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 Maestro Leonardo

Autoren: Acchittocca
Verlag: Abacusspiele

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie


Wohl kaum ein Mann hat den Begriff des Erfinders so sehr geprägt wie Leonardo da Vinci. Seine wundervollen Gemälde haben bis in unsere Zeit überdauert, aber auch seine skurrilen Erfindungen sind gut genug, um in schlechten Hollywood-Blockbustern ihre Verwendung zu finden. Nun kann man in "Maestro Leonardo" in die Fußstapfen des Meisters treten und selbst so Sachen erfinden wie einen mittelalterlichen Kran, ein Fernrohr, mit dem man um die Ecke gucken kann, eine Ur-Bohrmaschine oder einen Flugapparat. Aber anscheinend gibt es im Spiel einen Bedarf für derartige merkwürdige Geräte, denn Auftraggeber zahlen viele Gulden für deren zeitige Fertigstellung. So ist denn das Ziel in "Maestro Leonardo" - so gar nicht im Sinne des Erfindergeistes - das meiste Geld zu verdienen.

In jeder der sieben normalen Spielrunden liegen Erfindungen aus, an denen man in seinen Laboren im Geheimen werkeln kann, was schnell zum Wettlauf gegen die anderen Spieler gerät, sollten diese am gleichen Projekt tüfteln, schließlich bekommt der erste mehr Geld für die Fertigstellung der Erfindung und darf sie für sich beanspruchen. Um ein Projekt beginnen zu können, braucht man die dafür notwendigen Ressourcen, von denen es mit Eisen, Glas, Holz, Ziegeln und Seil fünf Stück gibt. Außerdem braucht man für die Fertigstellung komplexerer Erfindungen mehr Zeit als für einfachere. So ist ein simples Projekt bereits nach vier Wochen abgeschlossen, ein schwieriges erst nach fünfzehn.
Am Anfang jeder Runde sucht sich jeder Spieler im Geheimen aus, an welcher der aktuellen Erfindungen er arbeiten oder ob er bereits angefangene Arbeiten abbrechen möchte. Dafür stehen ihm maximal zwei Labore unterschiedlicher Größe zur Verfügung. In der nächsten Phase werden der Reihe nach Lehrlinge auf den Spielplan eingesetzt, der die Stadt repräsentiert, oder auf die eigenen Labore. In der Stadt kann man sich neue Ressourcen besorgen, seine Labore verbessern, neue Lehrlinge anwerben oder eine von vier Sonderaktionen durchführen. Das entscheidet sich jedoch erst, nachdem alle Spieler alle ihre Lehrlinge eingesetzt haben. Schwierig: Wer die meisten Lehrlinge zu einem Gebäude schickt oder vorher da war, ist zuerst dran und kann die dortigen Vorzüge zunächst umsonst genießen. Wer beispielsweise in der Glaserei zuerst an der Reihe ist, bekommt eine Glasressource umsonst, alle weiteren Ressourcen kosten Geld.
Wenn diese Phase vorbei ist und alle Spieler ihre Labore aufgewertet oder Ressourcen eingekauft haben, wird an den Erfindungen gearbeitet. Wenn man einige seiner Lehrlinge in die Labore geschickt hat, bringen diese die Arbeit am aktuellen Projekt um eine entsprechende Anzahl Wochen voran. Wurde eine Erfindung fertig gestellt, gibt es dafür sofort die passende Belohnung in Gulden. Wird das gleiche Projekt in einer späteren Runde von einem anderen nochmal beendet, bekommt der eine geringere Belohnung.
Sieben Runden lang starten die Spieler neue Projekte, schicken ihre Lehrlinge in die Stadt und die Labore, decken sich mit besserer Ausrüstung ein und stellen Erfindungen fertig. In der achten und neunten Runde haben sie dann nur noch Gelegenheit, in den Labors zu arbeiten und letzte Projekte fertig zu stellen. Zum Schluss gibt es noch Extra-Gulden für diejenigen, die Erfindungen aus verschiedenen Themenbereichen fertig gestellt haben. Derjenige mit den meisten Gulden gewinnt.

