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 Foucault und die Künste


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Michel Foucault - französischer Philosoph - auf die Künste zu befragen, ist eine komplexe Angelegenheit. Denn nicht nur kannte Foucault sich in der Kunst hervorragend aus; er hat auch vielfach zu Kunstwerken gearbeitet und dies in der eigenwilligen Art, die Foucaults Werk insgesamt so eindringlich macht. Peter Gente ist zu danken, dass er diesen Aspekt Foucaults in einem Buch versammelt. Schon beim ersten Durchblättern wird der Leser merken, welche Form diese Sammlung annimmt: die Form einer Zerstreuung. Anders aber lässt sich Foucault wohl kaum interpretieren.
Foucaults Beschäftigung mit Kunst - hier im alltäglichen Sinne - werden von Ulrich Raulff in einer Tour d’Horizon, einem Rundumschlag, von Daniel Defert in einem anderen Artikel eher biographisch und persönlich dargestellt. Beide jedoch unterstreichen noch einmal, dass Foucault zwar die bildliche Darstellung benutzt, aber das Verhältnis von Bild und Sprache problematisiert, in seinen Büchern wie in seinen Begegnungen mit Künstlern.
Diese Differenz zwischen Bild und Sprache, aber auch die Differenz im allgemeinen beleuchtet Judith Revel in ihrem Aufsatz "Vertikales Denken": vertikal - dies bedeutet hier vor allem, nicht in Hierarchien zu denken, sondern in solchen Problematisierungen, die dem Alltäglichen wieder das Staunen abgewinnen, ein Staunen darüber, dass etwas genau so und nicht anders gedacht wird. Zunächst mit einem ganz anderen Schwerpunkt schreibt Alessandro Fontana über das Verhältnis von Wahnsinn, Theater und Philosophie in "Das Paradox des Philosophen", und hier vor allem über die Un-/Entscheidbarkeit zwischen Wahnsinnigem, Schauspieler und Philosophen. Doch auch hier geht es um Foucaults Verhältnis zum "Imperialismus der Wahrheit", um ein hierarchisches Denken, dem sich Foucault entzieht.
Thierry de Duve, Michael Glasmeier und Bernd Stiegler beleuchten verschiedene Auseinandersetzungen Foucaults mit Künstlern und umgekehrt auch den Einfluss, den Foucault auf Künstler ausübte. De Duve nimmt dabei eine vorsichtige Neuinterpretation von Manets Un Bar aux Folies-Bergère vor, indem er sich zugleich gegen Foucaults Interpretation wendet. Glasmeier beleuchtet das Verhältnis zwischen Magritte und Foucault und von dort aus Broodthaers Umsetzung und Fortführung der Foucaultschen Gedanken. Stiegler schließlich stellt Foucaults wenig bekannte Äußerungen zur Fotografie vor und beleuchtet diese von neueren Ergebnissen der Forschung aus.
Das Wort Kunst taucht bei Foucault nicht fachspezifisch auf. Dass Kunst ein abgezirkelter Bereich ist, glauben viele Menschen. Meist sind dies keine Künstler. Bei Foucault nun gibt es Wörter wie Kriegskunst und Lebenskunst - neben der Heilkunst. Hier geht es nicht um materielle Werke, sondern um das gute Leben. Auch diesem Aspekt trägt die Aufsatzsammlung Rechnung: Walter Seitter problematisiert das Wort "Kriegskunst" im foucaultschen Werk; Thomas Lemke schreibt über die Regierungskunst und die Kritik an der Regierung (des Menschen); die Lebenskunst und ihren Bezug zu den modernen - "avantgardistischen" - Kunstwerken wird von Wilhelm Schmid kenntnisreich beleuchtet; René de Ceccatty folgt den Verbindungslinien einer homosexuellen Ethik in Foucaults Werk und Leben. Schließlich kann man Ulrich Schneiders "Ordnung als Schema und als Operation" bedingt in diese Reihe von Aufsätzen stellen, nämlich als Untersuchung über die Kunst, eine Bibliothek zu ordnen.
Etwas außerhalb der Reihe - in einem wundervollen Aufsatz - stellt Arne Klawitter die Diskursanalyse mit der foucaultschen Sprachontologie in Bezug. Diese Verbindung muss sicherlich kritisch gelesen werden und vielleicht kritischer als Klawitter dies tut. Trotzdem weist der Autor hier auf ein wichtiges und oft nicht gut beachtetes Spannungsfeld bei Foucault hin: dessen philosophischen Aussagen über "Sprache" und den Erkenntnisgewinn seiner Aufsätze zur Literatur. Ähnlich kritisch zu lesen und doch ähnlich gut ist Wolfgang Ernsts "Das Gesetz des Sagbaren". Hier beleuchtet der Autor Foucaults Begriffs der Medien. Kritisch ist dieser Aufsatz deshalb, weil Ernst die einzelnen Medien gegeneinander abgrenzt, in einer eher klassischen, nicht-foucaultschen Form. Andreas Hiepko stellt einen anderen, recht unbekannten Foucault vor: Foucault als Übersetzer und Foucault als Theoretiker der Übersetzung.
In den letzten Jahren ist öfter auf die Verbindung zwischen Foucaults Werk und Walter Benjamins Schriften eingegangen worden. Pravu Mazumdar stellt Bezüge zwischen Benjamins Aura-Begriff und Foucaults Kritik der Repräsentation her. Der Artikel bleibt knapp und baut nicht auf andere, ähnliche Darstellungen auf, wie etwa Sigrid Weigels Darstellungen. Peter Weibel untersucht von Foucault aus das Verhältnis zwischen Kunst und Macht - aber mit einem Machtbegriff, der eindeutig repressiv ist und verpasst damit Foucaults Machtkonzeption eindeutig. - Zu guter letzt: Tom Lamberty’s Aufsatz über Heterotopologien. Dieser stellt anhand des amerikanischen Luftabwehrsystems der fünfziger Jahre Foucaults Raumdenken vor. Auf der einen Seite ist dieser Aufsatz bewundernswert kenntnisreich, auf der anderen Seite aber - als einziger Aufsatz in dieser Sammlung - so voll gestopft mit verschachtelten Sätzen und Fremdwörtern und durch eine wolkigen Ironie verschnörkelt, dass er stellenweise kaum lesbar ist.

Insgesamt kann man dieses Buch sehr empfehlen. Die meisten Beiträge bieten einen spannenden und gut lesbaren Querschnitt durch das Thema "Foucault und die Künste". Sicherlich: Keiner der Beiträge kann sein Sujet umfassend ausloten. Doch die zumeist kenntnisreichen und klaren Darstellungen bieten zugleich Einführungen für den Interessierten und Neuerungen für den Foucault-Kenner.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. August 2004 | ISBN: 9783518292679 | Preis: 13,00 Euro | 338 Seiten | Sprache: Deutsch

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