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 Unknown Armies

Ein Rollenspiel um Macht und Konsequenzen


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Okkultismus, Hexerei, Magie, das sind doch alles nur Hirngespinste, die dem Geist verrückter Mitmenschen entsprungen sind. Solche und andere Meinungen sind es, die im Rollenspiel "Unknown Armies" fast unbewusst den Nagel auf den Kopf treffen. Magie ist nur Blödsinn, Scharlatanerie. Doch was passiert, wenn man feststellen muss, dass Magie funktioniert, dass es einige Gruppierungen gibt, die sich mit solchen Phänomenen beschäftigen? Wird man mitmischen, sich anpassen oder versuchen, diese Freaks bis zum letzten auszurotten? Das liegt letztendlich in der Hand der Spieler und an dem Weg, den der Meister ihnen aufzeichnet.

Die Welt, in der dieses Rollenspielsystem spielt, ist mit der unsrigen ähnlich. In ihr gibt es magische Zirkel und arkane Rituale, die wirklich funktionieren. Ebenso hat die Gemeinschaft der Menschheit bestimmte Prototypen erschaffen, sogenannte Avatare, wie den Kämpfer, den Boten oder den Narren, die demjenigen Macht verleihen, die auf ihren Spuren wandeln. Und warum weiß niemand was davon? Weil gerade diese Typen keine zweite Inquisition und Hexenverfolgung wollen. Darum! "Unknown Armies" besteht aus Mystik, urbanen Legenden, Gerüchten und Aberglauben. Und die Spieler dürfen selbst wählen, wieviel sie wissen und auf welcher Seite sie stehen.

Im dicken Quellenband gibt es drei verschiedene "Einweihungs-Stufen". Man kann als vollkommen normaler Mensch beginnen, der durch ein mysteriöses Ereignis aus der Bahn geworfen wurde und nun mehr darüber heraus zu finden versucht. Ebenso gibt es die Möglichkeit, als Eingeweihter zu beginnen, der selbst gelernt hat, mit Magie zu spielen. Oder man versucht als Avatar sein Glück und findet so seinen Weg. Wer in den Reihen der ganz Großen mitspielen möchte, der kann auch gleich als "Erleuchteter" starten. Hier winkt mehr Macht und Einfluss, doch leider sind die Gegenspieler meist ebenso mächtig oder noch gefährlicher als man selbst.

Wem das zu sehr nach Fantasy klingt, darf beruhigt sein, denn damit hat das keineswegs etwas zu tun. Klar ist es möglich, ein Adept der magischen Künste zu werden, doch nur auf Kosten der eigenen geistigen Gesundheit. Wer etwas, das er selbst als unmöglich empfunden hat, eigens in Aktion setzen will, der darf nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Denn Adepten sind psychisch kranke Personen, die lediglich statt einer Geisteskrankheit eine obsessive Art von Magie gefunden haben, um ihr verkrüppeltes Ich einigermaßen wieder aufzurichten. Avatare hingegen sind geistig etwas gesünder, allerdings besitzen sie weniger Macht und können auch schneller absteigen, als sie aufgestiegen sind.

Als Spieler wählt man aus, auf welcher "Einweihungsstufe" man beginnen möchte, natürlich in Abstimmung mit dem Meister und allen anderen Spielern. Beginnt man als normaler Mensch, besitzt man auch normale Fähigkeiten und eine (noch) relativ gesunde geistige Stabilität. Dies ändert sich jedoch jedes Mal, wenn man unter Stress steht, Grausamkeiten erlebt oder Hilflosigkeit erfährt. Dann gilt es, Stresswürfe zu machen, die entscheiden, ob man eine Härte- oder Traumakerbe setzen muss. Beides ist im Laufe des Spiels durch professionelle Hilfe wieder wegtherapierbar. Denn auch mit einigen Härtekerben ist man ein psychisches Wrack, da man ein emotionsloses kaltes Arschloch geworden ist, den nichts mehr juckt. Hat man hingegen genug Traumakerben eingesammelt und nicht therapieren lassen, winkt eine Geisteskrankheit nach Wahl und möglicherweise ein Aufenthalt in einer beliebigen Gummizelle.

Magier haben es da nicht einfacher. Um mit Magie umgehen zu können, wurde ihre komplette Denkweise radikal verändert, so dass sie lediglich von einem bestimmten Thema besessen sind, aus dem sie Kraft ziehen können. Für manche ist das Alkohol oder sind es Drogen, für andere ist es Sex oder der Aufenthalt an berühmten Orten. Andere wiederum erhalten ihre Stärke aufgrund ihrer Lieblingsfernsehserie. Zauber und Rituale der Adepten sind jeweils im Buch angegeben, können aber bei Bedarf leicht erweitert werden. Avatare sind ebenfalls je nach Prototyp erläutert. Jeder Avatar besitzt verschiedene Möglichkeiten, seine Fähigkeiten zu erhöhen. Bricht er aber seine unterschiedlichen Tabus, verliert er Macht und Status.

Das Regelsystem von "Unknown Armies" ist sehr einfach gehalten. Vier Attribute bestimmen die grundlegenden Fähigkeiten, auf welchen die Fertigkeiten der Charaktere aufbauen. Ihre Werte variieren. Gemessen werden sie in Prozentwerten, womit 100 % der vollkommenste ist, auch wenn höhere Werte vorstellbar sind. Gewürfelt wird mit zwei Zehnerwürfeln, deren Ergebnis unter dem jeweiligen Wert liegen muss, um ein Erfolg zu sein. Päsche gelten als besondere Würfe und können besonders gute Erfolge (unter dem Wert) oder hässliche Misserfolge (über dem Wert) sein. Durch drei verschiedene Temperamente, gewählt aus dem, was für den Charakter Wut, Furcht oder Tugend darstellt, wird das Charakterbild gezeichnet. Der Geisteszustand der Charaktere besteht aus der geistigen Gesundheit, dem Verstand. Es gibt fünf Stressfaktoren (Gewalt, Übernatürliches, Hilflosigkeit, Isolation, Identität), für die man Härte- oder Traumakerben bekommen kann. Zauberformeln und Avatarfähigkeiten bezahlt man durch Ladungen, die man erhält, wenn man auf seinem ausgewählten Lebensweg wandelt. Bricht man das Tabu, sind alle Ladungen futsch.

Neben den drei Kapiteln für die Spieler gibt es noch einen eigenen Abschnitt für den Spielleiter. Hier finden sich nützliche Tipps zu Stimmung, Darstellung von Nichtspielercharakteren und dem generellen Aufbau von Abenteuern. Einige wichtige Institutionen und Zirkel plus Mitglieder gibt es an die Hand, sowie nette Artefakte und übernatürliche Wesenheiten. Zwei ausgearbeitete Abenteuer runden das Grundregelwerk ab, wobei gerade das erste normale Charaktere sehr perfide in die Welt des Übernatürlichen stößt.

Was bleibt da noch zu sagen? Unknown Armies ist ein extrem cooles und geniales Rollenspielsystem, das so wenig Regeln wie möglich hat und seine Faszination aus dem Spiel und der Interaktion miteinander zieht. Manch einer mag sich an dem Preis stören, allerdings erhält man mit diesem Buch ein Grundregelwerk, das nicht den Eindruck hat, man würde noch weitere Bände brauchen. Was benötigt wird, steht drin, also ran an den Spieltisch. Denn es ist besser, den okkulten Hintergrund zu finden, ehe er auf Deine Fährte stößt.

Daniela Hanisch



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