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 Dr. Adder


Cover
Gesamt ++---
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Geschrieben wurde der Science-Fiction-Roman schon 1972, doch K. W. Jeter fand lange keinen Verleger. Es dauerte Jahre, bis dieses Buch gedruckt wurde. 2006 veröffentlichte es die "Edition Phantasia" in deutscher Sprache als Softcover-Ausgabe.

Das Los Angeles der Zukunft ist nicht mehr als ein Konglomerat aus degenerierten, amputierten und von allerlei Substanzen abhängigen Figuren. Inmitten dieser Trostlosigkeit agieren zwei Figuren: John Mox als Anführer der Moralpolizei, der die Massen mit seinen Predigten einzulullen versucht, und Dr. Adder, ein plastischer Chirurg, der mittels eines speziellen Verfahrens auch die abgründigsten Wünsche seiner Kunden aus ihren Gehirnen zieht. Durch die Kenntnis dieser Wünsche ist er auch fähig, selbige zu erfüllen. Er amputiert Gliedmaßen, verändert vor allem Genitalien auf das Absurdeste und handelt zudem auch noch mit Drogen. Dass Mox und Adder Todfeinde sind, zumal Adder sich mit seinen Methoden längst durchgesetzt zu haben scheint, hat aber nicht nur etwas mit ihrem heutigen Status zu tun, sondern reicht viel weiter in die Vergangenheit.
Inmitten diese Rivalität gerät Allen Limmit, der eigentlich nur von seiner nicht weniger trostlosen Heimat, einer Eierfarm, in die Weiten der Großstadt eintauchen wollte ...

Dem Buch vorangestellt ist ein Zitat aus einem Leserbrief an das Penthouse-Magazin von 1972. Dieses Zitat, in dem ein Leser um häufigere Abbildungen von Frauen mit Amputationen bittet, bereitet den Leser schon auf einen Roman vor, in dem sexuelle Gelüste abseits der Norm eine große Rolle spielen - doch letztlich vermag dieses Zitat nicht auf das vorzubereiten, was den Leser tatsächlich erwartet.
Gleich zu Beginn des Romans, der auf der heimatlichen Eierfarm von Allen Limmit beginnt, wird man mit genetisch manipulierten Hähnen und Hennen konfrontiert, deren Daseinsberechtigung nicht allein die ist, Eier zu legen, sondern vielmehr die zahlreichen Mitarbeiter der Farm kostenlos zu befriedigen. Die übliche Art von Sex, nämlich zwischen zwei Menschen, ist den Leuten auf dieser Farm fremd, so dass die Sodomie nicht eine Variation darstellt, sondern die gängige und einzige Option der sexuellen Befriedigung.
In Los Angeles wandelt sich dieses Bild, denn hier stehen wieder Menschen im Mittelpunkt. Menschen, bei denen allerdings fraglich ist, ob man sie noch gänzlich als solche sehen kann, denn kaum ein intakter Körper ist noch auf der Straße zu sehen, die Figuren sind durch Drogen entweder leer oder sehr aufgepusht, und bekommt man einmal mehr von einer der zahlreichen Huren zu sehen, so stehen Verstümmelungen der Genitalien an der Tagesordnung.
Diese Form der Science-Fiction oder auch des Genres Cyberpunk, denn nicht allzu weit davon entfernt und umso düsterer ist die Welt im Roman beschrieben, ist neu und wohl auch einzigartig. Die Frage, die sich dabei stellt ist, ob es sich um Schund handelt oder um eine Art Revolution des Genres.

Philip K. Dick, der Vater des "Bladerunner", sieht in diesem Werk ganz klar eine Revolution, wie er auch in einem mehrseitigen Nachwort deutlich zu verstehen gibt.
Es verwundert, dass gerade er diesen Roman derart lobt, denn was mich betrifft, tendiere ich doch eher zur Schundecke.

K. W. Jeter versteht es durchaus, eine Zukunft zu zeichnen, die man als Leser nachvollziehen kann und auch der Konflikt zwischen den beiden großen Männern der Stadt ist nachvollziehbar. Dass der Protagonist von außerhalb, aus einer ländlichen Gegend, kommt, erhöht das Verständnis der Gegebenheiten, denn so wie Allen Limmit die Gesetze von Los Angeles erst kennen lernen muss, so steht auch der Leser unwissend da, will und muss erst an alles herangeführt werden.
Was jedoch nicht gelingt ist, einen Funken überspringen zu lassen.
All die Abartigkeiten in der Sexualität, die Alltäglichkeit von Gewalt und Drogenkonsum, das alles schreckte vielleicht Anfang der Siebziger Jahre so sehr, dass es Hauptgrund zur Manuskriptablehnung war, doch heute schreckt das allein nicht mehr. Der Punkt ist nur, dass all das nicht wirklich nötig ist. Es ist nicht wichtig, ob Menschen mit Hennen kopulieren, in Filmkostümen bis zur Bewusstlosigkeit onanieren oder an jeder Ecke eine Hure mit chirurgisch veränderten Körpern antreffen. All diese Aspekte sind durch beliebige andere ersetzbar, was zeigt, dass sie schlichtweg überflüssig sind.

Der Roman zeigt interessante Ansätze, die aber leider völlig untergehen. Im Vordergrund steht keine Handlung, sondern die Darstellung möglichst vieler Abartigkeiten in möglichst kurzer Aufeinanderfolge. Selbst damit mag sich ein Leser grundsätzlich anfreunden können, aber solche werden dann an mangelnden Erklärungen scheitern. Außerdem hatte der Autor zwar den Mut, solche Themen zum Dreh- und Angelpunkt seines Buchs zu machen, nicht aber auch den, entsprechende Schilderungen konsequent in einigen Details darzustellen. Da bleibt das Buch dann doch lieber bei schüchternen und vielleicht verschämten Andeutungen.

Tanja Elskamp



Softcover | Erschienen: 01. Januar 2006 | ISBN: 3937897135 | Preis: 15,90 Euro | 254 Seiten | Sprache: Deutsch

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