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 Wolkenvolk-Trilogie, Band 2: Lanze und Licht

Serie: Wolkenvolk-Trilogie, Band 2
Autoren: Kai Meyer
Illustratoren: Joachim Knappe
Verlag: Loewe Verlag

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Das Volk der hohen Lüfte lebt auf einer Wolkeninsel, die einst vom großen Leonardo da Vinci persönlich konstruiert wurde. Seit mehr als zweihundertfünfzig Jahre lässt sich die abgeschottete Inselgemeinschaft von den Winden rund um den Erdball tragen, hat dabei jeden Kontakt zum Boden verloren und eine eigene Religion begründet. Die Priester des Wolkenvolks beten zum Zeitwind und haben inzwischen soviel Macht und Einfluss gewonnen, dass sie fast das gesamte öffentliche Leben kontrollieren. Lesen und Schreiben haben sie verboten, den Medici-Herzog halten sie an der kurzen Leine. Doch als die Aetherpumpen nach fast acht Generationen versagen, ist auch die Kultur des Volks der hohen Lüfte vom Untergang bedroht. Gefangen zwischen den Spitzen eines gewaltigen chinesischen Gebirges, bleiben den Wolkenvolk nur noch ein paar Wochen bis zum unvermeintlichen Sturz. Um das zu verhindern, müssen die Aetherpumpen wieder in Betrieb genommen werden. Der ausgestoßene Niccolo Spinni, der wie sein Vater verbotene Bücher liest und mehrere Sprachen spricht, wird ins weite China hinausgesandt, um dort neuen Aether zu finden - den Atem der Drachen. Doch die scheinen wie vom Erdboden verschluckt...

Zusammen mit dem unsterblichen Xian Li ist Nugua auf dem Weg zum Drachenfriedhof. Hier erhofft sich das Mädchen, das selbst unter Drachen aufgewachsen ist, Antworten über den Verbleib ihrer Freunde. Doch am heiligsten Ort des Drachenvolkes angekommen, treffen die beiden ungleichen Wanderer nicht auf den weisen alten Wächterdrachen, sondern auf den Seelenschlund - ein Geschöpf das schon seit undenkbaren Zeiten existiert und Wesen aller Arten verschluckt und deren Wissen und Weisheit damit in sich aufgenommen hat. Ohne Aussicht dem Ungetüm zu entkommen, bietet Li an, sich dem Schlund kampflos auszuliefern, wenn Nugua unbeschadet weiterziehen und der Seele des Wächterdrachen eine Frage stellen darf. Dieser berichtet ihr, dass sich die Drachen in die heiligen Grotten der Himmelsberge zurückgezogen haben, wo sie vor dem Aether, den sie durch ihre bloße Existenz selbst erschaffen, der nun aber eigenes Bewusstsein entwickelt hat, zumindest eine Weile sicher sind. Auf dem Riesenkranich des Xian muss Nugua ihren Weg jetzt allein fortsetzen. Und ihr bleibt nicht mehr viel Zeit, denn der Fluch der Purpurhand mit dem sie ein rachsüchtiger Mandshuh belegt hat, zeigt langsam aber sicher seine tödliche Wirkung.

Ebenfalls, aber zu Fuß sehr viel langsamer, auf dem Weg zum Drachenfriedhof sind die Schwertmeisterin Wisperwind und de Rattendrache Feiquing, der in einem lächerlichen Drachen-Kostüm gefangen ist, an das ihn ein Zauber bindet. Beide wollen den Wächter um dieselben Informationen bitten, wie auch Li und Nugua; Feiquing erhofft sich außerdem Aufschluss über seine rätselhafte Vergangenheit und eine Befreiung aus dem absurden Kostüm, in dem er gefangen ist. Doch am Friedhof angelangt, wartet auch auf diese beiden der Seelenschlund, der sich seit dem Verzehr des unsterblichen Xian Li jedoch auf eigenartige Weise verändert zu haben scheint.

Auf der Wolkeninsel versucht die Herzogstochter Alesia derweil ihrer Gefangenschaft aus dem Räumen der Aetherpumpen zu entkommen. Hier hat der Schattendeuter Carpi sie eingesperrt, nachdem sie seinen Verrat erkannt und ihm beim Mord an einem der Ingeneure der Aetherpumpen beobachtet hat. Immer tiefer ins Innere der Wolken stößt Alesia vor und kommt dabei auch langsam einem seit Generation wohl gehüteten Geheimnis der Schattendeuter und Ingeneure auf die Spur, die scheinbar viel mehr Ahnung vom Aether und seiner Funktion hatten, als man all die Jahre glaubte. Doch kann sie noch rechtzeitig entkommen, um ihren Vater vor dem heimtückischen Carpi zu warnen - und überhaupt, lässt sich das Schicksal des Wolkenvolkes auch mit ihren neuen Erkenntnissen noch aufhalten?

