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 The Green Mile

Autoren: Stephen King
Sprecher: David Nathan
Verlag: Lübbe Audio

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Die "grüne Meile” im Staatsgefängnis Cold Mountain ist der kurze Weg über eklig grünes Linoleum zu "Old Sparky", dem elektrischen Stuhl. Die Geschichte um diesen elektrischen Stuhl wurde mit Tom Hanks verfilmt, war als Fortsetzungsroman genauso ein Erfolg wie als Gesamtband. Jetzt gibt es ein Hörbuch, gelesen von Synchronsprecherstar David Nathan - unter anderem die Stimme von Leonardo di Caprio und Johnny Depp.

Paul Edgecombe erinnert sich an das Jahr 1932 zurück, das Jahr des John Coffey, das Jahr von Wild Bill und das Jahr von Mr. Jingles. Paul war damals der Chefwärter von Block E, dem Block, in dem die zum Tode Verurteilten auf ihre Hinrichtung warten. Paul hat ein gutes Team, richtig intelligente Wärter, die wissen, dass sie ihre Häftlinge mit Ruhe behandeln müssen. Allerdings gibt es auch noch Percy Wetmore, das schwarze Schaf, grausam und ignorant. Er quält die Gefangenen, wenn er kann, und ist leider mit dem Gouverneur verwandt, was Paul hindert, ihn rauszuwerfen.

Im Prinzip beginnt die Geschichte mit John Coffey, einem nicht sehr intelligenten riesigen Schwarzen, der zwei Mädchen vergewaltigt und ermordet hat - zumindest ist er dafür verurteilt worden. John hat Angst im Dunkeln, John weint fast Tag und Nacht, und John hat mystische Kräfte, hat etwas Hypnotisches an sich. Und dann gibt es noch Mr. Jingles, eine kleine Maus, die Johns Mithäftling Eduard Delacroix zugelaufen ist und seltsame Kunststücke beherrscht. Paul erlebt eine seltsame und oft zu Herzen gehende Geschichte, auch eine harte und schwere Geschichte, aber eine ganz besondere, denn er sieht ein Geschenk Gottes. Und so viele Jahre später erzählt er diese Geschichte, erinnert sich mit Schmerzen, manchmal auch mit Freude und betrauert die vielen, die er überlebt hat.

Zwölf CDs, für jedes der ursprünglichen Bändchen im Schnitt also zwei, reichen so gerade für die inszenierte Lesung, die auch kein Wort des Buches auslässt. Sogar Vor- und Nachwort, klassisch geschwätzig, wie King bei solchen ist, liest David Nathan mit vor. Anfänglich wirkt seine Stimme eigentlich ein wenig zu hell, zu jugendlich - Tom Hanks’ Synchronstimme wirkt noch aus dem Film nach, und es sind ja oft die sonoren Stimmen, die man bei Hörbüchern erwartet und liebt. Aber nach relativ kurzer Zeit ist man von dieser hypnotischen, frischen und dabei durchaus irgendwie nüchternen Stimme eingefangen, verliert sich in dieser faszinierenden Geschichte, die auch literarisch einiges zu bieten hat - auch wenn das dem völlig unterschätzten King ja eigentlich selten jemand zutraut. Alle anfänglichen Vorurteile gegen diese helle Stimme verschwinden, lösen sich auf, wie die unheilvollen Insekten, die aus John Coffeys Mund schwirren, nachdem er Paul von einer sehr schmerzhaften Blaseninfektion geheilt hat. Diese Lesung ist grandios, und die Musikuntermalung ist wirklich stark, unterstützt, zieht in die Geschichte hinein - wunderbar, die Credits gehen an Andy Matern und Michael Marianetti, das muss auch mal gewürdigt werden.

Aber vor allem ist es natürlich die Leistung eines meisterlichen Erzählers im schriftstellerischen Sinne, nämlich eben dieser Stephen King, der hier gar kein "King of Horror" ist, der keine Sekunde mit großer Effekthascherei herumspielt, sondern viel eher eine großartige und fantastische Geschichte mit all der Ruhe und leichten, aber angenehmen Geschwätzigkeit erzählt, die er zu einer Meisterschaft gebracht hat, die hier voll zum Tragen kommt. "The Green Mile" ist nicht sein bestes Buch, aber eines der besten, und trotz des großen Zeitdrucks - es war ja ein Fortsetzungsromanexperiment - ein sehr durchdachtes mit ganz großen magischen Momenten, mit so vielem, was sich einfach richtig anfühlt, dass es mehr als nur lesens-, in diesem Falle hörenswert macht. Das ist wirklich ein großartiges Buch.

Und David Nathan ist auch ein großartiger Erzähler, denn er lässt diese Geschichte leben, nistet sich samt Geschichte im Hinterkopf ein, macht süchtig. Er liest nicht ganz so extrovertiert wie ein Rufus Beck, arbeitet nicht mit so vielen Stimmen wie Andreas Fröhlich, er hält sich weiter aus der Geschichte heraus, wirkt kühler, fasziniert aber nicht weniger. Es wäre schön, mehr von ihm zu hören.

Nach diesem großen Lob einige kleine Kritikpunkte, die das Drumherum angehen. Die Aufmachung hat ein etwas hässliches Grün, was natürlich zum Buch passt, die Verpackung in Papphüllen ist inzwischen üblich und so auch in Ordnung. Allerdings gibt es bei manchen Verlagen auf jeder Papphülle eine andere Rückseite, oft mit vielen Informationen über Buch und Sprecher und was gerade noch interessant sein könnte. Hier ist auf allen zwölf Hüllen die gleiche Inhaltsangabe, die gleiche kurze Vorstellung David Nathans. Im Booklet gibt es auch nicht viel mehr zu sehen außer einer bibliographischen Angabe und einem genauso kurzem Portrait von Stephen King. Und natürlich ein bisschen Werbung für einige andere Produkte des Verlages. Das ist schon ein bisschen lieblos, andere Verlage machen das eleganter. Und ein letztes, warum sagt eine unsichere Stimme am Ende einer CD immer, dass das Hörbuch auf der CD mit der folgenden Nummer fortgesetzt wird? Es stehen ja überall Nummern drauf, die meisten Hörbuchfans wissen auch, wie das mit dem Zählen geht.

Aber trotzdem: unbedingt kaufen, unbedingt hören, ist wirklich großartig!

Holger Hennig



CD | CD-Anzahl: 12 | Erschienen: 01. September 2005 | ISBN: 3785730713 | Originaltitel: The Green Mile | Preis: 19,95 Euro

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