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 The First Human

The Race to Discover Our Earliest Ancestors


Cover
Gesamt +++++


Die menschliche Evolution ist immer wieder ein beliebtes Thema in den Medien, vor allem seit, insbesondere in den USA, die wörtliche Auslegung biblischer und anderer religiöser Schöpfungsgeschichten wieder in Mode kommt und wissenschaftliche Forschungsergebnisse angezweifelt werden. Da nützen auch die spektakulären Fossilienfunde der letzten fünfzehn Jahre nicht viel.
Dieses Buch handelt nicht vorrangig von der Evolution des Menschen selbst, die Gegenstand etlicher umfangreicher Bücher ist, sondern, wie der Untertitel besagt, von den Versuchen der Wissenschaftler, Fossilien von möglichst immer älteren Vorfahren des Menschen zu finden. Dabei geht es keineswegs nur um die reine Wissenschaft, sondern um Posten, Veröffentlichungen in wichtigen Zeitschriften und vor allem um Geld zur Finanzierung weiterer Projekte. Das gilt natürlich nicht nur für die Paläoanthropologie, doch da entsprechende Fossilienfunde und Erfolg versprechende Ausgrabungsplätze ganz im Gegensatz zur Anzahl der Forscher rar sind, kommt es, wie die Autorin aufzuzeigen vermag, nicht selten zu Konkurrenz- und Machtkämpfen bis hin zu erbitterter Feindschaft.
Nach einer Einführung, mittels derer sie sowohl die Faszination der Forschung an der menschlichen Evolution als auch deren spezifische Probleme vermittelt, beispielsweise bei der Charakterisierung der Gattung Homo und bei der Ermittlung von Verwandtschaftsgraden zwischen Hominidenarten, geht Ann Gibbons überwiegend chronologisch vor. Der Leser lernt die wichtigsten Funde und die damit verbundenen kontroversen Diskussionen, aber auch die Entdeckerteams und deren herausragende Persönlichkeiten kennen. Ebenso erläutert die Autorin, mit welchen politischen und bürokratischen Schwierigkeiten Paläoanthropologen zu kämpfen haben, vom unerbittlichen Wüstenklima der meisten afrikanischen Ausgrabungsorte ganz zu schweigen. Im Zentrum steht jedoch stets die Herausforderung, die alte Frage zu lösen: "Woher kommen wir?"

Dem Leser, der sich für Paläoanthropologie interessiert, werden die meisten in diesem Buch porträtierten Forscher zumindest vom Namen her bekannt sein; Fotos von ihnen finden sich auf acht Seiten in der Mitte des Buchs. Einige unter ihnen, darunter Don Johanson (der Entdecker von "Lucy"), Richard Leakey, Yves Coppens und Bernard Wood, haben erfolgreiche populärwissenschaftliche Bücher verfasst. In diesen finden sich bisweilen mehr oder weniger kaschierte Seitenhiebe auf Kollegen, manchmal auch ein irritierendes Maß an Eigenlob. Bei der Lektüre von Ann Gibbons? Buch wird dem Leser bewusst, warum das so ist: Gerade auf diesem Gebiet wirken die erbarmungslose Konkurrenz um finanzielle Ressourcen, Ruhm und Ausgrabungsgenehmigungen für Erfolg versprechende Orte keineswegs nur anspornend, sondern mitunter auch enorm destruktiv. Wie weit mancher Forscher hierbei zu gehen vermag, lässt sich den populärwissenschaftlichen Büchern nicht entnehmen und wird allenfalls für "Insider" aus den hitzigen Diskussionen in Fachzeitschriften erkenntlich.
Erstaunlicherweise ist es Ann Gibbons gelungen, mit praktisch allen an der paläoanthropologischen Forschung der letzten Jahrzehnte wesentlich Beteiligten zu sprechen und nicht nur deren Biografien kurz nachzuzeichnen, sondern auch ihre Standpunkte und Aktionen in strittigen Fragen in Erfahrung zu bringen. Daher stellt sie in ihrem Buch verschiedene Sichtweisen einander gegenüber, ohne eine Wertung vorzunehmen. Manchmal sprechen die Tatsachen für sich. Das Urteil fällt letztlich der Leser, und er vermag nach der Lektüre andere Bücher zum Thema kritischer zu lesen.
Doch natürlich sind die menschlichen Aspekte der Wissenschaft nicht der einzige Gegenstand des Buchs, das vorzüglich über die vielen, oft ausgesprochen abenteuerlichen Bemühungen informiert, neue Funde korrekt in den Stammbaum des Menschen einzuordnen - und vor allem neue Funde zu machen, allen Widerständen zum Trotz.
Zum Verständnis und zur Übersicht tragen einige Grafiken und Tabellen am Buchanfang bei: eine Afrikakarte mit den bedeutenden Ausgrabungsstätten, zugehörigen Teams und Funden, eine chronologische Übersicht über Fossilfunde von jeweils "ältesten" bekannten menschlichen Vorfahren und ein Stammbaum, der unterschiedliche Forschermeinungen berücksichtigt. Als hilfreich erweist sich auch das Glossar am Ende des Buchs.
Für deutschsprachige Leser, die das gängige Schulenglisch beherrschen und mit den international gebrauchten Standard-Fachausdrücken vertraut sind, dürfte die Lektüre aus sprachlicher Sicht unproblematisch sein (eine deutsche Übersetzung liegt derzeit nicht vor - Stand 2007).
Da das Buch dem an der menschlichen Evolution und vor allem an der Paläoanthropologie Interessierten ungewöhnliche, aktuelle, in dieser Zusammenstellung einmalige und sehr interessante Informationen in bestens verständlicher, dazu spannender Aufbereitung bietet, ist es für die Zielgruppe auf jeden Fall zu empfehlen.

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 1. Januar [Value3] | ISBN: 9781400076963 | 303 Seiten | Sprache: Englisch

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