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 Cthuloide Welten 10


Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis
2006 ist das Jahr der cthuloiden Jubiläen. Vor 25 Jahren erschien die erste Auflage von "Call of Cthulhu" in den Vereinigten Staaten, vor 20 Jahren kam die erste deutsche Übersetzung auf den Markt und auch für das deutsche Cthulhu-Hausmagazin von Pegasus ereignet sich dieses Jahr ein kleines Jubiläum: die 10. Ausgabe der "Cthuloiden Welten" ist da.

Das erste, was auffällt, ist der gewachsene Umfang. Ganze 16 Seiten mehr enthält dieses Jubiläumsausgabe, ist aber im Preis nicht gestiegen. Ebenso ist nicht geheftet, sondern besitzt einen Klebeeinband mit Buchrücken, was sich im Regal sehr schön macht.

Das Wichtigste jedoch ist und bleibt der Inhalt, der im Folgenden zumindest teilweise näher betrachtet werden soll. Nach dem obligatorischen Vorwort und einem Überblick über die neuesten cthuloiden Neuheiten in Deutschland und den Staaten, folgt mit "Erinnerungen: 1986 bis 1998" der erste Teil eines zweiteiligen Artikels von Chefredakteur Frank Heller über die Geschichte des Cthulhu-Rollenspiels in Deutschland. Der Beitrag ist sehr informativ geschrieben und gibt gute Einblicke in die Publikationsgeschichte "Cthulhus". Trotz etlicher Missgeschicke und Fehlentscheidungen in der Prä-Pregasus-Epoche des Spiels ist "Erinnerungen" nie anklagend oder schuldzuweisend, sondern bleibt journalistisch neutral, dabei aber dennoch unterhaltend und kurzweilig.

Darauf folgt mit "Das Gelbe Zeichen" das erste von zwei Abenteuern. Es handelt sich hierbei um ein 1:1, für einen Spielleiter und einen Spieler. Es ist inspiriert von Robert W. Chambers Kurzgeschichte "Der König in Geld" und lässt sich zeitlich gesehen in jeder der drei klassischen Cthulhu-Epochen ansiedeln. Das Abenteuer ist zwar gut durchdacht, wird aber aufgrund der besonderen Voraussetzung wohl nur wenig Anklang finden. Da es explizit für einen Spieler ausgelegt ist, muss der Spielleiter einiges an Zeit und Arbeit investieren, um es für eine ganze Gruppe umzuschreiben.

Das zweite Abenteuer ist selbst für eine Zeitschrift wie die CW ein Kuriosum. In "Endspiel" geht es um Fußball, genauer gesagt um die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Ausgabe nur noch wenige Monate entfernte Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Gerade dieser Beitrag ist es, der - ähnlich wie die WM und all ihre (un)sinnigen Begleiterscheinungen - die Leserschaft am meisten polarisieren wird. Deutschland steht hier im Endspiel der WM, Gegner ist die Mannschaft des (fiktiven) Pazifikstaates Rigarsien. Diese hat es jedoch nicht auf den Pokal abgesehen, sondern will im Laufe der Partie zehn Große Alte auf das Spielfeld beschwören. Die Cthulhu-Spieler müssen nun in die Rolle der deutschen Fußballspieler schlüpfen, um einerseits die WM zu gewinnen und andererseits die Beschwörungen zu vereiteln. Fußball polarisiert, und ebenso tut es auch dieses Abenteuer. Dem einen wird es gefallen, der andere wird es als Seitenverschwendung verfluchen. Ein allgemeines Urteil abzugeben ist somit nur schwer möglich.

Glücklicherweise geht es mit dem folgenden Artikel wieder ans cthuloide Eingemachte. Joachim A. Hagen liefert mit "Lehrmeister des Schicksals - Künder der Zeit" einen lesenswerten Einblick in die Geschichte des Tarot-Spiels. Erweitert wird der Artikel durch Frank Heller, der sich auf knappen zwei Seiten noch den Verwendungsmöglichkeiten des Tarot bei Cthulhu annimmt. Abschließend wird in Form des "Lombardi Zeroth"-Tarot noch ein spezielles Tarot-Spiel für Cthulhu vorgestellt.

