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 Die chinesische Geliebte


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


1937. Julian Bell ist tot. Ein Arzt füllt die notwendigen Papiere aus und nimmt die wenigen Habseligkeiten zur Hand, die der junge Mann bei sich hatte. Völlig entspannt und ohne jeden Groll ist er an den Folgen des deutschen Bombenangriffs gestorben. Anstatt auf einem Schriftstellerkongress Reden zu halten, kämpfte er lieber an vorderster Front gegen das Franco-Regime. Der Arzt findet ein Testament, das Julian Bell, der Neffe der berühmten Virginia Wood, in China geschrieben hat sowie einige Manuskriptseiten einer chinesischen Autorin.

1935. Julian freut sich auf seine Aufgabe als Literaturprofessor in China zu unterrichten. Sein Ziel aber ist es, sich politisch zu betätigen und in vorderster Front mitzukämpfen für die Rote Armee und ihren Befreiungskampf. Der liberale Engländer hat aber noch ein weiteres Ziel: Er will sich eine chinesische Geliebte suchen. Und schon bald ist Julian am Ziel. Die wunderschöne Frau des Dekans der Universität hat es Julian angetan. Doch hinter der unnahbaren Maske verbirgt sich eine Frau, die leidenschaftlicher ist, als es der junge Engländer je erlebt hat. Gegen seine Überzeugung verliebt er sich in diese Chinesin und rasende Eifersucht erwacht in ihm. Er, der er seine bisherigen zehn Geliebten fallen ließ, wenn er ihrer überdrüssig war und dem seine Unabhängigkeit über alles geht, ist nun der Verführte. Lin ist es, die ihn sogar von Heirat und gemeinsamer Zukunft träumen lässt. Doch Furcht vor dieser Bindung, Angst vor dieser verletzenden Liebe und Feigheit vor den gesellschaftlichen Konsequenzen lassen ihn eine endgültige Entscheidung treffen: Julian verlässt die Universität um sich dem Krieg zwischen dem alten China und der Roten Armee anzuschließen. Er glaubt Lin nicht, die ihren Selbstmord androht, wenn er sie verlässt.

1999 erschien der Roman "The Art of Love". In China seit 2003 verboten, wurde das Buch weltweit ein Bestseller. Die teils recht heftigen erotischen-pornografischen Beschreibungen, das exotische Thema und die reale Grundlage dieses Romans sind neben dem klaren, knappen und präzisen Stil der Autorin Ursachen für diesen Erfolg. Die Geschichte einer Liebe zwischen dem Neffen von Virginia Woolf und einer chinesischen Autorin in den Wirren der chinesischen Revolution und des japanischen Angriffs auf China ist minutiös geschildert, spart nicht an erotischen Details und einer gedanklichen Auseinandersetzung des Engländers mit der ihm völlig fremden asiatischen Denk- und Handlungsweise.
Doch neben dieser "Amour fou", den Wirrungen Julians und der Überlegenheit Lins, ihrer Verzweiflung über seine liberale Haltung und Ablehnung jeglicher Gefühle, taucht das China des Jahres 1935 in dem Hörbuch, das 2006 erschienen ist, nicht auf. Die Handlung tändelt zwischen Beschreibungen der beiden Protagonisten und den Gedanken von Julian hin und her, kaum wird die politische Situation erwähnt, fast nichts erfährt der Hörer von China, den Wirren des Krieges und der japanischen Aggression. Erst nach fast fünf Stunden bricht diese Liebesgeschichte unvermittelt ab und weicht einem Reisebericht des Engländers, der auf der Suche nach der Roten Armee nach Norden aufbricht. Diese äußere und innere Flucht mutet seltsam unbegründet an und wirkt eher zufällig denn zwangsläufig.
Ob es an der gekürzten Hörspielfassung liegt ist nicht zu entscheiden. Tatsache aber bleibt, dass die Handlungen von Julian Bell den gesamten Verlauf dieser Geschichte über unergründlich und seltsam zufällig bleiben. Auch Lin, die unnahbare Chinesin, bleibt eine unbekannte Person. Ihre Beweggründe, ihre inneren Gefühle und ihr Antrieb bleiben im Dunkeln. Einzig die teils heftigen erotischen Passagen dieses Hörbuches treiben dem Hörer die Schamröte auf die Wangen, führen aber nicht dazu, die Handlungen zu verstehen oder nachvollziehen zu können.

Fazit: "Die chinesische Geliebte" ist ein seltsames Hörbuch. Markus Hoffmann gelingt es zwar durch seinen ruhigen, lässigen Vortragsstil die Welt des Julian Bell einzufangen und den Hörer zu faszinieren. Aber Bells Handlungsweise, die seiner Geliebten und die äußeren Umstände der zwei Jahre, die der junge Engländer in China verbringt, bleiben in einem diffusen Nebel. Man kann sich zwar der exotischen Atmosphäre dieses Hörbuches kaum entziehen, folgt atemlos dieser unmöglichen Liebe und voller Verzweiflung dem sich androhenden Ende (dessen letzter Akt dem Hörbuch ja vorangestellt wird), ist aber zum Ende hin nicht befriedigt, sondern enttäuscht. Zu wenig Sinn, zu wenig Geschichte, zu wenig China, aber viel, fast zu viel Gefühl.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 5 | Erschienen: 1. September 2006 | Laufzeit: 350 Minuten | Originaltitel: The Art of Love | Preis: 24,99 Euro

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