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 Seelenficker

Tagebuchroman vom Drogenstrich

Autoren: Natascha
Verlag: Ubooks

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Natascha ist jung, drogenabhängig und sie verdient sich ihr Geld auf dem Drogenstrich. Ihre Mutter schert sich einen Dreck um sie, ihre diversen "Stiefväter? sind lediglich darauf aus, sie zu missbrauchen, und ihr Zuhälter, der gleichzeitig ihr Dealer ist, betrachtet sie als sein Eigentum. Dies hat er ihr sogar schriftlich gegeben - mit einer Rasierklinge in den Arm geritzt.
Dabei hat auch Natascha Träume. Sie will Abitur machen, dem Milieu entfliehen und Kinder haben. Zumindest, falls sie den Babystrich überlebt; etwas, das ihr nicht sehr wahrscheinlich erscheint. Schließlich hat sie bereits einen Selbstmordversuch hinter sich. Betäubt von Drogen und dem leeren Gefühl in ihr, ritzt sie sich tiefe Wunden in die Haut, denn der Schmerz tut ihr gut. Er zeigt ihr, dass sie überhaupt noch etwas fühlen kann.
Ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle hält sie in einem Tagebuch fest. Es wird zu einem Spiegel ihrer Seele. So lange, bis sie auf dem Tiefpunkt ihres Lebens beschließt, einen radikalen Schnitt zu machen, um ihrer Drogensucht zu entfliehen. Auch wenn sie wenig Hoffnung in die Zukunft setzt, wagt sie es doch. Aber gelingt ihr auch, wovon andere nur träumen?

Der Roman ist die authentische Wiedergabe eines Tagebuchs, verfasst von der Protagonistin. Es handelt sich nicht um Fiktion, sondern um Nataschas wenig erfreuliches Leben. Dabei kann solch ein Tagebuchroman natürlich nur ein Ausschnitt sein, ein Fenster in eine Welt, die den meisten Lesern vermutlich unbekannt sein dürfte. Auch wenn sich diese Welt vor allem in Großstädten vor der eigenen Haustür abspielt.
Sicherlich macht der Roman betroffen. Man fühlt mit Natascha, sie tut einem Leid und man hat den Wunsch, ihr zu helfen. Ob ihre Narben jedoch zu Zeichen der Verletzung einer ganzen Gesellschaft werden, wie es der Rückentext beschreibt, sei dahingestellt. Obwohl sich die Herausgeber sichtlich Mühe gegeben haben, die Betroffenheit ihrer Leser noch ein bisschen anzustacheln. So geben sie im Nachwort an, dass sie das Tagebuch ungeschönt und nur in manchen Bereichen, etwa der Chronologie, bearbeitet haben, um die Lesbarkeit zu gewährleisten. Gleichzeitig bescheinigen sie de Buch aber auch eine gewisse literarische Qualität und Poesie.
Wo auch immer die Herausgeber diese Poesie sehen - dem Leser erschließt sie sich nicht sofort. Denn manches, was sich poetisch anhört, ist bei näherer Betrachtung nichts anderes als die traurige Selbsterkenntnis, zu der Junkies häufig neigen. Das Leben ist beschissen, andere sind Schuld an ihrem Elend und der Tod ist der große Erlöser. Immerhin, und dies muss man der Autorin zugute halten, erkennt sie auch ihre eigene Verantwortung. Da sie jedoch trotz all dem Leid, den Drogen und der Prostitution noch immer das Gymnasium besucht und gute Zensuren nach Hause bringt - was durchaus bemerkenswert ist - ist eine solche Selbsteinschätzung nicht so erstaunlich, wie es anfangs den Anschein hat. Und wenn sie schreibt, dass sie ihr Geld auch durch Jobben verdienen könnte, dazu aber keine Lust hat und lieber anschaffen geht, sinkt das Mitleid des Lesers um einige Grad.
Der Stil, in dem der Roman verfasst ist, kann als eher schlicht angesehen werden. Dies ist jedoch kein Nachteil, denn ausgefeilte Sätze und eine gehobene Wortwahl würden dem Text seinen Realismus nehmen. Die Autorin nennt die Dinge beim Namen, was dem Buch ein hohes Maß an Authentizität verleiht. Dies allein hätte bereits genügt, um dem Leser eindringlich Nataschas Situation vor Augen zu führen. Die handschriftlichen Schmierereien und Tintenkleckse, die vermutlich aus der Vorlage übernommen wurden und in einem gedruckten Buch sehr merkwürdig anmuten, wirken hingegen gewollt, fast schon künstlich und somit störend. Es wäre besser gewesen, auf diesen Kunstgriff zu verzichten.
Inhaltlich dreht sich der Stoff oftmals im Kreis, es gibt zahlreiche Wiederholungen. Dies ist wohl dem Leben der Autorin geschuldet, die sich zwischen miesem Elternhaus, Straßenstrich und Schule gefangen sieht und nur selten einen Ausbruch aus ihrem Elend erlebt. Schade nur, dass der Leser wenig über eben diese Ausbrüche erfährt. Vieles bleibt so im Dunkeln, obwohl man sich mehr Informationen wünscht.

Fazit: Ein schonungslos offenes Werk, das mit dem Finger auf eine Wunde unserer Gesellschaft zeigt. Nichts für zartbesaitete Naturen, aber dies ist das Leben an Orten, an denen sich die Autorin aufhält, auch nicht.

Gunter Arentzen



Taschenbuch | Erschienen: 1. September 2007 | ISBN: 9783866080683 | Preis: 9,95 Euro | 128 Seiten | Sprache: Deutsch

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