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 Stein bedeutet Liebe


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis


"Stein bedeutet Liebe" ist eine Zeile aus einem Gedicht der Schriftstellerin Regina Ullmann und der Titel des neuen Buches von Eveline Hasler, das sich sowohl der Geschichte Regina Ullmanns als auch der von Otto Gross annähert.
Zentraler Ort des Buches ist das Künstler- und Intellektuellen-Café Stefanie in München. Hier treffen Ullmann und Gross 1906 zum ersten Mal aufeinander. Mit einem Blick erkennt der Psychoanalytiker und Freud-Schüler Otto Gross Reginas Abhängigkeit von der Mutter. Er will ihr helfen, sich ihren Dämonen auszuliefern, sich von der Mutter zu befreien. Er will sie in ihr eigenes Wesen zurückzuführen. Otto Gross kommt jedoch sein Leben lang selbst nicht vom übergroßem Vater los und erst spät wird ihm klar, dass man nicht helfen kann, wenn man selber Hilfe braucht. Regina und ihre Mutter willigen aber schließlich in eine Therapie ein, zu der bald auch das "Beiwohnen" gehört. Dass das nicht ohne Folgen bleibt, ist abzusehen, aber Gross, der bereits eheliche und uneheliche Kinder hat, verweigert seine Hilfe ...

Behutsam und liebevoll, mit einer irgendwie zurückhaltenden Intensität erzählt Hasler von zwei Menschen: Regina Ullmann und Otto Gross. Die Geschichten beider verdichten sich 1906 im Café Stefanie zu einer gemeinsamen Liebesgeschichte. Der Leser erfährt von dem scheuen Kind Regina, dem die Wörter in Gesellschaft anderer abhanden kommen und das deshalb lieber allein im Garten seine Zeit verbringt. Er sieht die blasse und stille Regina im Café Stefanie mit ihrer Mutter sitzen und er kann zusehen, wie die Liebe zu Otto Gross sie verändert. Aber Hasler beschreibt nicht nur zwei Menschenleben, sondern auch ihre Zeit. Für Künstler und Intellektuelle ist diese vom Aufbruch geprägt: gegen patriarchalische Strukturen, gegen sexuelle Konventionen, gegen einengende gesellschaftliche Verhältnisse. So fährt Otto Gross mehrmals nach Monte Verità in die Schweiz, das sich Anfang des 20. Jahrhunderts als neugeistiges Zentrum etablierte und Menschen versammelte, die eine Alternative zum autoritären Staat suchten: Künstler, Pazifisten, Anarchisten, Anthroposophen ... In das Lebensgefühl des beginnenden 20. Jahrhunderts webt Eveline Hasler die individuellen Geschichten von Ullmann und Gross und als Leser stößt man dabei auch immer wieder auf bekannte Namen. Rainer Maria Rilke zum Beispiel oder Carl Gustav Jung, Hermann Hesse oder Sigmund Freud.
Eine wissenschaftliche Biographie darf man gleichwohl nicht erwarten, denn Eveline Hasler versucht das Wesen der Regina Ullmann einzufangen - nicht ihren leblosen Lebenslauf. Sie erzählt nicht chronologisch, sondern springt zurück in die Kindheit und wieder vor ins Café Stefanie. So wenig wie der Roman (nicht Biographie!) wissenschaftlich ist, ist er natürlich objektiv. Eveline Hasler schafft mit ihrer Art zu erzählen eine ganz besondere Stimmung und Atmosphäre in ihrem Buch. Und natürlich ist die künstlich und entstanden beim schreibenden Ordnen der Vergangenheit. Dem Leser ermöglicht das Buch die Geschichte der Regina Ullmann so zu lesen, wie sie sich Eveline Hasler offenbart hat. Die Erzählweise ist der Zeit, in der die Geschichte spielt, angepasst und hat etwas Behäbiges und gleichsam Intensives. Dadurch spiegelt sie auch das Bild wieder, das man beim Lesen von Regina Ullmann bekommt.

Mit echtem Interesse, Mitgefühl und Wärme spürt Hasler der Person Ullmann nach. Mit ihrer Art zu erzählen hat sie eine ganz besondere Stimmung geschaffen. Wer Interesse an Frauenbiographien hat, wird mit diesem Buch nicht falsch liegen. Und für alle, die nach der Lektüre dieses Romans gerne etwas von Regina Ullmann lesen möchten, hier noch ein Tipp: Bei Nagel & Kimche ist in diesem Jahr auch Ullmanns erster Erzählband "Die Landstraße" von 1921 neu erschienen.

Katja Maria Weinl



Hardcover | Erschienen: 1. Juli 2007 | ISBN: 9783312003976 | Preis: 19,90 Euro | 176 Seiten | Sprache: Deutsch

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