Niccolo folgt derweil der Attentäterin Mondkind durch die Weiten Chinas. Mit allen Mitteln muss er sie daran hindern, auch noch die letzten Xian zu töten. Denn sterben auch Lis Brüder Guo Lao und Tieguai, reißt die Verbindung zwischen Himmel und Erde, zwischen den Göttern und den Sterblichen endgültig ab, und die mächtigen Himmelswesen haben keine Möglichkeit mehr, selbst in den Konflikt zwischen dem Aether und allen lebenden Wesen einzugreifen. Doch wie soll Niccolo ein Mädchen aufhalten, dass er unsterblich liebt und das nur der Tod stoppen kann.

Mit "Lanze und Licht" knüpft Kai Meyer nahtlos an "Seide und Schwert" an, den ein halbes Jahr zuvor erschienen ersten Band seiner neuen Jugendfantasy-Trilogie "Das Wolkenvolk". Nach der "Fließenden Königin" und den "Wellenläufern" die nunmehr dritte dreiteilige Jugendsage des deutschen Bestseller-Autors - und soweit sich das anhand der ersten beiden Bände beurteilen lässt, seine bislang beste.

Nach dem Ende des ersten Bandes, der ziemlich geradlinig und nur von kurzen Kapiteln um die Herzogstochter Alesia unterbrochen, die Geschichte Niccolo Spinnis erzählte, ist die Handlung mit dem Beginn des dritten Bandes in vier einzelne Erzählstränge aufgesplittert. Offen gestanden, selten ein gutes Zeichen. Doch Meyer, als der gekonnte Erzähler, der er nun einmal ist, weiß tatsächlich jeden Handlungsstrang so unterhaltsam und spannend zu gestalten, dass der Leser an allen ein einheitliches Interesse bewahrt. Niccolo selbst, zwar nach wie vor eine der Hauptfiguren des Geschehens, steht dabei nicht mehr annähernd so sehr im Mittelpunkt, wie noch in "Seide und Schwert". Gleichberechtigt erzählt Meyer die Geschichte des Drachenmädchens Nugua, der jungen Adeligen Alesia und der ungleichen Gefährten Wisperwind und Feiquing. Und wie man es vom einem zweiten Band im Allgemeinen und von einer solchen Geschichte im Besonderen erwarten darf, steuern die Figuren langsam auf ein gemeinsames Ziel zu und sammeln dabei gleiche beziehungsweise sich ergänzende Erkenntnisse über den größeren Zusammenhang des Konflikts, in den sie hineingeraten sind.

Mit 383 Seiten etwas kürzer als der Vorgänger, wird in "Lanze und Licht" wirklich keine Zeit und Seitenzahl mehr verschwendet. In halsbrecherischem Tempo geht es kreuz und quer durch ein magisches altes China, in dem sich, wie üblich, nicht weniger als das Schicksal der ganzen Welt entscheidet. Alles ist nicht ganz so, wie es im ersten Band noch schien, und auf jede der Figuren warten - unangenehme - Überraschungen. Man kann es diesen wie auch anderen Kai Meyer-Büchern zugute halten, dass der Ausgang der Geschichte wirklich unvorhersehbar ist. Zwar bezweifle ich nicht, dass es den Helden am Ende des dritten Bandes gelingen wird, die Welt zu retten, aber wer zu diesem Zeitpunkt ein Held sein wird - oder überhaupt so lange überlebt - steht buchstäblich noch in den Sternen. Das großartige Ende schafft das Kunststück, tatsächlich ein Ende zu sein und gleichzeitig alles offen zu lassen. Danach wird sich der gequälte Leser ein weiteres halbes Jahr auf die Fortsetzung gedulden müssen.

Die Aufmachung des neuen Meyers im Loewe-Verlag ist ebenso gelungen wie die des vorangegangen. Das Coverbild selbst ist das bislang schönste, das irgendeinen Jugendroman von Kai Meyer zierte, und auch sonst gibt es nichts zu bemängeln. Außer, wenn man sehr klein kariert ist, das neue Logo des Loewe-Verlags. Das sieht zwar besser aus als das alte, das noch beim ersten Band zum Einsatz kam, sorgt im Bücherregal aber für eine kleine Asymmetrie.

Mit dem zweiten Band seiner neuen Jugendfantasy-Trilogie legt Kai Meyer seinen bislang vielleicht besten und spannendsten Jugendroman überhaupt vor. Auf 383 Seiten bleibt dem begeisterten Leser kaum Zeit zum Luft holen, und danach nur die traurige Erkenntnis noch einmal sechs Monate auf den dritten Teil warten zu müssen.

Raphael Zens



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2007 | ISBN: 9783785557426 | Preis: 16,90 Euro | 383 Seiten | Sprache: Deutsch

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