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 Kassandras Träume


Cover
Gesamt +----
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Immer schon stand Julia im Schatten ihrer wunderschönen und begabten Schwester Sofie. Diese Erfahrung hat Julia zu einer sehr in sich gekehrten, unsicheren Frau werden lassen, die von der wahren Liebe insgeheim träumt, sich aber mit einer eintönigen, sie nicht ausfüllenden Beziehung zufrieden gibt - bis es für sie mit fast vierzig Jahren zu spät zu sein scheint.
Vor allem tut sie dies aus Angst vor der Einsamkeit. Julias Vater starb schon früh, Jahre später erlag Sofie einem Hirntumor und ihre Mutter folgte nach einer Trauerzeit einer neuen Liebe nach England. Julia blieb alleine zurück in ihrer Beziehung mit Ralf, vor dem sie ihre Schwester Sofie immer gewarnt hatte - bis hin zu ihrem Totenbett. Denn Sofie war hellseherisch veranlagt und konnte nicht nur die Todesfälle in der eigenen Familie voraussagen, sondern auch Julias große Liebe in einer fernen Zukunft erkennen - und dieser geheimnisvolle Fremde war nicht Ralf.
Als Julia dann herausfindet, dass Ralf sie betrügt, reist sie überstürzt zu ihrer Mutter nach England, um dort das Weihnachtsfest zu verbringen. Auf dem Weg zur Farm ihrer Mutter trifft sie auf den geheimnisvollen Shaun, der geradezu aus den Beschreibungen ihrer Schwester entsprungen zu sein scheint. Trotz Anfangsschwierigkeiten verbindet die beiden schnell eine leidenschaftliche Liebe. Doch dieser Liebe steht etwas im Weg: Julia.

Um es kurz zu machen: Dieses Buch ist wirklich schlecht. So schlecht, dass man mit den Beschwerden über die auftretenden Mängel seinen Mitmenschen gehörig auf die Nerven gehen kann.

Diese Mängel fangen beim Stil an, der zunächst wirklich holprig ist und auch später an die ersten literarischen Gehversuche eines Teenagers erinnert. Die Dialoge im Buch wirken oft hölzern, dazu fehlen zum großen Teil Beschreibungen, die einem ein Gefühl für die Geschichte, ihre Orte und Personen vermitteln könnte. Es dauert ewig, bis die Ich-Erzählerin Julia das erste Mal beschrieben wird. Danach wird man aber von ihrer Unsicherheit ihrem eigenen Körper gegenüber schier verfolgt. Und man hat das dringende Bedürfnis, sie ständig zu schütteln und ihr klarzumachen, dass man seine Figur eher durch Sport und eine Nahrungsumstellung, als durch nicht-helfende Diäten ändern kann - wenn man mit sich nicht zufrieden ist.

Dann steckt das Buch voller Fehler. Damit sind nicht die Druckfehler gemeint, die oft genug ganze Buchstaben verschlingen. Die Autorin benutzte Berlin als einen zentralen Handlungsort - scheint aber weder Ahnung von der Stadt noch der jüngeren deutschen Geschichte zu haben (da war mal die Sache mit der Mauer).
Das gilt in gewissem Maße auch für England. Erst am Ende des Buches bekommt man die Information, dass Julias Mutter in der Nähe von Cornwall lebt. Warum kann das nicht schon zu Beginn der England-Episode erwähnt werden? So muss der Leser befürchten, Julia könnte in ihrer Entschlossenheit, von London aus viele Meilen nach Süden zu fahren, im Ärmelkanal landen.
Das Wiederkauen von Englandklischees wie das ständige und alleinige Teetrinken stoßen auch auf, in einem Land mit dem mittlerweile höchsten Kaffeekonsum Europas.
Gegen Ende des Romans scheint die Autorin etwas unkonzentriert gewesen zu sein, denn oft stehen sich widersprechende Informationen in nur wenigen Seiten Abstand gegenüber oder Julia wiederholt sich andauernd.

