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 Kreatives Schreiben - HyperWriting

Texte als Wege zu sich selbst und zu anderen


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Schreibratgeber gibt es viele. Den meisten kann man unterstellen, dass sie irgendwie nützlich sind. Wenigen kann man aber nachsagen, dass hinter dieser Nützlichkeit auch ein festes Konzept und ein präzises Menschenbild stecken. Handelt es sich um Ratgeber zum Schreiben von konventionellen Geschichten mag dies nicht so sehr ins Gewicht fallen, kommt es doch bei konventionellen Geschichten auf die üblichen Muster mit den üblichen Verdächtigen an. Ratgeber zum kreativen Schreiben sind da schwieriger. Halbstarke Parolen wie "Jeder Mensch ist kreativ!" mögen zunächst aufmuntern. Allzurasch aber ist dann auch wieder die Luft raus.
Lange Einleitung, kurzer Sinn: Jürgen vom Scheidts Buch hat ein festes Konzept und ein präzises Menschenbild. Ja, er definiert gar die Begriffe, die er verwendet. In all dem sticht der Autor aus der Masse wohltuend hervor.
Dabei ist vom Scheidt nicht mit einer außergewöhnlich modernen Theorie angetreten. Im Gegenteil. Es ist eigentlich nur Psychoanalyse. Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten - so ein berühmter Aufsatz von Freud. Vom Scheidt nimmt ihn auf und wandelt ihn für das kreative Schreiben ab. Entlang der drei Methoden - Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten - gliedert sich das Buch.
Im ersten Teil erinnert vom Scheidt an die Geschichte und die Mythen der Schrift. Auf ihnen ruht unser heutiges Verständnis der Schrift und des Schreibens. Dabei erzählt der Autor alte und neue Mythen, lenkt den Blick auf die Wertschätzung der Schrift als solche und flicht, sehr nebenbei, Schreibtipps und Theorie mit ein.
Der zweite Teil setzt sich mit Grundlagen und Hindernissen des kreativen Prozesses auseinander. Hier bringt der Autor stärker die Psychoanalyse ins Spiel. Trotzdem muss man keine Kenntnisse über Freud besitzen. Vom Scheidt erklärt sehr gut, was - seiner Meinung nach - den kreativen Prozess ausmacht und welche seelischen Hindernisse sich diesem entgegenstellen. Hier setzt er auch den kreativen Prozess mit der psychoanalytischen Kur in Beziehung und begründet, warum beide heilsam sein können und warum kreatives Schreiben die Seele entlasten kann. Kann im Übrigen - nicht muss. Denn anders als andere Autoren wird nicht alles rosarot gemalt und jede Kreativität in den Himmel gelobt. Kreativität kann misslingen, unverständlich bleiben, isolieren und krank machen. Weil aber vom Scheidt auch dies sehr elegant und einfach zu berichten weiß, weil er auch hier viel Erfahrung gesammelt hat und Gegenmittel gegen das Idealisieren und das Scheitern kennt, weil er also Zwischentöne zulässt, bleibt er auch realistisch. Ebenso realistisch bleibt er, wenn er trotz des intimen Charakters kreativer Texte fordert, diese sollten so lange durchgearbeitet werden, bis sie leserfreundlich sind.
Kreativität ist kein Wert an sich; Lesbarkeit, soziale Vermittlung muss dazu kommen, wenn auch erst nachträglich, erst nach dem ersten Entwurf.
Im dritten Teil schließlich berichtet der Autor aus der Praxis der Schreibwerkstatt. Fünf Schritte zum kreativen Schreiben, zwölf Hilfen gegen Blockaden, neunundvierzig Tipps für junge und alte Autoren, dazu einiges - auch ungewöhnliches - Handwerkszeug: all dies findet man im letzten Teil des Buches.
Dieses Buch ist hervorragend. Mit der Theorie im Hintergrund und dem Blick auf den Leser im Vordergrund unterhält es und lehrt zugleich. Die Praxis ist sinnvoll und realistisch. Marktschreierei fehlt. Wer kreativ schreiben lernen möchte, liegt mit diesem Buch sehr realistisch und deshalb sehr richtig.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. Oktober 2006 | ISBN: 9783865202109 | Preis: 19,90 Euro | 216 Seiten | Sprache: Deutsch

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