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 Der Mob

Die Krähen-Chronik

Autoren: Clem Martini
Sprecher: Stefan Kaminski
Übersetzer: Uwe-Michael Gutzschhahn
Verlag: Argon

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Kalum ist der Entscheider. Die achtunddreißigjährige Krähe ist nicht unumstritten. Einige Ältere fühlen sich übergangen und versuchen immer wieder, Kalum zu provozieren. Doch die Mehrheit des Schwarms hat ihn gewählt und steht zu ihm.
Doch das Verhalten des jungen Kyp ist endlich eine Chance der Neider und Mäkler an der Führungsrolle Kalums. Kyp, wagemutigster der jungen Krähen, hat einen Kater, von allen nur "Der Rote" genannt, provoziert. Immer wieder hat er scheinbar ungeschützt auf der Wiese gehockt und ist erst im letzten Moment erst aufgeflogen, um dem heranstürzenden Kater zu entkommen. Diesmal aber hat der Kater seinen Angriff nur vorgetäuscht und einen Jungvogel, der unachtsam war und zu Nahe an dem Geschehen auf dem Boden saß, getötet. Doch schlimmer noch, Kyp hat diesen Tod zum Anlass genommen, einen Mob zu organisieren, und hat den Kater tags darauf angegriffen und verletzt. Sogar der Mensch des Katers wird auf die Krähen aufmerksam.
Kalum sieht in der zwangsläufig erfolgenden Anklage von Kyrk, einer vierzigjährigen, einäugigen Krähe, die die Wahl zum Entscheider gegen Kalum verloren hatte, den Versuch, die fast eintausend Seelen umfassende Sippe der Kinaar zu spalten. Er sucht verzweifelt nach einem Ausweg und fällt ein hartes, aber in allen Augen notwendiges Urteil. Kyp muss sich für sieben Tage vom Schwarm entfernen, entgeht aber der Verbannung.
Doch nur wenige Tage später droht ein gewaltiger Schneesturm die gesamte Sippe zu vernichten. Seine Gegner fordern die Ballung, eine Haufenbildung aller Krähen, um der Kälte zu trotzen. Doch nicht einmal die Hälfte der Vögel würde dies überleben. Inmitten der Diskussion erscheint Kyp und schlägt eine unterirdische Höhle als Zufluchtsort vor. Das ist so undenkbar und wider jedes Gesetz der Raben, dass es den Ältesten die Sprache verschlägt. Doch Kym, ein junges Rabenweibchen und Kuper, ein ehemals Ausgestoßener, haben einen ebenso undenkbaren Vorschlag. Sie wollen einen Teil der Sippe in ein Menschengebäude führen und dort den Sturm überleben. Kalum steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens: Ballung, Zuflucht in einer Höhle oder in einem Menschenhaus?

Clem Martini wagt viel, denn die großen, schwarzen Krähen sind nicht die beliebtesten Mitbewohner auf dem Lande und am Stadtrand. Mit eher gemischten Gefühlen betrachtet der Landwirt die großen Schwärme und der Spaziergänger wird sie meist mit Abneigung und Ablehnung betrachten. Weiterhin kommen Katzen, die erklärten Feinde jedes Vogels, in diesem Hörbuch denkbar schlecht weg. Reine Mordlust, Gier und Wahnsinn scheint in den Raubtieren zu Hause zu sein und das Bild, das Martini - wohlgemerkt aus dem Blickwinkel einer Krähe betrachtet - von ihnen zeichnet, ist wirklich sehr negativ.
Und doch gelingt der Drahtseilakt, sich näher mit diesen Vögeln zu befassen, gar eine Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen. Eine Geschichte, die auf den ersten Blick wenig Aufregendes zu bieten hat und sehr viel erklärt und erläutert. Viel Zeit lässt sich Martini, die Gesetze der Krähen, ihr soziales Verhalten und ihre Sicht der Welt darzulegen. Wer sich auf diese Sichtweise einlässt, wird belohnt. Mit großer Sorgfalt wird Vogel um Vogel charakterisiert und die Dissonanzen und Animositäten, die in einem Schwarm auftreten können, sind spannender Inhalt dieser Erzählung.
Leider nimmt der Autor einen Großteil der Spannung aus der Geschichte heraus, indem er sie vom "Entscheider" ein Jahr nach den Ereignissen nacherzählen, quasi für die Überlebenden rekapitulieren lässt. Dies ist ein dramaturgischer Kniff, der zwar den Anspruch auf Realität dieser Geschichte erhöht und den Berichtcharakter deutlich macht, doch die Unterbrechungen in diesem Vortrag und die Rückschau nehmen der Geschichte gleichzeitig Schwung und Prägnanz.
Doch der klare Stil, die einfache Sprache und die Empathie, mit der hier das Leben der Krähen vor dem Hörer ausgebreitet wird, sind beeindruckend. Der Hörer leidet mit jedem einzelnen Vogel mit und erhält einen Einblick in das (fiktive) Leben dieser oft als Unglücksboten verunglimpften Art, der einen nicht mehr loslässt. Am Ende der Geschichte möchte man mehr erfahren vom Leben des Clans und seinem Kampf ums Überleben.
Vertiefend wirkt der grandiose Vortrag von Stefan Kaminski. Jeder einzelne Vogel erhält eine eigene, klar unterscheidbare Stimme. Mit großer Virtuosität und Einfühlungsvermögen wird der Sprecher zu einer Krähe und vermittelt ein einmalig lebendiges Bild dieser selten betrachteten Welt.
Hervorragend ist die Ausstattung der Hörbuch-Box. In dem wundervoll gestalteten, bunten Karton finden sich die vier CDs und ein Booklet, das dankenswerterweise die Namen der wichtigsten Krähen und deren Kurzbeschreibung erhält.

Fazit: Auch wenn die Geschichte eher betulich ist und kaum als spannend bezeichnet werden kann, gelingt es Martini eine bizarre Welt in den Blickpunkt des Interesses zu rücken. Dank des Sprechers Stefan Kaminski wird diese Welt lebendig und facettenreich. Und der Schluss - soviel soll verraten werden - ist überraschenderweise hochspannend und mitreißend.

"The Mob" ist der erste Teil einer Trilogie. Teil Zwei, "The Plague", und Teil Drei, "The Judgement", sind ab 2007 auch in deutscher Sprache erhältlich.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 4 | Erschienen: 01. August 2006 | ISBN: 3866101597 | Laufzeit: 290 Minuten | Originaltitel: The Crow Chronicles (The Mob) | Preis: 19,95 Euro

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