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 Asche fällt wie Schnee


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Immer wieder wird in der Literatur der Holocaust thematisiert, auch für Kinder und Jugendliche gibt es viele Bücher über dieses Verbrechen. Asche fällt wie Schnee handelt vom Leben im Warschauer Ghetto, kurz bevor der berühmte Aufstand die meisten Bewohner das Leben kostete.

Im Sommer 1939 denken noch nicht viele der Einwohner Warschaus an die kommende Invasion und den Schrecken, der ihnen droht. Auch ein kleiner, namenloser Junge, der stiehlt, um zu überleben, hat keine Ahnung. Allerdings weiß er nicht viel außer den verschiedenen Diebstahl-Techniken, nicht einmal seinen Namen kennt er, so lange wohnt er schon auf der Straße, ohne Eltern und Familie.
Bei einem besonders gewagten Diebstahl, der ihm fast zum Verhängnis wird, sieht der Junge Uri, einen anderen Straßenjungen mit leuchtendrotem Haar. Er folgt ihm, wird gewissermaßen sein zweiter Schatten. Uri erkennt schnell, dass dieser kleine und flinke Junge ihm noch nützlich sein kann und adoptiert ihn sozusagen. Von Uri und seiner Bande erhält der namenlose Junge einen Namen und eine Geschichte. Ab nun ist er Mischa Pilsudski, Sohn einer Zigeunerfamilie, die sich in den Wirren eines Luftangriffs aus den Augen verlor.
Immer begabter wird er im Stehlen, immer mehr lernt er über das Leben. Als er zufällig Jamina trifft, ein Mädchen mit traurigen Augen, ist er fasziniert von ihr. Die beiden beginnen einen geheimen Handel. Mischa klaut Brot oder andere nützliche Sachen für Jamina und ihre Familie, die Juden und daher diskriminiert sind, sie gibt ihm im Tausch dafür kleinere Geschenke wie eine Haarspange von ihr oder ähnliches.
Doch diese Situation, die für Mischa schon fast idyllisch ist, endet mit dem Einmarsch der "Knobelbecher", der Nazis. Eine Mauer wird gebaut, die Menschen ziehen in Scharen in dieses neue Wohngebiet, das als Paradies angepriesen wird. Mischa zieht mit, als er merkt, dass auch Janina und ihre Familie im Menschenzug sind.
Doch obwohl die Mauer keinen durchlassen soll, findet der kleine und gelenkige Mischa ein Schlupfloch. Durch dieses geht er ein und aus; tagsüber lebt er bei Janinas Familie, nachts flieht er durch das Loch und wird zum Schmuggler, auch wenn auf das Schmuggeln die Todesstrafe steht und dies einige seiner Freunde das Leben kostet.
Doch immer weniger Essbares finden Mischa und Janina auf ihren Streifzügen durch die Stadt, und dann beginnen die Todeszüge zu rollen …

In diesem Roman wird das Leben eines komplett unschuldigen Kindes im Grauen des Zweiten Weltkriegs thematisiert. Mischa stiehlt nur das, was er selbst braucht, immer will er mit seinen Diebstählen auch anderen helfen. Janinas Familie zum Beispiel überlebt nur durch ihn ihre Zeit im Ghetto. Auch Mischas Naivität beeindruckt den Leser immer wieder. Völlig gutgläubig bewundert er zunächst die "Knobelbecher" und kann gar nicht glauben, dass Menschen mit so tollen und blank geputzten Stiefeln böse sein konnten. Auch hat der eine sich doch sehr nett mit dem vermeintlichen Zigeunerjungen unterhalten?

Das Leben Mischas, das er vor allem seiner Schnelligkeit zu verdanken hat, wird sehr eindringlich geschildert. Der erwachsene Leser, der weiß, was passieren könnte und der auch die Hintergründe des Einmarschs kennt, zittert um Mischas Leben, der kindliche Leser hat einen ähnlichen Standpunkt wie Mischa, er versteht nicht so wirklich, was vor sich geht. Hier sind dann Erklärungen von Eltern oder anderen Erwachsenen von Nöten. Durch die Naivität Mischas wird das Grauen nicht so deutlich ausgesprochen wie in anderen Büchern, dennoch merkt jeder Leser, wie beklemmend die Situation ist und wie nah am Abgrund alle Bewohner des Ghettos stehen.

Verwirrend sind hin und wieder die Bezeichnungen, die sich die Warschauer oder die Kinder für verschiedene Sachen ausdenken, wie zum Beispiel "Knobelbecher" für einen deutschen Soldaten. Doch sehr schnell hat man sich in diesen Slang eingefunden und man versteht, dass diese Spitznamen nur das Grauen und die Angst mildern sollen.
Diese Angst, die dennoch allgegenwärtig ist, richtet auch große Schäden im Menschen an, wie der Leser in den letzten Kapiteln erfährt, als er Mischa Pilsudski noch einmal wieder trifft, diesmal als alten Mann.

Fazit:
Ein Roman, der das Leben im Warschauer Ghetto behutsam, aber nicht weniger verstörend beschreibt. Wunderschön ist die Art, wie sich Jerry Spinelli in den kleinen Mischa einfühlt und den Leser an seinem Leben teilhaben lässt, bis er Hochachtung vor dem Jungen hat, der sich in einer menschenverachtenden Welt so gut behaupten kann.

Anja Thiemé



Hardcover | Erschienen: 01. Februar 2006 | FSK: 14 | ISBN: 3791519646 | Originaltitel: Milkweed | Preis: 12,90 Euro | 235 Seiten | Sprache: deutsch

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