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 Europa in der Spätantike 300 - 600

Eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte


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Anspruch
Aufmachung
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Preis - Leistungs - Verhältnis


Der Übergang zwischen Antike und Mittelalter war mit gewaltigen Umwälzungen verbunden, die sich nicht nur auf den politischen Bereich beschränkten, sondern auch Kultur und Ethik maßgeblich beeinflussten. Einen erheblichen Faktor stellte die Völkerwanderung dar und somit das Eindringen germanischer Elemente in die römische Kultur, zum anderen bewirkte die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion eine nachhaltige Änderung der Mentalität.
In diesem Buch geht es allenfalls am Rande um den politischen Aspekt. Zwei kurze, einleitende Kapitel geben einen Überblick über die Struktur der Gesellschaft in den letzten Jahrhunderten der Antike, gefolgt von einem ausführlichen Kapitel über die Einstellung zum Ich. Hierin werden, in entsprechende Abschnitte gegliedert, etliche Einzelthemen besprochen, zum Beispiel die Ideenwelt bezüglich Leib und Seele, die Künste und ihre Rezeption, die Einstellung zu Krankheit, Tod und anderen schicksalhaften Ereignissen und, sehr ausführlich, die Religionen, die im Europa der Spätantike aufeinanderprallten. Vor allem gehen die Autoren ausführlich auf das frühe Christentum ein.
Das sich anschließende, mit "Einstellung zur sozialen Umwelt" betitelte Kapitel befasst sich mit Beziehungen innerhalb von Ehe und Familie, mit dem Aufbau der Gesellschaft und dessen religiöser Rechtfertigung, mit Gewalt und Recht, Sprachen und weiteren Themen. Die oft grundlegenden Veränderungen gegenüber der vorangegangenen Epoche werden hierbei besonders herausgestellt und begründet.
Ein weiteres Kapitel untersucht das Verhältnis des spätantiken Europäers zur Natur und zu seiner Umwelt, wozu auch Raum- und Zeitverständnis gehören. Abschließend erhält der Leser eine Zusammenfassung der wesentlichen Merkmale der betrachteten Epoche.

Was vor allem hinsichtlich der Ereignisse im Zuge der Völkerwanderung aus politischer Sicht wie eine Phase der Auflösung und chaotischen Entwicklung wirkt, präsentiert sich in diesem Buch kulturhistorisch als eigene Epoche, in der sich relativ rasch neue und stabile Werte etablierten. Das Menschen- und Gottesbild des Mittelalters, sein Rechtssystem, seine sozialen, hierarchischen und familiären Strukturen lassen sich nach der Lektüre von "Europa in der Spätantike 300-600" wesentlich besser verstehen, greifen sie doch recht unmittelbar auf die im Buch geschilderten Ergebnisse einer für kurze Zeit sehr dynamischen Entwicklung zurück. In deren Mitte stehen, wie erwähnt, das Christentum, vor allem dessen bedeutende Lehrer wie Augustinus und machtvolle Obere in der Kirchenhierarchie wie Papst Gregor I., sowie Einflüsse der in das Römische Reich eindringenden "Barbaren".
Die Autoren verfolgen sehr genau und gut nachvollziehbar die Änderungen der christlichen Haltung gegenüber zentralen Problemen wie Krieg und Frieden, die mit der Einsetzung des Christentums als Staatsreligion einhergingen, und zeigen auf, wie ein Menschenbild und eine Sichtweise von Staat und Gesellschaft aufkamen, die mit wenigen Abmilderungen das gesamte Mittelalter hindurch Bestand haben sollten. Geradezu repräsentativ sind diesbezüglich die in der vom Christentum geprägten Spätantike aufgekommenen extrem frauen-, kinder- und sexualfeindlichen Ideen, die sich teils sehr stark von jenen der vorangegangenen Epoche unterscheiden und dem modernen Menschen bestürzend, ja, geradezu unmenschlich erscheinen.
Sämtliche Kapitel bieten eine Fülle an bedeutenden Informationen in nicht zu trockener Aufbereitung. Die klare Gliederung der Kapitel in Themen und Unterthemen erleichtert das Verinnerlichen des Gelesenen; auf inhaltliche Brückenschläge wird natürlich trotzdem nicht verzichtet.
Hervorzuheben sind auch die zahlreichen in vorzüglicher Qualität abgedruckten Fotos von bemerkenswerten Kunstwerken, Gebäuden, Schriften und Gebrauchsgegenständen, auf die im Text meistens Bezug genommen wird.
Dieses Werk bietet einen ausgezeichneten, umfassenden Überblick über Kultur und geistig-ethische Haltung in der Zeit, die dem Mittelalter unmittelbar vorausging. Die Brüche zwischen der Hochzeit des römischen Imperiums und der Spätphase werden gründlich beleuchtet, und die Mentalität des Mittelalters erschließt sich dank dem Buch als logische Fortsetzung der Spätantike. Vor allem wird der Leser diese nicht mehr zwingend als Phase des Verfalls betrachten, sondern als einen notwendigen Übergang.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 01. August 2007 | ISBN: 9783896786241 | Preis: 34,90 Euro | 208 Seiten | Sprache: Deutsch

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