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 Das geheime Leben der Bücher

Autoren: Regis de sa Moreira
Verlag: Knaur

Cover
Gesamt ++++-
Aufmachung
Gefühl
Er ist Buchhändler. In einer Stadt, in der es genug andere Buchhandlungen gibt, besitzt er weder einen Laden in bester Lage noch mit bestem Ruf. Aber er hat einmal kleiner angefangen. Anfangs bestand sein Laden aus seinem Schreibtisch und einem Regal voll Büchern. Um seinen Kunden keinen Schund zumuten zu müssen, verkauft er nur Bücher, die er selbst auch gelesen hat. Darum dauerte es auch etwas, weitere Regale voll zu kriegen.

Die meisten Regale sind ohnehin oben leerer als unten. Damit Kinder weniger Probleme haben, stellt er die Bücher, die er interessant für Kinder findet, nach unten. So kommt es, dass sich so manches Mal Erwachsene tief bücken müssen um ein gewünschtes Exemplar zu erhalten. Und meist ist es ohnehin von Nöten, bei dem Buchhändler selbst nach einem Buch nachzufragen.

Um die Bücher nicht zu kränken, hat er sie in keine bestimmten Kategorien eingeteilt. Sicher hat er manchmal darüber nachgedacht, aber sich dann doch dagegen entschieden. Die Bücher stehen schon recht lange in der Ordnung wie sie jetzt stehen und es hätte manches Buch in Verzweiflung gestürzt, sich in ein neues Regal einleben zu müssen. Manche Kunden verstehen dies nicht, aber die können seiner Meinung nach auch schnell wieder gehen.

Mit seinen zehn Geschwistern hält der Buchhändler regelmäßig Kontakt. Er schickt ihnen hin und wieder eine herausgerissene Seite aus einem der Bücher. Und seine Geschwister schreiben ihm jeden Tag einen Brief. Den kann er lesen, wenn seine Bücher schlafen oder Gott mal wieder schmollt. So sieht er den Briefträger fast so oft wie die Zeugen Jehovas, die regelmäßig auftauchen.

Um niemals einen Büchersuchenden in Verzweiflung treiben zu müssen, hat er den Laden jeden Tag jede Stunde geöffnet. Natürlich kommt zu dieser Zeit meist niemand, aber für den Fall der Fälle hat er wenigstens vorgesorgt. Und derjenige, der eines Tages in tiefster Nacht ein bestimmtes Buch sucht, wird ihm zutiefst dankbar sein.

Der Buchhändler lebt in seiner eigenen Welt. Seine Bücher, die unter seiner Pflege atmen und leben, danken es ihm aus ganzem Herzen. Genauso wie ihm ergeht es wohl so manchem, der zuhause seine Regale, seine Wohnung, mit Büchern bestückt. Bücher sind eine Faszination, die aus der Stille kommt. Sie verschaffen Ruhe, Einsichten und bieten eine Fülle von Welten an, die entdeckt werden wollen. Manchmal wird man auch etwas verschroben, wenn es um Bücher geht. Man leiht sie ungern aus, da man keine Ahnung hat, ob ein anderer sie ebenso respektvoll behandeln wird, wie man selbst. Man hortet sie, auch wenn man weiß, dass man in den nächsten Monaten kaum dazu kommen wird, sie zu lesen. Man riecht an ihnen und genießt den Duft der bedruckten Seiten und das Gefühl, wenn die Finger über den Einband des Buches gleiten.

All jene werden sich in diesem kleinen Buch wiederfinden und wohlfühlen. Schon sein bibliophiler Einband spricht den Leser an. In goldenen Lettern bedruckt, bietet es das Erscheinungsbild eines kostbaren und seltenen Buches. Und in diesem Buch findet sich eine kleine und wertvolle Geschichte, die dem ersten Eindruck mehr als gerecht wird. Es ist eine kleine, stille und leise Geschichte, deren sanfte Worte langsam von den Seiten in den Verstand gleiten.

Nicht jeder wird die Geschichte verstehen und deswegen wird sie nicht jeder mögen. Aber alle, die sich zuhause zwischen ihren Buchregalen wohlfühlen, werden ein kleines Stück dieses altmodischen Buchhändlers in sich wiederfinden.

Daniela Hanisch



Hardcover | Erschienen: 1. August 2005 | ISBN: 3426197111 | Preis: 14,90 Euro | 170 Seiten

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