Die Sowjetunion war kein Staat wie jeder andere. Sie wollte mehr sein als ein Staat, eine Großmacht oder ein Imperium. Sie wollte der Kern einer zukünftigen besseren Weltgesellschaft sein und den Kommunismus im Inneren wie Äußeren verwirklichen. Doch Anspruch und Wirklichkeit klafften auseinander. Die Ziele waren zu groß und auch daran zerbrach sie letztlich.

Das ist eine der vielen Thesen in Manfred Hildermeiers Geschichte der Sowjetunion. In den 1990er Jahren zum ersten Mal erschienen, wurde diese umfangreiche Darstellung vom Autor noch einmal erweitert und aktualisiert. Auf fast 1400 Seiten stellt er nun die Gesamtgeschichte der Sowjetunion dar, in sechs großen Abschnitten von der Vorgeschichte bis zur gegenwärtigen Nachgeschichte. Ein Register und ein Literaturverzeichnis ergänzen den Text neben zahlreichen Diagrammen und Tabellen.

Manfred Hildermeiers monumentale Geschichte der Sowjetunion ist seit ihrem ersten Erscheinen ein Standardwerk. Kein deutschsprachiges Buch führt umfassender und umfangreicher in die Geschichte des Sowjetstaates ein, ohne dabei Vorwissen vom Leser zu verlangen.

Das Werk wurde streng chronologisch aufgebaut. Die Abschnitte behandeln die zaristische Vorgeschichte und die Oktober-Revolution, die Phase der neuen ökonomischen Politik in den 1920-er Jahren, die Zeit des Stalinismus und des Zweiten Weltkrieges, die Nach-Stalin-Ära und schließlich die letzten Jahrzehnte bis hin zum Zusammenbruch. Für diese neue Ausgabe hat der Autor ein Kapitel zu den letzten 25 Jahren der russischen Geschichte hinzugefügt.

So ist der lange Text zwar noch länger geworden, aber die Lektüre lohnt sich, da sich Hildermeier durchgehend um Verständlichkeit bemüht, ohne dabei an Komplexität zu sparen. Die Darstellung liest sich durchgehend flüssig und der Leser bekommt einen guten Einblick in die politische Entwicklung der UdSSR und der KPdSU, aber eben auch in die sozioökonomische und kulturelle Entwicklung des Landes. Immer wieder verknüpft Hildermeier dabei die Sphären und macht deutlich, wieso Entscheidungen getroffen wurden und Ereignisse stattfanden.

Bewusst klein gehalten sind vom Autor Fragen der Außenpolitik und der Peripherie, um das Buch nicht doch noch zu überfrachten. So findet der Leser hier eine Einführung in die innere Entwicklung der Sowjetunion, nicht jedoch in die Nationalitätenproblematik oder den Kalten Krieg, auch wenn diese Aspekte natürlich immer wieder erwähnt werden müssen.

Häufig ergänzen Tabellen und Diagramme den gut lesbaren Text; sie helfen, insbesondere die sozioökonomische Entwicklung zu verstehen. Außerdem wird vieles belegt und das Literaturverzeichnis bietet auch die Möglichkeit tiefer in Einzelaspekte einzusteigen. So ist das Buch auch für Wissenschaft und Studium sehr geeignet, wahrscheinlich unumgänglich bei der Beschäftigung mit der UdSSR.

Wer also Lust und Muße hat, sich mit der Geschichte der Sowjetunion zu befassen, sollte dieses Buch lesen, auch wenn die Lektüre sicher einige Zeit dauert. Und wer sich wissenschaftlich mit dem Thema befasst, muss das sowieso.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.