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 Die Krokodilfärberei


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis


Der Zeichner Gilles reist zur Tulpischen Wildnis. Auch wenn er sich über den abenteuerlichen Namen dieses Anwesens wundert, kann er doch verstehen, dass diese Bezeichnung zu ihm passt, als er davor steht. Der Garten zeugt durch die verwilderten Tulpenzwiebeln noch immer von der Tulpenzüchterei, die früher hier ansäßig gewesen ist. Zwischen Büschen und Bäumen stolzieren hochnäsig zwei Pfauen und würdigen ihn keines Blickes. Die Kuh, die hier wohnt und einen Verschlag besitzt, der sie vor Regen schützt, ist da wesentlich zugänglicher. Hinter dieser natürlichen Wildnis verbirgt sich ein Haus, in dem Gilles zwei Zimmer für den alten Cembalisten Quitzow herrichten soll. Doch dort wird er während seiner Arbeit nicht alleine sein. Adolphine mit den honigfarbenen Haaren wohnt dort in einem der Zimmer und malt. Ihre Schwester, die Wusterwitz, und das Findelkind Anne Capaldi wohnen gleich nebenan.

Diese drei so unterschiedlichen weiblichen Wesen wirken, als wohnten sie in ihrer ganz eigenen Welt. Die Wusterwitz, die an Krebs leidet und deswegen verschiedene Perücken besitzt, kümmert sich jeden Nachmittag um eine Gruppe blinder Kinder, für die sie kocht und mit denen sie spielt. Anne Capaldi ist ein vorlautes kleines Mädchen, das sehr reif und erwachsen wirkt. Begeistert begleitet sie Gilles bei seinen Unternehmungen und weiht ihn in die Geheimnisse der Tulpischen Wildnis ein. Allein Adolphine, die jüngere der beiden Schwestern, reizt Gilles besonders. Er findet sie unbeschreiblich schön und teilt wie sie die Freude am Zeichnen. Doch nach einigen Wochen passiert etwas, was Adolphine zum Schweigen bringt. Diese Tat zerreißt die Idylle der Tulpischen Wildnis und muss gesühnt werden. Bald weiß Gilles auch, wie er dies anstellen kann.

Schon der Titel "Die Krokodilfärberei" macht deutlich, dass es sich hier um keinen normalen Roman handelt. Auch wenn die Handlung in der Gegenwart stattfindet, so haftet ihr doch der Zauber der Vergangenheit an. In dem Haus, das Gilles renovieren muss, scheint die Zeit stillzustehen und eben diese Tatsache empfindet er als sehr positiv. Ebenso wie der Handlungsort, wirken auch die Hauptfiguren trotz ihrer Verankerung in der Realität teilweise so, als wären sie Figuren aus einem Märchen, das man lange vergessen hatte. Auch als Leser ist man sich nicht immer sicher, ob die beschriebenen Ereignisse tatsächlich in der Geschichte passiert sind oder lediglich der Fantasie von Gilles entspringen, aus dessen Sicht die Geschichte geschildert wird. Hier wird dem Leser nicht die Geschichte als Zweck für irgendetwas anderes präsentiert, sondern sie darf, ganz entbunden von jedem Sinn, frei existieren. Wie ein Gemälde wird hier eine Situation geschildert, die der Leser mitverfolgen darf und die er dann, reicher an Bildern als vorher, wieder verlässt.

"Die Krokodilfärberei" ist ganz sicher kein Buch, das sich leicht lesen lässt. Durch die spielerische Mischung der Fantasie mit der Realität wird der Leser herausgefordert, seinen eigenen Pfad in diesem Roman zu finden. Die anspruchsvolle Erzählung spielt mit der Wahrnehmung des Lesers und der Hauptpersonen und lässt die Grenzen zwischen Echtem und Unechtem verschwinden. Es ist eine Reise, die ins Fabelhafte führt, ohne sich je von der Gegenwart zu trennen. Ich persönlich fand diesen Roman sehr ansprechend und anregend, auch wenn sein eigenwilliger Reiz sich erst langsam und wenn, dann nur dem auch wirklich darum bemühten Leser erschließt. Ganz sicher nicht für jeden Leser geeignet, aber sicherlich ein Roman, der wirklich verdient hat, als "Literatur" bezeichnet zu werden.

Daniela Hanisch



Taschenbuch | Erschienen: 01. Februar 2006 | ISBN: 3746622417 | Preis: 8,95 Euro | 272 Seiten | Sprache: deutsch

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