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 Hochbegabung: Tipps für den Umgang mit fast normalen Kindern


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Hochbegabte sind von Mythen umgeben. Den "kleinen Einsteins" und Überfliegern mangelt es der landläufigen Meinung zufolge an Sozialkompetenz und Sinn fürs Praktische, weshalb sie als zerstreute Professoren ziemlich einsam im Elfenbeinturm vor sich hinvegetieren. Und ein erheblicher Teil der Hochbegabten landet in der Sonderschule.
So weit die üblichen Vorurteile, die auch Christiane Alvarez anspricht. Die Realität sieht anders aus, wie die Autorin zu berichten weiß, die selbst mit Hochbegabten arbeitet und glaubwürdige Statistiken heranzieht: Die meisten jungen Hochbegabten sind, von ihren intellektuellen Leistungen abgesehen, ganz "normal". Es gibt nur etwa 12 bis 15 % hoch begabte "Underachiever", das heißt, Menschen, deren schulischer und beruflicher Erfolg weit hinter ihren geistigen Möglichkeiten zurückbleibt.
Christiane Alvarez befasst sich in "Hochbegabung" zunächst ausgiebig mit dem Phänomen Intelligenz und verschiedenen Theorien hierzu sowie mit der verwirrenden Fülle an Intelligenztests, die heute zur Verfügung stehen. Wichtige Themen des Buchs sind zudem die Erkennung von Hochbegabung und die Besonderheiten (oder, zumindest, was die bereits genannten Vorurteile angeht, mitunter ihr Fehlen) von hochbegabten Kindern und Jugendlichen, wobei die Autorin auch häufig zu beobachtende Geschlechtsunterschiede nennt.
Eltern und Lehrer erfahren außerdem, wie sie Hochbegabte im Rahmen ihrer Möglichkeiten fördern können und sollten, und wie sich Probleme, zum Beispiel jenes der erwähnten "Unterachiever" oder auch Mobbing, vermeiden beziehungsweise lösen lassen. Die Autorin stellt in diesem Teil anhand repräsentativer Statistiken klar, dass ADHS und Hochbegabung gemeinsam auftreten können, es jedoch, anders als gemeinhin behauptet, in den meisten Fällen nicht tun.
Der Anhang dieses Buchs ist von beachtlichem Umfang. Er enthält für die Praxis nützliche Literaturtipps (Eltern und Lehrer betreffend) zu allen Bereichen der Hochbegabung und der Hochbegabtenförderung, ein Adressenverzeichnis sowohl von zuständigen staatlichen Stellen als auch von unterschiedlichen Initiativen, die Hochbegabte fördern oder den Austausch unter ihnen beziehungsweise ihren Eltern ermöglichen, und ein Literaturverzeichnis mit zumeist wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

Zu Beginn der Lektüre, wenn es um die Definition der Intelligenz und den Sinn und Nutzen der Intelligenztests geht, mögen Eltern ohne Vorkenntnisse in Psychologie und Intelligenzforschung möglicherweise am Sinn des Weiterlesens zweifeln, denn sie lernen etliche Ansätze zur Festlegung des Begriffs Hochbegabung und verschiedene komplexe Tests im Detail kennen, die jedoch überwiegend von der Autorin als unzulänglich verworfen werden. Die mit der Praxis vertraute Dr. Alvarez kann ihre Ablehnung bestens begründen, doch Leser, die unvorbereitet mit der möglichen Hochbegabung ihres Kindes konfrontiert wurden und sich nun informieren möchten, werden eventuell am Ende der entsprechenden Kapitel eher unsicherer sein als vorher, wobei zu berücksichtigen ist, dass in der Wissenschaft der Weisheit letzter Schluss bezüglich der Hochbegabung und der Intelligenz noch längst nicht vorliegt.
In den folgenden Kapiteln überwiegen praktische Tipps für Eltern und Lehrer, die leicht verständlich sind und sich gut umsetzen lassen - und nicht etwa, wie bei manchen beratenden Stellen üblich, pauschale Empfehlungen, Hochbegabte in speziellen Schulen oder Klassen unterzubringen, obwohl auch solche Möglichkeiten objektiv diskutiert werden. Die Autorin nimmt Rücksicht auf die verschiedenen sozialen und persönlichen Hintergründe, mit denen Hochbegabte leben, und auf unterschiedliche schulische Möglichkeiten etwa in Großstädten und "auf dem Lande". Wie der Titel schon andeutet, geht es Dr. Alvarez darum, Hochbegabte als die, den Intellekt ausgenommen, ganz normalen Menschen darzustellen, um die es sich bei ihnen nun einmal handelt, und nicht als tendenziell autistische Intelligenzbestien.
Wer mit hoch begabten Kindern oder Jugendlichen zu tun hat, wird sich über den Anhang freuen: Lehrer finden Angaben zu Unterrichtsmaterial für die Binnendifferenzierung und Literatur über Begabtenförderung, Eltern erfahren ebenfalls, auf welche Weise sie ihr Kind fördern können, ohne Unterrichtsstoff vorwegzunehmen, und lernen darüber hinaus zahlreiche Adressen kennen, die Angebote oder Hilfen bereithalten - auch diverse Wettbewerbe sowie Schulen speziell für Hochbegabte oder solche mit entsprechenden Klassen, sofern man dies befürwortet.
Insgesamt handelt es sich somit um einen sehr nützlichen Ratgeber, der Eltern und Pädagogen hilft, Hochbegabung nicht als Behinderung oder "Syndrom", sondern als förderungswürdige Chance zu begreifen.

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 01. April 2007 | ISBN: 9783423344043 | Preis: 9,50 Euro | 190 Seiten | Sprache: Deutsch

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