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 Wenn der Jasmin auswandert

Die Geschichte meiner Flucht

Autoren: Jad Turjman
Verlag: Residenzverlag

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
2015 in Syrien. Jad Turjman, ein 25-jähriger Mitarbeiter der Verwaltung in Damaskus, erhält seinen Einberufungsbescheid: Die syrische Armee fordert ihn an. Dieses Schreiben kommt einem Todesurteil gleich, denn in diesem Bürgerkrieg kämpfen alle gegeneinander, selbst islamistische Gruppierungen gehen gegeneinander vor.

Turjman, der schon einmal von Al Nusra gefangen genommen und gegen Lösegeld wieder freigelassen wurde, und seine Familie sehen nur eine Möglichkeit; Jad muss fliehen. Am besten nach Schweden, wo bereits Freunde leben und zu helfen bereit sind.
In fliegender Hast wird ein Schlepper gesucht und gefunden, viel Geld aufgetrieben, organisiert und gepackt. Und Jads Flucht beginnt, zunächst in den nahen Libanon - selbst hier ergeben sich beim Grenzübertritt schon Schwierigkeiten -, dann in die Türkei. Nach mehreren vergeblichen, lebensgefährlichen Versuchen gelangt Jad nach Griechenland. Die Weiterreise misslingt zunächst, das Geld geht aus, der Schlepper klinkt sich aus. Jad bleibt keine Wahl außer der Balkanroute, im Winter, bei klirrender Kälte.

Jasmin: Sinnbild für Damaskus, wie es einmal war. Damaskus, die älteste Hauptstadt der Welt, in einem Land, in dem seit prähistorischen Zeiten Kulturen aufeinandertreffen. Friedlich ging es dort nicht immer zu. Wie eigentlich überall. Doch in neuerer Zeit funktionierte es offensichtlich - bis der Krieg begann.
Jad Turjman ist unmittelbar vor seiner Flucht in Damaskus dafür zuständig, Menschen, die durch den Bürgerkrieg ihre Wohnungen oder Häuser verloren haben, eine Entschädigung zu verschaffen. Der Weg zur Arbeit ist 2015 zu einem lebensgefährlichen Unternehmen geworden. Dass er die Einberufung als Anlass für seine Flucht nimmt, lässt sich nachvollziehen. Zurück bleiben seine Familie, die die Flucht finanziert und seine Freundin.

Seine Flucht – und, in Rückblenden, auch die Zeit davor – hat Turjman in seinem im Residenz Verlag erschienenen Buch nacherzählt und wohl auch ein Stück weit aufgearbeitet, übrigens auf Deutsch. Denn wenngleich der Syrer zunächst nach Schweden wollte und in Österreich gewissermaßen strandete, war es doch immer seine Absicht, in Europa wirklich "anzukommen" und sich eine Existenz aufzubauen. Sein Bericht, mit viel Menschlichem, Zwischenmenschlichem und Humor, manchmal auch Galgenhumor, gewürzt, bringt dem europäischen Leser die Nöte, Motivation, Erlebnisse und Wünsche junger Flüchtlinge – Turjman verwendet diesen Ausdruck sehr bewusst – näher und lässt ihn natürlich auch die Todesangst und die tiefe Frustration spüren, die zu einer solchen Flucht gehören. Auf die Tränendrüse drückt er nicht, im Gegenteil, seine Empathie für seine Reisegefährten wird immer wieder deutlich. Eine kurze Fotostrecke veranschaulicht Stationen der Flucht und zeigt Turjman und seine Weggefährten.

Nun ist Turjman nur ein "Fall" von Millionen, einer, dessen Flucht für ihn selbst und das aufnehmende Land eine Win-Win-Situation ergeben hat, und weder hegen alle, die nach Europa wollen, hehre Absichten, noch sind alle Begründungen stichhaltig. Seine Geschichte zeigt jedoch auf, dass jeder Einzelfall eine objektive Prüfung verdient und das recht beliebte Scheren über einen Kamm definitiv zu keiner Lösung führt.
Ein sensibel verfasstes, ein-, aber nicht aufdringliches Buch ohne ideologisches "Gschmäckle", das definitiv eine weite Leserschaft verdient!

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite angeboten.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 12. Februar 2019 | ISBN: 9783701734801 | Preis: 22,00 Euro | 256 Seiten | Sprache: Deutsch

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