Einer der interessantesten Aspekte am Spiel ist bereits die Startaufstellung. Anstatt dass jeder Spieler mit den gleichen Voraussetzungen startet, fängt jeder mit völlig unterschiedlichen Bedingungen an. Ein Spieler mag vielleicht viele Lehrlinge und Ressourcen, aber nur ein kleines Labor haben, ein anderer mag mit viel Geld und zwei Laboren, aber nur wenig Lehrlingen und Ressourcen in die Partie starten. Je nachdem auf welcher Startposition man sitzt, muss man sich auf einen etwas anderen Spielverlauf einstellen. Erfahrene Spieler mögen hier aufhorchen und sich besorgt fragen, ob das denn überhaupt ausbalanciert ist. In den Testpartien haben sich aber auch zu fünft keine gravierenden Nachteile für einen der Spieler ergeben, die Punktzahlen am Schluss lagen stets recht dicht beieinander. Diese unterschiedlichen Startbedingungen sind jedenfalls äußerst reizvoll, zwingen sie doch die Spieler, von Anfang an unterschiedlich vorzugehen. Wem das immer noch zu beliebig ist, der kann ja die Profi-Variante am Ende der Spielregeln ausprobieren und sich seine eigenen Startressourcen zusammenstellen.

"Maestro Leonardo" ist jedenfalls ganz klar ein Spiel für Vielspieler und Profis. Die Zeitangabe der Packung mit 60 - 90 Minuten ist stark untertrieben, man darf eher - je nach Spielerzahl - mit 90 bis 180 Minuten rechnen. Vor allem die erste Partie gerät eher schleppend, da man durch das unheimlich komplexe Gebilde, das dieses Spiel bildet, erst einmal durchsteigen muss. Die Mechaniken von "Maestro Leonardo" schwimmen ganz klar auf einer Welle wie der Überflieger "Caylus" und viele andere komplexe europäische Spiele dieser Tage, in denen man seine Arbeiter im Konkurrenzkampf gegen die anderen Spieler geschickt einsetzen muss, um den meisten Profit aus den Mechaniken des Spiels rauszupressen. Das ist natürlich nicht schlecht, aber es ist eben auch nichts Neues mehr. Vielspieler wird dieser Titel aber trotzdem sehr reizen, denn "Maestro Leonardo" stellt einen vor zahlreiche schwierige Entscheidungen. Der fiese Kniff bei der Angelegenheit ist ja der, dass die Gulden gleichzeitig auch Siegpunkte sind. Aber man muss hier nunmal Geld ausgeben, um Geld zu verdienen - aber wieviel? Lohnt es sich noch, schmerzhafte vier Gulden für jene dringend benötigte Ressource auszugeben? Oder startet man in der nächsten Runde lieber keine neue Erfindung, besorgt aber dafür mit einer Überzahl an Lehrlingen alles Nötige in der Stadt? Wie bei modernen Strategiespielen üblich, führen viele verschiedene Wege zum Ziel und es macht viel Spaß, den aktuell besten im Kampf gegen die anderen für sich herauszufinden. Wenn Grübler am Tisch sitzen, kann das freilich zu einem qualvollen Wartemarathon führen, bis man wieder an der Reihe ist.

Leuten, die viel Freude mit "Caylus", "Die Säulen der Erde" oder dem Genre-Primus "Puerto Rico" hatten, sei "Maestro Leonardo" wärmstens ans Herz gelegt. Das schön verarbeitete Spiel besitzt eine enorme Tiefe und bietet viel Raum, um im Spiel erkundet und optimiert zu werden. Familien und Gelegenheitsspieler sind mit dem Titel jedoch weniger gut beraten, nicht zuletzt deswegen, weil die eher karge Anleitung den Einstieg in das Spiel nicht gerade einfach macht und weil man in der ersten Partie noch keine so wirkliche Ahnung hat, was man jetzt eigentlich am besten tun soll. Aber ein berühmter Erfinder wird man ja auch nicht einfach so von heute auf morgen.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 01. Januar 2007 | FSK: 12 | Preis: 30 Euro

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