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 Das Ende der Freiheit?

Wieviel Demokratie verträgt der Mensch?


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Für die meisten Menschen der westlichen Hemisphäre ist die Demokratie die einzig gerechte Staatsform. Deshalb tendieren westliche Regierungen dazu, Entwicklungs- und Schwellenländer, die von einer totalitären oder autokratischen Staatsform zur Demokratie finden, großzügig mit Geschenken und politischer Anerkennung zu versehen. Dass unter Demokratie jedoch nicht überall, wo das Volk wählt, dasselbe verstanden wird wie bei "uns", übersieht man großzügig.
Der Autor schildert im ersten Kapitel den gewaltigen Schub, den die Basisdemokratie in letzter Zeit erhalten hat. Nicht zuletzt die Massenmedien und das Internet versorgen den Bürger mit Informationen zu allen erdenklichen Themen, und als Demokrat möchte er darüber mitbestimmen. Die Politiker, selbst die Wirtschaft und manche religiöse Gemeinschaften im Westen stellen sich dieser Entwicklung und nutzen sie zu ihren Gunsten. Da sich aber, wie der Autor feststellt, die Meinung der Wähler an kurzlebigen, zumeist von Massenmedien lancierten Trends orientiert, die hohe Auflagen und Quoten anstreben, sind die solchermaßen herbeigeführten Entscheidungen keineswegs die besten und nachhaltigsten. Zudem erhalten radikale Meinungen und Gruppen, die sich besser mobilisieren lassen, ein Übergewicht, es kann jedoch auch zur Tyrannei der Mehrheit kommen.
Dieser Entwicklung stellt der Autor die Form der Demokratie gegenüber, die in der Geschichte am meisten Erfolg gezeigt hat, sofern man diesen am Bruttoinlandsprodukt bemisst: die liberale Demokratie. Er zeichnet die "Geschichte der Freiheit" nach und zeigt auf, dass der Liberalismus in der Demokratie dazu dient, mittels einer starken Verfassung und Gewaltenteilung den Einzelnen vor gegen ihn gerichteten Mehrheitsinteressen zu schützen, Radikalisierung zu vermeiden, Interessenverbänden überproportionale Einflussnahme zu verweigern und so fort.
Sehr interessant ist der im Buch vorgenommene Vergleich der Entwicklung der Bruttoinlandsprodukte (BIP) von Ländern mit unterschiedlichen Formen und Stadien der Demokratisierung. Sonderfälle bilden Länder mit enormem Rohstoffreichtum, der sich fast überall als Falle erweist, und die unter dem Einfluss des Islam stehenden Länder; diese untersucht der Autor mit größtmöglicher Differenzierung.
Für den in einer funktionierenden Demokratie aufgewachsenen Bürger mag das Kapitel "Des Guten zuviel" einige überraschende Deutungen enthalten; mit den Lösungsangeboten des Autors sollte man sich jedenfalls auseinandersetzen. Dieser plädiert nicht für eine Entmündigung der Bürger, jedoch strebt er einen neuen Politikertyp an, der wieder gewählter Volksvertreter und nicht zuvörderst Medienstar und Wendehals ist.

Der Politikwissenschaftler Fareed Zakaria versteht es, Beobachtungen, die wir im Grunde alle machen, deren Bedeutung sich uns aber nicht leicht erschließt, sofern wir nicht fachkundig sind, in einen größeren Zusammenhang zu stellen und schlüssig zu interpretieren. Vor allem sensibilisiert er den von der westlichen Auslegung der demokratischen Idee geprägten Leser für den Unterschied zwischen Demokratie und Freiheit im oben genannten Sinne. Seine Herleitung der Notwendigkeit einer vom Liberalismus geprägten Demokratie lässt sich gut nachvollziehen, zumal anhand der zahlreichen Beispiele von Ländern, in denen es Wahlrecht gibt, aber keine Freiheit, und umgekehrten Beispielen von Autokratien mit liberaler Verfassung, doch ohne Mitbestimmung des Einzelnen, die zumeist im Laufe der Zeit in liberale Demokratien übergehen.
Zakaria ist nicht der erste Buchautor, der darauf hinweist, dass in den meisten Ländern mit hohen Rohstoffvorkommen dem Einzelnen zwar keine oder nur geringe Steuern aufgebürdet werden, dieser jedoch im Gegenzug kein Mitbestimmungsrecht genießt. Indem er die Entwicklung einzelner Länder einander gegenüberstellt, so zum Beispiel Russland und China, belegt Zakaria, dass im Allgemeinen Volkswirtschaften erfolgreicher sind, die unter einem autokratischen Regime zunächst liberalisiert werden, ehe es zu einer Demokratisierung kommt. Genau dies geschieht in China, während in Russland Demokratie ohne Liberalismus herrscht. Mit seinem Geburtsland Indien geht der Autor streng ins Gericht, denn die anfänglich gute Entwicklung führte zu einer Verminderung der liberalen Komponente und zu einer Radikalisierung der Mehrheit, die bereits Merkmale der Tyrannei zeigt. Nicht minder scharf kritisiert der Autor die Zustände in seiner Wahlheimat, den USA, wo, nicht anders als bei uns, aufgrund der übertriebenen Demokratisierung Interessenverbände engagiert mitregieren und üppige Subventionen abschöpfen oder sich anderweitig Pfründe sichern. Die weniger demokratische EU sieht Zakaria allerdings vermutlich etwas zu positiv; er schätzt sie als weniger anfällig für solche Praktiken ein.
Wenn der Autor kritisiert, dass sich westliche Politiker dank der extremen Demokratisierung nur noch an demoskopischen Umfragen und nicht mehr an den anstehenden Sachfragen und Problemen orientieren, sprich, sich auf die Imagepflege vor allem im Fernsehen konzentrieren und möglichst keine Aussagen machen, die einen Teil des Stimmviehs verschrecken könnten, so liegt er zweifellos richtig. Dass er gangbare und sinnvolle Wege aus dem Dilemma aufzeigt, spricht umso mehr für dieses wirklich lesenswerte Buch.

Regina Károlyi



Softcover | Erschienen: 01. Januar 2007 | ISBN: 9783423343879 | Originaltitel: The Future of Freedom. Illiberal Democracy at Home and Abroad | Preis: 12,50 Euro | 256 Seiten | Sprache: Deutsch

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