Kommen wir zu einem weiteren Kritikpunkt: der schlechten bis gar nicht vorhandenen Charakterisierung. Die meisten Figuren im Buch sind auf eine Verhaltensweise beschränkt. Ralf ist das kalte Ekelpaket, Susanne die verständnisvolle Freundin, Julias Mutter darf die besorgte Mama spielen und so weiter. Shaun darf immerhin zwischen schroff und abweisend und zärtlicher Liebeswut schwanken, das ist in dem Zusammenhang eine enorme Steigerung.
Julia hingegen hat keine Persönlichkeit. Sie besteht allein aus Unsicherheit und Wankelmut - und das so ausgeprägt, dass man wirklich das Gefühl hat, die Frau lässt sich von der Handlung treiben, und nicht, dass der Charakter die Handlung bestimmt. Oft genug kommt es vor, dass sie innerhalb von ein paar Zeilen oder Augenblicken ihre Meinung um 180 Grad ändert, ohne auch nur einen Funken von Reflektion oder Erklärung, was dieses Verhalten heraufbeschworen hat. Außerdem ist Julia furchtbar nachtragend - in bestimmten Punkten. Als Shaun ihr gesteht, wer er in Wirklichkeit ist und Julia begreift, dass er sie vor Jahren mal beleidigt hat, wodurch sie sich immer noch gedemütigt fühlt, beendet sie sofort die Beziehung, fest entschlossen, dieses Verhalten nie und nimmer zu verzeihen. Bei ihrem fremdgehenden Lebensgefährten ist sie nicht so nachtragend.
Auch scheint Julia unter leichtem Realitätsverlust zu leiden - denn schließlich leben arbeitslose Schauspieler nicht in einer fernen Glamourwelt, was sie sich krampfhaft einzureden versucht.

Zu guter Letzt ist die Handlung sehr vorhersehbar. Klappentext und zwanzig Seiten genügen, um zu wissen, wo die Reise hinführt. Vor Seite hundert hat man das letzte Rätsel gelöst - und muss zweihundert qualvolle Seiten erleben, wie dumm und blind sich Julia anstellt. Auch die Hinweise des Schicksals, die wie Holzhämmer auf Julia einprasseln, führen scheinbar zu keiner Besserung - aber zu Kopfschmerzen bei den Lesern.
Deswegen sind noch die besten Szenen im Buch, wenn Julia von ihren Freunden zurechtgewiesen wird.
Aber gut, Liebesgeschichten haben oft etwas Vorhersehbares. Das muss den Lesegenuss nicht stören, wenn die Handlung gut aufgebaut wird - was hier nicht der Fall ist. Was sicher an den schon genannten Mängeln liegt. Aber auch die Handlung an sich wirkt unausgereift. Die Idee, eine Frau in den "besten Jahren" als Heldin zu nehmen, ist sicher nett. Nur warum muss sich die Heldin wie ein unsicheres Mädchen benehmen, das ständig zu Mama rennen will? Um diesen unreifen Eindruck noch zu verstärken, spielen in dem Roman Tiere eine große Rolle. Wäre da eine zwanzigjährige Heldin nicht passender gewesen?
Im Nachhinein wirkt die Handlung wie eine schlechte Kopie von Jane Austens Romanen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass dem Buch sicher viel fehlt, vor allem aber ein guter Lektor, der vielleicht die schlimmsten Grobheiten hätte ausbügeln können.
So ist das Buch oft ein Ärgernis und die unnötigen Fehler und Unfeinheiten bringen den Leser komplett gegen die Autorin auf - so dass man dem Buch schließlich jede kleine Ungenauigkeit übel nimmt.
Einem unerfahrenen Leser fallen viele dieser Kritikpunkte vielleicht nicht auf - aber solchen Leuten sollte man nur gute Bücher wünschen. Erfahrene Leser werden sich hingegen über das hinausgeworfene Geld ärgern. Wer gute Bücher mag, sollte dieses meiden.

Susanne Fischer



Taschenbuch | Erschienen: 01. April 2006 | ISBN: 3936997837 | Preis: 13,40 Euro | 299 Seiten | Sprache: Deutsch

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