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Wenn ich mich recht erinnere, war der Atlas das Schulbuch, das ich am seltensten in die Hand nahm. Erdkunde als Lieblingsfach von Schülern dürfte auch heute noch selten sein.
Der Doppelband von Tessloff könnte das ändern. Im ersten Teil befindet sich hauptsächlich ein großartig aufgemachter Atlas mit physikalischen Kontinental- und Länderkarten (oder, in Gebieten mit überwiegend kleinen Ländern, Regionenkarten), die unter anderem eine schier unglaubliche Fülle von Informationen zu Geografie, Geologie, Geschichte, Erwerbszweigen, Flora und Fauna, Kunst, Sehenswürdigkeiten, Bodenschätzen, Agrarprodukten, Trachten und anderen ethnischen Besonderheiten und Traditionen enthalten, zumeist in Form von beschrifteten Piktogrammen, aber auch einleitende beziehungsweise ergänzende Texte sowie tabellarische Übersichten zu Einwohnerzahlen und Hauptstädten. Die Position der jeweiligen Karte wird auf einer Abbildung der betreffenden Erdhalbkugel angezeigt. Außerhalb der Karten befinden sich "Wissenswertes"-Kästen mit interessanten Details sowie weitere Sonderinformationen.
Vor dem Kartenteil findet man eine Einführung zum Thema "Erde", eingeteilt in doppelseitige Kapitel. Diese erläutern nicht nur, wie der Atlas benutzt werden sollte, sondern auch unter anderem, wie Karten hergestellt und gelesen werden, wie die Erde zu ihrem heutigen Aussehen kam, wie Wetter und Klima entstehen und welche Gefahren der Erde durch Raubbau an der Umwelt drohen. An den Kartenteil schließt sich ein ausführliches Länderlexikon an, gefolgt von Glossar und Register.
Der Weltraum-Atlas ist ähnlich aufgebaut. Auch hier gibt es Hinweise zur Benutzung und einige Kapitel über Details unseres Kosmos (unsere Nachbarn im All, die Milchstraße, ?) sowie über die Geschichte der Astronomie und Raumfahrt. Ein großer Abschnitt widmet sich unserem Sonnensystem; die Sonne, jeder Planet und weitere Himmelskörper darin werden auf Doppelseiten ausführlich dargestellt und erklärt. Im nächsten Abschnitt, "Die Tiefen des Alls", lernt der Leser und Betrachter Phänomene wie Nebel und veränderliche Sterne (zum Beispiel Supernovae) sowie Galaxien, einschließlich der unsrigen, und schwarze Löcher kennen.
Im letzten Abschnitt geht es um Himmelsbeobachtung zu den verschiedenen Jahreszeiten - am Nord- und am Südhimmel.
Es folgen abschließend Fakten und Zahlen sowie auch hier ein Glossar und ein Register.
Sie sind erschlagen? Nun ja, das Buch ist auf den ersten Blick für ein Kinderbuch nicht billig. Da muss es schon einiges bieten, um attraktiv zu sein - und das ist definitiv der Fall.
Die im Grunde nicht gerade einfachen Themen werden kurz, präzise, aber ausreichend gründlich und sehr umfassend erläutert. Trocken wirken die Texte schon allein wegen der üppigen, qualitativ vorzüglichen Bebilderung nicht; allerdings lenkt diese zuweilen vom Lesen ab, weil es auf den Doppelseiten so viel zu entdecken gibt.
Der eigentliche Weltatlas vermittelt sehr viel Wissen über die Erde und ihre Länder, wobei Wert auf die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen gelegt wird. Ein kleines Manko: Da das Buch in den USA konzipiert wurde, werden darin zwar die Staaten der USA und Kanadas detailliert behandelt, nicht aber die hierzulande eher relevanten Bundesländer und Kantone der deutschsprachigen Staaten.
Sowohl am Welt- wie am Weltraumatlas erstaunt der Umstand, dass es den Autoren gelingt, komplexe und schwierige Phänomene wie Plattentektonik und schwarze Löcher so zu erklären, dass auch Kinder sie grundsätzlich begreifen, die noch keinen Physikunterricht hatten.
Zu den großartigen Ideen dieses Doppelbandes gehören die "Mach mit"-Kästen, die einfache, gut durchführbare Experimente zur Veranschaulichung der erklärten Sachverhalte enthalten; so hat man beispielsweise die Auffaltung eines Gebirges durch Plattentektonik unmittelbar vor Augen, kann ein Modell des Mars basteln, einen Vulkanausbruch simulieren, Sternbilder nachzeichnen oder einen orientalischen Kelim weben - und ein Schweizer Schokoladen-Fondue genießen, wenn man will.
"Schau nach"-Kästen fordern zu genauerer Betrachtung oder Lernkontrolle auf, je nachdem, wie der Leser sie interpretiert.
Die ästhetisch sehr ansprechende und übersichtliche Aufmachung und das relativ robuste Material sind weitere Pluspunkte. Mit dem Gewicht, knapp 1.800 Gramm, haben jüngere Kinder allerdings womöglich etwas zu kämpfen. Da der Atlas somit sowohl inhaltlich als auch von der Gestaltung her überzeugt und sicher jahrelang einen bevorzugten Platz im Regal eines interessierten Kindes einnimmt, halte ich den Preis für gerechtfertigt.
Das Buch eignet sich für Kinder ab etwa zehn Jahren, Teile davon aber auch schon für wissbegierige Achtjährige mit geduldigen Eltern. Es könnte durchaus passieren, dass Sie als Eltern oder Großeltern selbst ins Schmökern kommen: Vergessen Sie dann nicht, das Buch zurückzugeben!