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 Callisto

oder Die Kunst des Rasenmähens

Autoren: Torsten Krol
Übersetzer: Gunnar Kwisinski
Verlag: Blessing

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Eigentlich wollte Odell Deefus zur Army gehen, um im Irakkrieg gegen die "Islamiten" zu kämpfen. Doch auf dem Weg zur Rekrutierungsstelle streikt sein Wagen, er sitzt in dem kleinen Kaff Callisto, Kansas, fest, und eine Kette wahnwitziger Ereignisse nimmt ihren Lauf.

Später sinnt Odell darüber nach, dass wohl alles ganz anders gekommen wäre, wäre der Motor seines altersschwachen Wagens nicht genau vor der Einfahrt von Dean Lowrys Haus verreckt. Dann hätte der etwas merkwürdige Dean ihn auch nicht eingeladen, die Nacht in seinem Haus zu verbringen, damit sie den Wagen am nächsten Tag zum Schrottplatz bringen können. Dann hätte Odell nicht im Garten ein gerade erst ausgehobenes Grab gefunden und die fixe Idee gehabt, dass Dean ihn nachts ermorden will. Und dann hätte Odell Dean nicht quasi aus Versehen mit einem Baseballschläger auf den Kopf schlagen müssen, als der nachts plötzlich an seinem Bett auftauchte und ihn so erschreckte.
Wie auch immer, es ist passiert: Dean ist tot. Odell versteckt die Leiche zunächst unterm Bett und überlegt, was er nun tun soll, doch fangen die Toten sozusagen an, sich zu häufen, denn in der Tiefkühltruhe im Keller findet Odell eine weitere Leiche, an der er aber diesmal nicht schuld ist.
Und es wird nicht besser, als plötzlich Deans Schwester vor der Tür steht und Odell in Drogengeschäfte verwickelt wird. Plötzlich interessiert sich ganz Amerika für Callisto und Dean Lowry, von dem keiner außer Odell weiß, wo er sich aufhält. Dean wird für einen Terroristen gehalten, der den zukünftigen Präsidenten ermorden will, das Heimatschutzministerium schaltet sich ein, und es kommt noch schlimmer...

Man merkt es schon an dieser Inhaltsangabe: Dieses Buch ist schräg, skurril - und überrascht den Leser immer wieder. Antiheld des Romans ist Odell Deefus, der nicht der Hellste ist, der sich aber nach Forrest-Gump-Art die Seltsamkeiten der Welt auf seine ganz eigene Weise erklärt. Odell weiß genau, dass er nicht dumm ist, denn schließlich hat er sechzehn Mal "Frühling des Lebens" gelesen, und das hat - obwohl es ein Kinderbuch ist - den Pulitzerpreis gewonnen. Es ist herrlich komisch und bitterböse zugleich zu lesen, wie Odell sich immer weiter in diese grandios verstrickte Affäre hineinreitet, in die erst die Medien, dann die Polizei und schließlich das FBI verwickelt sind. Dabei wollte Odell doch nur einen festen Job und vielleicht Deans Schwester flachlegen. Wie konnte es nur so weit kommen?

Autor Torsten Krol hat eine besondere Begabung dafür, den Leser einerseits mit viel schwarzem Humor zum Lachen zu reizen, andererseits bringt er ihn dazu, Odells Komplize zu werden, Teil seiner merkwürdigen Logik zu sein und mit ihm mitzufiebern. Denn Odell ist zwar geistig irgendwie minderbemittelt und geht sehr naiv durchs Leben, aber er gibt eben auch recht clevere Sachen von sich, die den Leser in Staunen versetzen und die ihm und der amerikanischen Gesellschaft einen Spiegel vorhalten - gerade in Bezug auf Terrorangst, politischen Wahlkampf und christliches Getue.
Es gibt unglaubliche Szenen in diesem Buch, die gleichzeitig dramatisch und urkomisch sind, etwa wenn Odell Deans inzwischen schon arg mitgenommene Leiche fünfmal ein- und wieder ausgraben muss, weil die Polizei sich so sehr für das Grab im Garten interessiert. Oder wenn der Hüne Odell beim Lügendetektortest in Tränen ausbricht, weil er sich vorstellt, wie die Romanfigur aus seinem Lieblingsbuch "Frühling des Lebens" ein niedliches Rehkitz erschießen muss. Immer wenn man glaubt, es könnte jetzt nicht mehr schlimmer kommen, kommt es natürlich schlimmer - sehr zum Vergnügen und zur Bestürzung des Lesers. Denn wer hier nur Späße erwartet, wird nach ein paar hundert Seiten unsanft wachgerüttelt. Odell, der Amerika als Soldat eigentlich dienen wollte, wird zum Spielball der Justiz und als Terrorverdächtiger selbst zum Opfer. Hier spart Krol nicht mit brutalen Szenen, die so unerträglich, so widerlich sind, dass man das Buch fast weglegen möchte - volle Breitseite für den Terrorkampf der USA.

"Callisto oder Die Kunst des Rasenmähens" ist voll von herrlich schwarzem Humor, dramatisch, komisch und traurig, bizarr und klug. Odell Deefus, der Protagonist, ist irgendwo zwischen Forrest Gump und Smithy Ide angesiedelt und schlägt sich gnadenlos sympathisch und hilflos durchs Leben - und ins Herz des Lesers, der bald aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, denn Odell widerfahren die unglaublichsten Dinge. Ein großartiges und erfrischend anderes Buch!

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. August 2007 | ISBN: 9783896673510 | Originaltitel: Callisto | Preis: 19,95 Euro | 512 Seiten | Sprache: Deutsch

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