"Eine kleine Geschichte der Fotografie" von Daniel Hockmann liefert das notwendige Know-how für fotografisch interessierte Spielercharaktere in den 1920ern. Auch der Beruf des Fotografen ist regeltechnisch aufgelistet. Abgerundet wird dieser Artikel mit einem beunruhigenden Bericht des Fotojournalisten Richard Schuster.

"Kinkerlitzchen" sind kleine Dinge und Gerätschaften, die einem das Leben leichter machen. So auch den Investigatoren bei Cthulhu. Steffen Schütte präsentiert auf sieben Seiten Kurioses aus den 1920ern. So verwendete der Mann von Welt ein Radfahrer-Feuerwerk, wenn ihm kläffende Hunde zu nahe kamen, während er auf seinem Drahtesel die Runden drehte - zumal der Besitz vieler explosiver Substanzen in dieser Epoche noch nicht verboten waren. Man mag gar nicht darüber nachdenken, welchen Nutzen so ein handliches Feuerwerk für einen bedrohten Spielercharakter haben könnte. Aber auch auf solche nützlichen Gerätschaften wie Schreckschusswaffen und die klassischen Stockdegen geht Schütte in seinem Beitrag ein.

Von der so genannten Teslaspule hat jeder schon einmal gehört, aber was weiß man noch über ihren Erfinder, den Elektrotechniker Nikola Tesla? Carsten Schmitts Artikel hilft weiter und erschafft das Porträt eines der faszinierendsten Visionäre des frühen 20. Jahrhundert. Mag man den Nutzen eines nüchternen Naturwissenschaftlers für ein Horror-Rollenspiel anfangs noch in Frage stellen, erahnt man nach der Lektüre dieses Artikels, welches Potenzial in der Verwendung Teslas für "Cthulhu" steckt.

"Psycho" und den Charakter des Norman Bates verbinden wir heute hauptsächlich mit dem Regisseur Alfred Hitchcock. Dass Robert Bloch, der Autor der Romanvorlage zu diesem Klassiker unter den Psychothrillern, ein großer Verehrer der Geschichten Lovecrafts war, ist dagegen unbekannt. Holger Kutschmann erweist dem Schriftsteller die Ehre, indem er ihm einen Artikel widmet, in dem Leben und Werk Blochs näher beleuchtet wird.

Abschließend gibt Gregor Rot in seinem Artikel "Die ewige Kampagne" nützliche Tipps und Hinweise, wie man im Cthulhu-Rollenspiel die Abenteuer seiner Gruppe zu einer in sich stimmigen und runden Sache, sprich: Kampagne, machen kann.

Fazit: Die "Cthuloide Welten 10" kommt in gewohnt guter Qualität daher. 16 Seiten mehr zum gleichen Preis sind ein weiterer Kaufanreiz, auch wenn natürlich viel Eigenwerbung in Form der Vorstellung der Cthulhu-Redaktion und einem Orga-Bericht über die bisherigen Cthulhu-Conventions enthalten ist. Doch über derlei kann man zum Jubiläum hinweg sehen, zumal auch diese Beiträge durchaus interessant geschrieben und unterhaltsam zu lesen sind. Auch die Hintergrundartikel sind gut recherchiert und bieten reichhaltige Inspiration für zukünftige Cthulhu-Runden. Lediglich die Auswahl gleich zweier spezieller Abenteuern ist etwas unglücklich. Das Ersetzen eines der beiden durch ein eher klassisches Cthulhu-Abenteuer wäre ratsam gewesen. Ansonsten kann man Ausgabe 10 der "Cthuloiden Welten" eine runde Sache nennen, welche die Wartezeit auf weitere Veröffentlichungen im Jubiläumsjahr angenehm versüßt.

Markus Goedecke



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