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 Wilma


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Agnes ist verwitwet und kinderlos. Doch ein Leben in Einsamkeit erträgt sie nicht, und so nimmt sie sich der jungen Wilma an, die keine Eltern mehr hat. In dem kleinen Dorf, in dem Agnes lebt, seit sie denken kann, erhält sie dafür zahlreiche schiefe Blicke, denn Wilma ist anders als die anderen Mädchen. Sie ist geistig zurückgeblieben, plump und in sich gekehrt. Man geht ihr aus dem Weg, selbst Beschimpfungen und Spöttereien ist sie ausgesetzt.
Dass Wilma in ihrem Zustand nur wenig davon mitbekommt, kann Agnes nur recht sein. Sie selbst leidet für das Mädchen und bekommt doch nichts zurück. Dennoch ist sie glücklich mit ihrem gemeinsamen Leben mit Wilma, die sie aus ihrer Einsamkeit gerettet hat.
Doch das bescheidene Glück der zwei kann nicht für immer bestehen, vor allem nicht in einer Umgebung, die dem zurückgebliebenen Mädchen feindlich gesonnen ist. Und so geschieht ein Unglück, das das Leben von Agnes und ihrem Schützling ins Verderben zu reißen droht …

Eine allein stehende, vereinsamte Frau, die einen Menschen zum Lieben braucht, und ein Mädchen, geistig und körperlich anders als die anderen um sie herum - das ist der Stoff, aus dem emotionale, anrührende Romane gestrickt sind.
Gott sei Dank beschreitet Evelyn Grill diesen Weg nicht. Ihr 137 Seiten umfassender und damit rasch zu lesender Roman konzentriert sich nicht auf das Rührselige und Dramatische der Situation. Als stille Beobachterin schildert sie die schwierige Situation der beiden Frauen. Sie urteilt nicht, sie suggeriert weder Mitleid noch andere Gefühle für ihre Protagonistinnen. Das wühlt stellenweise mehr auf, als es die offene Auseinandersetzung mit den Ereignissen getan hätte.
Durch die Wahl des Präsens als Erzählzeit und die klare, präzise Sprache, die auf jegliche Schnörkel verzichtet und kein Wort zu viel gebraucht - was eine Kunst für sich darstellt -, transportiert Grill das Geschehen direkt und schonungslos. Nur selten gewährt die Autorin dabei einen Blick in Agnes, die für den Leser die wichtigste Bezugsperson darstellt; an Wilmas Innenleben rührt sie dagegen nicht. Durch diese Unpersönlichkeit lässt Grill allerdings noch tiefer in die Seelen ihrer Charaktere blicken, als es die plakative Beschreibung jeder Gefühlsregung hätte tun können. Allerdings bleibt der Leser dadurch auch stets auf Distanz und kann sich nur selten richtig in Agnes hineinversetzen. Wilma bleibt ohnehin stets verschlossen.
Diese Art der Darstellung so konsequent durchzuziehen, ist nicht einfach, aber Evelyn Grill gelingt es, sowohl sprachlich als auch inhaltlich zu überzeugen. Nicht jede Handlung kann nachvollzogen werden, nicht jede geschilderte Tat ist richtig, aber gerade das ist die bittere Spiegelung des Lebens.

"Wilma" ist ein nachdenklich stimmendes Werk, das die Abgründe der menschlichen Seele behandelt, ohne urteilen zu wollen. Vor allem sprachlich überzeugt der Roman, wenngleich die Distanz der Figuren sowohl Vor- als auch Nachteil sein kann. Nur der Preis ist ein echter Wermutstropfen für die gerade mal 137 Seiten.

Tina Klinkner



Hardcover | Erschienen: 01. September 2007 | ISBN: 9783701714827 | Preis: 17,90 Euro | 144 Seiten | Sprache: Deutsch

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