zeichenstil von Stanislas, der immer ein wenig an den Stil von Hergé erinnert und die Komposition der Episoden, angelehnt an den Erzählstil der Hergé-Alben, sind derart brillant, dass das Leben von Hergé deutlicher und akzentuierter lebendig wird, als es eine trockene Biographie könnte.

Die drei Künstler vermögen es, in ihrem genialen Szenario Hergé ein Denkmal zu setzten, ohne ihn zu überhöhen oder zu verklären. Sie zeigen seine Nöte und Probleme, seine Hindernisse, die ihn des öfteren im Leben daran hinderten, seine Comic-Arbeit fortzusetzen.

Die dreiundzwanzig Personen, die eine wichtige Rolle im Leben von Georges Remi spielten und die in diesem Comic-Album vorkommen, sind dankenswerterweise mit ihrem "Portrait" und einem kurzen Lebenslauf auf vier Seiten hinter den eigentlichen Comic angefügt. Interessierte Leser, die gerne wissen wollen, von wem in den Geschichten gerade die Rede ist, können zum Ende des Albums blättern und nachschauen.

Fazit: Eine wunderschöne Idee und eine grandiose Umsetzung ist den drei Franzosen gelungen. Für Hergé-Fans ist dieser Comic ein absolutes Muss. Und wer sich für Biographien interessiert, sollte diesen künstlerisch einmaligen Versuch einmal durchblättern. Er ist wirklich gelungen und zeigt, das Comic mehr sein kann als Unterhaltung für Kinder und Jugendliche. Dieser Band ist eindeutig für Erwachsene konzipiert und sollte in keinem Bücherregal fehlen.

Stefan Erlemann



Softcover | Erschienen: 1. Januar 2001 | ISBN: 3551744092 | Preis: 10 Euro

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