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 Der Freitag NACH DEM Freitag nach dem SONNTAG

Autoren: Clare Sambrook
Übersetzer: Anne Rademacher
Verlag: Kindler

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Samstag. Joan und Otis heiraten. Natürlich langweilt sich Harry die ganze Zeit, nicht mal Daniel ärgern darf er. Auch Pa und Mo sind ganz anders als sonst. Aufgekratzt und irgendwie seltsam. Dan ist natürlich peinlich wie sonst auch, aber er und Biffo, sein unsichtbarer Freund, scheinen sich wenigstens zu amüsieren.

Sonntag. Der Schulausflug ins Legoland beginnt mit einer faustdicken Überraschung. Der dämliche Mr. Donald, der Direktor der Schule, fährt nicht mit. Also müssen die Kinder nur Mr. Plapp ertragen, diesen unlustigen Schwachkopf, der sich selbst für den lustigsten Lehrer überhaupt hält. Aber wieder Erwarten ist es ganz nett. Sogar Dan benimmt sich fast cool. Voller Schrecken fällt Harry nachdem sie wieder im Bus sind ein, dass er nicht aufgepasst hat, ob sein fünfjähriger Bruder wieder im Bus ist. Mit pochendem Herzen und Angstschweiß auf der Stirn rennt er nach vorne und findet ihn alleine sitzend auf einer der vorderen Bänke. Ohne sich seine Erleichterung anmerken zu lasen, setzt sich der Neunjährige neben den kleinen Dan. Nach einer Pause auf einem Rastplatz, es ist schon dunkel, geht die Fahrt weiter. Erst zu Hause, die Eltern umringen den Bus und sammeln ihre Kinder ein, bemerkt Harry, dass Dan fehlt. Er hat nicht nachgeschaut.

Der Freitag nach dem Freitag nach dem Sonntag. Alles ist anders. Biffo gibt sich die Schuld. Harry gibt sich die Schuld und alle Erwachsenen lügen. Niemand gibt Harry die Schuld - sehen sie denn nicht, dass er Dan vergessen hat? Sehen sie nicht, dass er seinen Dan nicht mehr hat?


"Hide & Seek", 2005 in Edinburgh, England, erschienen, wurde 2006 auch in deutscher Sprache verlegt. Sind Umschlaggestaltung und Layout sehr gelungen, kann man nur erstaunt sein über den Klappentext innen und die werbenden Zitate auf der Rückseite des Buches.
Dieses zweifellos anrührende, manchmal verstörende, aufwühlende und sehr oft tief traurig machende Buch ist eins mit Sicherheit nicht: Es ist nicht lustig. Keine Kapitel, kein Satz, keine einzige Zeile laden auch nur zum Schmunzeln ein, enthalten Humor oder gar Witz.
Hinzu kommt neben der verschachtelten Erzählweise der Autorin - den zahlreichen Einschüben, die aus Tagträumen, vergangenen Erlebnissen, Erinnerungsfetzen und inneren Monologen bestehen, die den Lesegenuss oft merklich schmälern - eine völlig sinnlose Gestaltung des Textes.
Einige Sätze sind Wort für Wort groß geschrieben, bei anderen finden sich nach jedem Wort Punkte. Gelegentlich sind Worte in Großschrift, manchmal auch nur Silben oder einzelne Buchstaben eines Wortes. Auch sind in völlig zufälliger Anordnung einzelne Sätze komplett groß geschrieben oder in einigen Sätzen an mehreren verschiedenen Stellen. Diese absonderliche Art, Dinge herauszuheben, zu betonen, zu markieren folgt dabei keiner erkennbaren Struktur oder einem wie auch immer gearteten Sinn. Betonungen sind häufig kursiv und sinnvoll, Hervorhebungen sind intertextuell kenntlich und jedem Leser sofort bewusst. Der Sinn der "falsch" geschriebenen Textstellen ist nicht zu erschließen und stört sowohl den Lesefluss erheblich als auch das Verständnis des Textes.
Doch neben diesen negativen Gesichtspunkten ist dieses Buch vor allem eines: Es ist ehrlich, direkt und vermittelt ein für den Laien psychologisch stimmiges Bild eines Neunjährigen, der fast zerbricht an Schuldgefühlen und Verlassensangst. Seine völlig gestörte Wahrnehmung, sein Unvermögen, sich dieser Situation zu stellen und zu aufzuarbeiten wird überdeutlich und macht traurig. In gewissem Sinn auch hoffnungsvoll, aber nur sehr rudimentär und erst auf den letzten Seiten. Auch in dieser Hinsicht sollte man den Klappentext nicht beachten, er ist schlicht falsch, um nicht zu sagen, eine Unverschämtheit.

Dieses Buch ist der teilweise misslungene Versuch, eine Situation aus der Sicht eines Neunjährigen zu beleuchten, die zum Alptraumszenario jedes Elternpaares gehört. Dem inneren Auge eines Kindes in dieser Ausnahmesituation zu folgen ist verstörend und faszinierend zugleich. Leider sind zahlreiche handwerkliche Fehler dazu geeignet, den "Lesegenuss" zu beeinträchtigen. Doch wer darüber hinweg sieht, wird dieses Buch kaum mehr aus der Hand legen, bis er zum Schluss der Geschichte gekommen ist.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 01. März 2006 | ISBN: 3463404893 | Originaltitel: Hide & Seek | Preis: 18,90 Euro | 285 Seiten | Sprache: deutsch

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