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 Es

Autoren: Stephen King
Übersetzer: Joachim Körber
Verlag: Ullstein

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Unter der Kleinstadt Derry lauert Es. Ein Wesen, das sich alle 28 Jahre in der Form des Clowns Pennywise und vielen anderen Facetten manifestiert und Kinder umbringt. Doch im Sommer des Jahres 1958 konnten die sieben Freunde Bill, Ben, Eddie, Beverly, Stan, Richie und Mike Es aufhalten.
28 Jahre später beginnt Es jedoch erneut zu töten. Mike, als einzig in Derry verbliebener, kontaktiert seine damaligen Freunde, die alle aus der Stadt weggezogen sind. Zunächst kann sich keiner von ihnen an ihre Vergangenheit in Derry erinnern, doch langsam kommen die Erinnerungen zurück. Erinnerungen an alte Freund- und Feindschaften. Erinnerungen an alte Liebe. Erinnerungen an Es. Erinnerungen an ihren Schwur, Es zu vernichten, sollte es jemals wiederkehren.
Die alten Freunde kehren wieder nach Derry zurück, um ihren Schwur zu erfüllen. Doch wie konnten sie Es damals aufhalten? Die Erinnerungen sind noch schwach. Aber von ihnen hängt es ab, ob die sieben Freunde auch noch als Erwachsene gegen Es eine Chance haben werden.


Zugegeben, ich habe Stephen King immer als reinen Pulp-Autor verstanden, obwohl ich noch nicht so viel von ihm gelesen hatte. Seine Serie um den Dunklen Turm hat mir eigentlich nur bestätigt, dass es sich bei King um einen Autor mit viel Phantasie handelte, der zwar in der Lage war, spannende und unterhaltsame Romane zu schreiben, dabei aber nie über einen gewissen Horizont würde hinaus kommen können. Es hat meine Ansichten über King allerdings auf eindrucksvolle Weise widerlegt, denn das Buch ist einer dieser ganz wenigen besonderen Romane, die mich auf wirklich fast jeder Ebene vollkommen überzeugen und begeistern konnten.

Oberflächlich mag Es ein sehr gewöhnlicher Horror-Plot zugrunde liegen: Böses Monster bringt Menschen um und muss gestoppt werden. Diese alles andere als besondere Geschichte verpackt King jedoch in eine einzigartige Struktur, in der Vergangenheit und Gegenwart zu einer flüssigen und sich gegenseitig ergänzenden Erzählung verschmelzen. Das fängt bereits mit der Vorstellung der sechs Hauptfiguren (neben Mike Hanlon) an. Der Reihe nach bekommt der Leser einen Einblick in ihr Leben, welches durch den Anruf aus Derry und die damit über sie herein brechenden Erinnerungen plötzlich umgekrempelt wird. So ergeben sich sechs völlig verschiedene Einführungen für sechs völlig verschiedene Charaktere, jede für sich eine faszinierende Kurzgeschichte. Parallel dazu erzählt King davon, wie sich die Freundschaft zwischen den sieben in der Vergangenheit bildet und wie sie alle erste Erfahrungen mit der bösartigen Kreatur machen, die unter Derry haust. Diese enge Verzahnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart setzt sich über den gesamten Roman hinweg fort. So wie die sieben Freunde sich nach und nach an den Sommer von 1958 erinnern, so erlebt der Leser die Geschichte mit. Diese Struktur ist originell und funktioniert wunderbar, will man doch stets auf beiden Ebenen wissen, was passiert ist beziehungsweise noch passieren wird.

Das allein macht Es schon zu einem aus der Masse heraus ragenden Roman. Was ihn aber vollends veredelt, ist die Lebendigkeit, die Stephen King seiner Geschichte zu verleihen versteht. Über 1200 Seiten braucht er, um die Story zu erzählen - einen guten Teil davon machen überdetaillierte Beschreibungen und abschweifende Erzählungen über die Vergangenheit von Derry oder andere Nebensächlichkeiten aus. Im Grunde genommen hat Es dadurch jede Menge Ballast, der für die eigentliche Geschichte unnötig ist. Aber gerade diese ungeheure Fülle an Informationen und Details ist es, die Derry und seine Charaktere so lebendig macht. Eine so lebendige und atmende Welt zu erschaffen, ist mit das Größte, was ein Autor phantastischer Literatur zustande bringen kann.

Lebendigkeit hin, Struktur her, die Geschichte von Es bleibt simpel. Und doch ist die böse Kreatur des Romans mehr als nur der bloße Antagonist. Einerseits verleiht King ihr den passenden Hauch von Mystik, denn was Es genau ist und wie Es aussieht, das bleibt lange Zeit ungeklärt und verliert selbst im Finale nicht viel von der Unvorstellbarkeit, die diesem Wesen anhaftet. Andererseits verleiht King dem Monster eine gewisse Symbolhaftigkeit, schließlich ist Es nicht das einzig Schlimme in der amerikanischen Kleinstadt Derry. Gewalt und Morde geschehen auch ohne die Kreatur zu Genüge, Brutalität manifestiert sich in Form von Beverlys Vater, in dem Schulrowdy Henry Bowers, ja teilweise sogar in der gesamten Bevölkerung gleichzeitig. Dadurch repräsentiert Es lediglich die Gewaltbereitschaft und Verdorbenheit, die auch in geleckten Kleinstädten zu Genüge vorkommt, wenn auch nur im Verborgenen. Wenn Herkunft und Wesen der Kreatur auch später von King spezifiziert werden, so bleibt Es beziehungsweise Derry doch stets Sinnbild der amerikanischen Eigenart, Gewalt hinter einer freundlichen Fassade zu verstecken.
Außerdem ist Es ein Loblied auf die Kindheit und auf Kindheitserinnerungen. Mit viel Gefühl beschreibt King die Magie und Unschuld echter kindlicher Freundschaft und Liebe, die noch nicht von sexuellem Verlangen geprägt ist - wenn King auch mit dem Thema erfrischend unprüde umzugehen versteht. So sind die Protagonisten in Es letztendlich nur in der Erinnerung an ihre Kindheit in der Lage, Großes zu vollbringen und eine Chance gegen das Böse zu haben.

Es ist selbstverständlich kein Roman für Intellektuelle, aber für einen Horrorroman überdurchschnittlich ambitioniert. Wirklich spannend mag das Buch nur selten sein, aber das wird durch die absorbierende Lebendigkeit, den unkonventionellen Stil des Autors mit seinen Einschüben und fließenden Übergängen und vor allem durch die wundervollen Charaktere mehr als wettgemacht. Natürlich kann es schnell passieren, dass die abschweifenden Geschichten am Rande den einen oder anderen Leser langweilen, aber wenn man sich darauf einlässt, Derry in all seinen Zügen vor dem inneren Auge lebendig werden zu sehen, dann hat man mit Es ein einzigartiges Lesevergnügen.

Ruhig, intelligent, originell, absorbierend. Es ist unter den Horrorromanen eine Klasse für sich.

Julius Kündiger



Softcover | Erschienen: 01. Juni 2005 | ISBN: 3548263089 | Originaltitel: It | Preis: 10,95 Euro | 1214 Seiten | Sprache: Deutsch

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