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 Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte

Autoren: Ralf Isau
Illustratoren: Ference B. Regös
Verlag: Bastei Lübbe

Cover
Gesamt +++--
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


"Erst ganz am Schluss ist, wer Geduld hat, schlauer". Pala muss diesen Satz sicher schon tausend Mal gelesen haben und auch alle, die diesem folgen. "Erst ganz am Schluss ist, wer Geduld hat, schlauer" ist die Einleitung von Palas Geburtsgedicht, in Silencia durchaus nichts ungewöhnliches, sieht man davon mal ab, dass nicht Palas Vater dieses Gedicht geschrieben hat, sondern ein unbekannter Dichter. Normalerweise lässt es sich kein Vater nehmen, ein Geburtsgedicht zu schreiben, und sei es noch so kurz oder kläglich.
Aber Pala ist zudem etwas ganz Besonderes, denn sie ist eine Worterfinderin, was sogar in einer Dichter- und Erzählerstadt wie Silencia nicht alltäglich ist. Am liebsten geht Pala ihrer kreativen Ader bei einer guten Buchstabensuppe ihrer Mutter nach, wo ihr Tellerrand als kreativer Raum für neue Worten herhalten muss.
Und Silencia ist ganz gegen seinen Namen immer mit Geplapper, Gemurmel, Getuschel, Erzählen und sonstigem Gerede erfüllt, denn Silencia ist bekannt für seine Sprachforscher, und fast jeder dort hat einen Beruf, der mit Worten zu tun hat, denn Worten wohnt eine einmalige Macht inne.
Am besten kann, wenn es nach Pala ginge, ihr Großvater Gaspare Oratore mit Worten umgehen. Dieser ist früher Geschichtenerzähler gewesen, aber nachdem seine drei Söhne ihn im Zwist nach und nach verlassen hatten, war er etwas eigenbrötlerisch geworden, doch Pala störte das wenig. Fast jeden Tag besuchte Pala Nonno Gaspare, um von ihm Geschichten zu hören oder um über Gott und die Welt zu plaudern.
Doch eines Tages passiert etwas Furchtbares: Gerade will Pala Nonno Gaspare wieder besuchen, doch der alte Mann ist im Gesicht rot angelaufen und hat lauter Pusteln. Außerdem bekommt er, was am Schlimmsten ist, kein einziges Wort mehr heraus. Pala denkt zuerst, er habe sich an einem Hühnchenknochen verschluckt, denn Nonno Gaspare lebt eigentlich nur von diesem Federvieh, aber da irrt sie sich. Hilflos sieht ihr Großvater sie an, als ob er sie nicht einmal verstehen würde.
Sofort holt Pala den Arzt, aber außer dass die Pusteln in Nonno Gaspares Gesicht wohl Mückenstiche sind, kann er nichts feststellen. Sofort werden ihr Großvater und Pala im Krankenhaus unter Quarantäne gestellt und in der "Villa des Schweigens" einquartiert Doch was Pala am meisten irritiert, ist etwas ganz anderes: Überall in Silencia sind Gedichte an Hauswänden und Pforten zu finden, aber ob sie alle zusammengehören? Zufällig ist Pala nämlich aufgefallen, dass das Gedicht an Nonno Gaspares Pforte genauso anfängt wie Palas Geburtstagsgedicht endet, und so passt auch das Gedicht am Eingang der "Villa des Schweigens" zu Gaspares Gedicht - ob das ein Zufall ist? Und woher kommt der Wortverlust; hat der neue Gönner von Silencia, Zitto, damit zu tun? Der die alte Ruine auf dem Berg gekauft hat und sie nun wieder aufbaut, ohne einen einzigen Arbeiter? Und wieso malt der wortlose Gaspare immer wieder diese Burg auf? All diese Fragen stürzen plötzlich auf Pala ein ...

"Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte" von Ralf Isau beschäftigt sich mit einer ungeheuren Macht, der Macht der Worte, denn wie Ralf Isau selbst zu Anfang verkündet, wusste die Bibel schon von dieser Macht: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und göttlichen Wesens war das Wort", Johannes, Kapitel 1, Vers 1.

Pala lebt in einer Welt, in der ein gutes Gespräch höher geschätzt wird als jede Luxusgüter, und ausgerechnet in diese Welt kommt der Gönner Zitto und bringt die vermeintlichen Annehmlichkeiten der modernen Gesellschaft mit sich, wodurch die Menschen - wie es scheint - verlernen, miteinander zu reden, und sich immer mehr Worte abhanden kommen lassen.
Hier kann man vermuten, dass Ralf Isau auf den Wert von Worten, ob gesprochen oder geschrieben, hinweisen will. Denn in unserer Gesellschaft wird immer weniger gelesen, da zum Beispiel das Fernsehen die gleichen Informationen wesentlich schneller und einfacher liefert. Und es ist auch immer einfacher, Probleme auszuschweigen als sie in einem Gespräch zu lösen; allerdings entfremdet dieses Verhalten die Menschen zunehmend.

Das Cover wird von einem ein Schmetterling, einem Auge, welches durch ein Loch späht, und verschiedenen Büchern geziert, was ich ganz passend finde, geht es in diesem Werk ja darum, Geheimnisse und die Macht von Worten zu entdecken, und Bücher haben ja jede Menge Worte in sich. Der Schmetterling könnte für einen Schreiberling stehen, dem Pala auf ihrem Weg entlang der Sonette (eine Gedichtsform) begegnet und der nach den perfekten Formulierungen für einen Satz sucht.
Alles in allem hat man sich Mühe gegeben, das Buch schön zu gestalten. So befindet sich zu Anfang jedes Kapitels das neue Gedicht, welches sich in diesem Kapitel offenbart, doch leider wirkt es dadurch eher überlastet, weil das Gedicht ja später im Text selber erscheint und dem Leser schon von vorneherein ein stückweit die Spannung genommen wird.
Dafür gestaltet sich das Buchstabenrätsel um die Kapitelzahl sehr nett, da bei jedem Kapitel einige Buchstaben mehr sich um die Kapitelzahl kreisen und am Ende sogar einen Satz offenbaren.

Im Gesamten ist "Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte" ganz gut gelungen, auch wenn es nicht allzu anspruchsvoll ist, wie manch anderes Werk von Ralf Isau, denn es ist wohl eher in die Kinder- und Jugendbuchsparte einzuordnen. Es beinhaltet aber einige sehr schöne Ideen, die auch einen erwachsenen Leser durchaus ansprechen können, und ist damit durchaus lesenswert.

Sandra Seckler



Taschenbuch | Erschienen: 01. Dezember 2005 | ISBN: 3404154126 | Preis: 7,95 Euro | 446 Seiten | Sprache: Deutsch

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