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 Die Ohnmächtigen


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Spannung


Vor ein paar Jahren erschien das erste Werk aus der Feder von Boris Strugatzki, das nach dem Tod seines Bruder Arkadi entstand. Das Bruderpaar zählte seit den 1970er Jahren zu den herausragenden Schriftstellern der russischen Science-Fiction, einige ihrer Werke darf man getrost der Weltliteratur zurechnen. Nach der nachdenklichen und ruhigen "Suche nach der Vorherbestimmung" von 1995 (hierzulande erschienen 2005) wurde nun auch die zweite Soloarbeit von Boris Strugatzki - der 2003 geschriebene Roman "Die Ohnmächtigen" - ins Deutsche übersetzt. Angesichts des schlechten Gesundheitszustands des großen Schriftstellers könnte es sein letzter Roman gewesen sein, und diese Wehmut überträgt sich auf den Leser, wenn er die schön gestaltete Ausgabe von Klett-Cotta in den Händen hält.

"Die Ohnmächtigen" spielt im heutigen, postsowjetischen Russland, und die Fragen, die sich der russischen Gesellschaft heutzutage stellen, finden sich auch in dem Roman wieder. Ein Wirtschaftskrimineller mit dem Spitznamen "Ayatollah" versucht, im anstehenden Gouverneurswahlkampf seinen eigenen Kandidaten durchzudrücken. Dazu möchte er sich der Hilfe verschiedener Männer sichern, die über geheime Fähigkeiten verfügen. Unter ihnen ist der Meteorologe Wadim, der intuitiv das Verhalten von Menschenmassen voraussagen kann. Diese Fähigkeit will sich der "Ayatollah" zunutze machen. Doch woher bezieht Wadim sein magisches Talent? Welche Rolle spielt der "Sensei", sein ehemaliger Lehrer, der während der Stalinzeit an gewissen Experimenten des sowjetischen Geheimdienstes teilnahm?

Boris Strugatzki findet nach seiner eher stillen "Suche nach der Vorherbestimmung", die mit phantastischen Elementen geizte, wieder zu den Wurzeln zurück, die er mit seinem Bruder innerhalb der russischen Science-Fiction gepflanzt hat. "Die Ohnmächtigen" ist ein klassischer SF-Roman, und die Figuren - darunter der geheimnisvolle Sensei und der übellaunige Giftzahn, dessen Hass im wahrsten Sinn des Wortes tödlich ist - erinnern an das schräge Personal früherer Romane. Besonders gelungen ist aber auch hier die präzise Darstellung der heutigen russischen Gesellschaft: eine entfesselte Marktwirtschaft, eine nach dem Untergang der Sowjetunion verunsicherte Intelligenzia, ein demokratisches System ohne Fundament und Moral. Hier wirft Boris Strugatzki ein weiteres Mal universale Fragen auf, die sich in jeder krisenhaften Gesellschaft stellen. Kann der Einzelne tatsächlich etwas bewegen? Wie verhindert er den Missbrauch seiner Talente, seiner Geistesgaben und Anlagen?

Fazit: Ein stilistisch herausragender und inhaltlich hochinteressanter Roman, der zum Nachdenken anregt. Wer die alten Strugatzki-Werke kennt, wird vieles wiedererkennen und darf sich doch von manchem überraschen lassen. Boris Strugatzki schreibt allein sicherlich anders, als er es im Duett mit seinem Bruder tat, doch mit diesem Werk hat er nochmals sein ganzes Können unter Beweis gestellt. Hoffentlich können wir noch weitere Romane aus seiner Feder lesen.

Hagen Hoffmann



Hardcover | Erschienen: 01. März 2007 | ISBN: 9783608937749 | Originaltitel: Amphora | Preis: 22,90 Euro | 350 Seiten | Sprache: Deutsch

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