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 They called us Enemy

Eine Kindheit im Internierungslager

Autoren: George Takei
Verlag: Cross Cult

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Wer kennt nicht Hikaru Sulu vom Raumschiff Enterprise? Wohl kaum jemand dachte viel darüber nach, welche Lebensgeschichte der Schauspieler George Takei wohl hinter sich hatte, als er den asiatischstämmigen Offizier auf der Brücke der interkulturell besetzten Enterprise sah. Dass diese Rolle auch in besonderer Hinsicht seine persönliche Biogragie und sein politisches Engagement ergänzen werden, konnte den wenigsten Zuschauern bewusst sein.

Nun, viele Jahre später, ist Takei ein erfolgreicher politischer Influencer, der sich für Rechte ganz verschiedener Gruppen einsetzt, ob Migranten oder LGBTQ-Menschen. Sein Engagement ist nicht zuletzt auch biografische Konsequenz der Internierungserfahrung, die 120.000 Menschen japanischer Abstammung während des Zweiten Weltkrieges in den USA erleiden mussten. Genau um diese Zeit geht es in der Graphic Nocel, die auf zweihundert Seiten in Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Takeis Kindheitserlebnissen in den Lagern berichtet.

George Takei gelingt es auf spannende Weise sowohl unterhaltend als auch informativ ein sehr realistisches Bild seiner Jahre als Kind in den Lagern zu zeichnen. Es wird weder dramatisiert noch verurteilt, aber auch nichts beschönigt. Stellenweise liest sich der Comic wie eine historische Darstellung, an anderen Stellen aber wieder wie eine Biografie. Der Wechsel dieser beiden Perspektiven, der allgemein-historischen und der sehr persönlichen, geben einen sehr nahen und intensiven Eindruck von der Zeit und dem Leben japanischstämmiger Menschen in den USA währen des Krieges.

Die Handlung erstreckt sich grob vier Jahre seiner Kindheit, unterbrochen von einigen Vorblenden ins Erwachsenenleben Takeis. Dabei stehen vor allem das Nichtverstehen eines Kindes im Mittelpunkt, das viele Erlebnisse idealisiert und wie ein großes Abenteuer wahrnimmt, lange Zugfahrten, ein hartes Lagerleben irgendwo im Nichts, politische Proteste ... Die Erniedrigung und das Elend der Internierung spüren vor allem die Eltern, was Takei erst später als Jugendlicher begreift. Deren Perspektive ist es, die dem Band seine emotionale Wucht geben.

Auf der faktischen Ebene bleibt das Buch aber erstaunlich nüchtern. Es wird erzählt, wie die Lager aufgebaut waren, wie viele es gab, welche Konflikte es unter den Insassen gab und welche Widerstandsstrategien. Dabei wird wenig bis gar nicht geurteilt. Nur einige wenige Politiker der Zeit werden für damalige Haltung eindeutig kritisiert. Selbst wenn die Insassen sich gegen Ende des Krieges und der Internierung anfangen gegenseitig zu bekämpfen, weil sie uneinig darüber sind, wie sie mit dieser Politik der US-Regierung umgehen sollten, bleibt Takei ausdrücklich dabei, dass jeder Weg seine Berechtigung hatte.

Auf der bildlichen Ebene wird dieser sachlich-neutrale Ansatz von klaren Schwarz-Weiß-Linien ohne jeden Schnörkel unterstützt. Alle Gegenstände und auch Figuren und Gesichter sind immer klar zu erkennen. Es wirkt einfach, aber dabei nicht kalt, es wirkt leer in den Baracken, aber nicht arm oder hoffnungslos. Es sind Gefängnisse, aber die Wärme der Familie und die idealisierende Wahrnehmung des Kindes, so widersprüchlich diese Aspekte auch sein mögen, werden durch diesen Zeichenstil gut ergänzt.

Diese Graphic Novel ist jedem historisch wie politisch interessierten Leser empfohlen. Sie ist einfach gut gemacht und gibt einen starken Eindruck in einen Aspekt der US-Geschichte, der ziemlich selten angesprochen wird. Nur ein Motiv ist etwas deplatziert in der Geschichte: der naiv-idealisierende Patriotismus George Takeis, der bis heute ungebrochen zu sein scheint. Dieser schimmert an mehreren Stellen auf, zum Beispiel wenn es darum geht, wie sich die Bürgerrechte in den USA nach dem Weltkrieg entwickelt haben oder dass der Staat auch Wiedergutmachung geleistet hat für diese Unrechtstat der Internierung. Dies sind sicher auch bemerkenswerte Entwicklungen, die für die US-Gesellschaft sprechen, doch an einer Stelle sagt Takei sogar, allein Amerika wäre zu solch einer Selbstkorrektur fähig, andere Gesellschaften nicht. Dies ist dann halt doch ein wenig zu viel naiver Patriotismus, noch dazu zu einer Unzeit massiver rassistischer Spannungen in den USA.


Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 13. Mai 2020 | ISBN: 978-3966580397 | Preis: 25,00 Euro | 208 Seiten | Sprache: Deutsch

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