Media-Mania.de

 Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie für Kinder und Jugendliche

PITT-KID - Das Manual


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Betrachtet man die Unzahl der Psychologiebücher, kann man diese grob in zwei Kategorien einteilen: die einen nutzen ein Modell, um durch dieses enge Nadelöhr einen Teil der Wirklichkeit zu pressen und so zu neuen Ergebnissen zu kommen; die anderen schreiben von einer Erfahrung aus und nutzen die Theorie, um diese zu erklären. Zu den letzteren gehört das Manual zur Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie für Kinder und Jugendliche, kurz PITT-KID genannt. Die Gefahr solcher, von der Praxis aus geschriebenen, Bücher ist oft ein Ansatz, der wahllos verschiedene Schulen und Gedanken vermischt und diese gebrochen nebeneinander stehen lässt. Krüger und Reddemann lassen hier von der ersten Seite an deutlich spüren, dass man es anders machen kann: praxisnah und trotzdem mit scharf konturierten, hervorragend reflektierten Begriffen.
Der Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen wird immer noch wenig durchdacht, so die Autoren, und - wenn es sich nicht um Therapeuten handelt, sondern um andere Professionelle, die mit solchen Kindern zu tun haben - auch gerne verdrängt. Nach einer Einführung, die eine Übersicht über das Buch beziehungsweise über die darin vorgestellte Praxis bietet, wird der Begriff des Traumas ausführlich erläutert und es werden diagnostische Werkzeuge an die Hand gegeben. Die Diagnose ist eine eher intellektuelle Sache, da sie sich auf kognitive Schemata stützt, mit denen die Wirklichkeit aufgeteilt und geordnet wird. Gerade dieser Schritt ist beim Erstkontakt aber enorm wichtig - die Autoren betonen es -, gerade auch dann, wenn ein Kind aus einer akuten Belastung kommt und all unser Mitleid mobilisiert. Diagnosen helfen nicht nur hier eine gesunde Distanz zu wahren, sondern sich auch rasch in einem Netzwerk aus Helfern zu verständigen und so gezielte Maßnahmen zu ergreifen.
Der weitere Verlauf des Buches steht dann sehr viel stärker im Zeichen therapeutischer Maßnahmen. Dem Beginn der Behandlung ist ein eigenes Kapitel gewidmet. In einem nächsten Kapitel geht es um die Stabilisierung des Kindes in der Therapie: hat das Trauma das Kind aus der Fassung gebracht, muss diese Fassung zuallererst wieder hergestellt werden. Klarheit und Kontrolle prägen diese Phase, methodisch wird vor allem an den Ressourcen des Kindes gearbeitet. Hier spielt die Imagination eine große Rolle: Imagination kann - auch wenn sie nicht "wirklich" ist - Ersatzerfahrungen schaffen. Das Ausleben dieser Imaginationen in szenischem Spiel und kreativer Arbeit schafft hier den Brückenschlag, diese Imaginationen nicht nur zu intensivieren, sondern sie auch mit anderen, mit hilfreichen Erwachsenen zu teilen. So ist die Imagination selbst eine Ressource, und das Imaginieren von weiteren Ressourcen verschafft dem Kind Entlastung, Handlungskompetenz und Ausdrucksfähigkeit.
Imagination ist kein Selbstzweck; und auch die Stabilisierung eines traumatisierten Kindes nur ein Schritt in der Therapie. Die Konfrontation mit dem Trauma bildet den nächsten wichtigen Schritt. Schon zu Beginn aber warnen die Autoren auch vor diesem Schritt. Eine ganze Reihe günstiger Umstände müssen hier zusammentreten, um das Kind nicht zu überfordern und zu destabilisieren. Auch hier dient die Imagination der Reinszenierung und Rekonstruktion des Traumas.
Schließlich wird die Traumatherapie mit einer Integrationsphase abgeschlossen: die Erfahrungen mit dem Trauma, dem traumatischen Stress danach, der Destabilisierung, der Stabilisierung, der Konfrontation wird auf das Feld des vergangenen und des zukünftigen Lebens gespannt und reflektiert.
Zwei weitere Kapitel mit besonderen Aspekten - eins für den Umgang mit spezifischen Problemen und eins für den Umgang des Therapeuten mit sich selbst - beschließen das Buch.
Die Autoren schreiben hier ein Buch, das an die Praxis angelehnt ist. Gleichzeitig binden sie zahlreiche Ansätze ein, solche der Psychoanalyse, der Gestalttherapie, der Verhaltenstherapie und der Systemischen Therapie. Dabei wirkt nichts wahllos, sondern alles um drei Aspekte gruppiert. Der erste Aspekt, der psychodynamische, orientiert sich eng an der Psychoanalyse - was den Umgang mit dem Kontakt zwischen Therapeut und Klient angeht - und zugleich an der Gestalttherapie - was die Handlungsorientierung angeht. Der zweite Aspekt, die Imagination, bezieht sich vor allem auf neuere Forschungen. Zwar hätte man dies auch mit älterer Literatur nachvollziehen können, doch die Ergebnisse der modernen Hirnforschung überzeugen hier deutlich besser als wohlmeinend humanistische Ansätze, auch wenn beide in die gleiche Richtung gehen. Der dritte Aspekt, die "Ego-State"-Theorie, lehnt sich an den Gedanken an, dass Menschen aus Teilpersönlichkeiten bestehen, die allesamt aktuell oder früher eine sinnvolle Aufgabe im Leben eines Menschen gespielt haben. Von diesem "inneren Team" aus strukturiert sich vor allem das Buch: die hilfreichen imaginierten Ressourcen, die verletzten Seelenanteile, die Täterintrojekte und so fort finden hier ihre Einbindung in den therapeutischen Prozess und damit ihre sinnvolle Integration in die reife Persönlichkeit.
Praxisnähe und eine durchdachte, vorurteilsfreie und unverschulte Theorie - dies alles in knappen, lesbaren Erklärungen und mit vielen kurzen Praxisbeispielen versehen - zeigen, worum es den Autoren zentral geht: um Hilfe für traumatisierte Kinder. Und gerade weil sich die Autoren nicht als kompetent darstellen müssen, stellen sie ihr Fachwissen kompetent dar und empfehlen sich selbst als hervorragend. Geeignet ist das Buch also nicht nur für Therapeuten, sondern für alle Menschen, die in sozialen Berufen mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Empfohlen sei dieses Buch aber auch allen Interessierten.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. August 2007 | ISBN: 9783608890488 | Preis: 24,00 Euro | 280 Seiten | Sprache: Deutsch

Bei Amazon kaufen


Ähnliche Titel
Geburt erlebenKinder natürlich heilenAufbau eines körperlich-aktiven LebensstilsLust und Liebe - alles nur Chemie?Kindersprechstunde