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 Irina Palm


Cover
Gesamt +++++
Action
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Extras
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Maggie ist eine in einem kleinen Vorort Londons lebende Witwe, die dringend Geld braucht. Ihr Enkel ist todkrank, seine einzige Heilung wäre eine Behandlung in Australien. Doch seine beiden Eltern sind völlig außerstande, das viele Geld für den Transfer dorthin und die Aufenthaltskosten aufzubringen.
Verzweifelt versucht die schüchterne Maggie also in London eine Arbeit zu bekommen - doch sie ist zu alt und sie hat nichts gelernt, drum will sie auch keiner haben. Ihre letzte Hoffnung ist es, als "Hostesse" in einem dubiosen Erotikclub anzuheuern. Dass sich darunter die Bearbeitung eines sogenannten Glory Holes verbirgt, eines Lochs in der Wand einer Kabine, durch welches einem Besucher des Clubs anonym die Nudel gerieben wird, ahnt sie nicht. Maggie ist schockiert, doch sie nimmt die Stelle und die Herausforderung an. Und siehe da, sie ist gut in ihrem Job und verdient richtig viel Geld! Ihren Künstlernamen, Irina Palm, hat sie schon bald weg, die Herren stehen vor ihrer Kabine Schlange, um bearbeitet zu werden. Doch wehe, wenn Maggies Sohn oder gar ihre Freundinnen von ihrer Arbeit erfahren sollten ...

Es klingt völlig absurd, nicht wahr? Solche Geschichten, die alle moralischen Hüllen fallen lassen und jeden Sinn für Anstand und Würde verwerfen, können sich doch nur die Briten ausdenken. Und das kann man nur lieben!
"Irina Palm" ist ein sehr merkwürdiger Film. Zuerst ist er ein sehr ernstes und ein ohne Frage recht deprimierendes Drama, das keine lächelnden Gesichter, keine bunten Farben und kaum Lichtblicke kennt. Und auf der anderen Seite ist der Film eine tiefschwarze Komödie, die ihre schüchterne Hauptfigur in unverschämte Situationen bringt. Wenn Maggie das erste Mal dabei zusieht, wie eine ihrer Kolleginnen einen Kunden abfertigt, was auf der Leinwand nur minimal abgedeckt wird, kann man gar nicht anders, als über die Absurdität der Situation zu lachen. Dementsprechend wird das fortgesetzt, wenn sie dann auf sich alleine gestellt ist und mit Hausfrauenschürze und Bild an der Wand in der kargen Kabine selbst zur Tat schreitet.
Doch "Irina Palm" ist weit davon entfernt, zur Aneinanderreihung von Wichswitzen zu verkommen. In diesem Film geht es tatsächlich um moralische Hüllen, um Anstand und Würde. Hier ist eine Frau, die für das Einzige, was sie noch wirklich liebt und lieben kann, das Einzige aufgibt, was sie noch hat - ihre Würde. Und wenn es ihr auch zunächst schwerfällt, so erstarkt sie dennoch daran und gewinnt an Selbstbewusstsein. Marianne Faithfull, die die Titelfigur spielt und zunächst die ganze Zeit über eine Flappe zieht, schafft es, ihre Figur im Laufe des Films ganz subtil zu verändern, ihren Gang, ihre Mimik, ihre Gesten, sodass die Entwicklung, die sie durchmacht, stets völlig glaubwürdig wirkt. Eine tolle Leistung!
Das Problem ist natürlich, dass andere ihre Würde im Verhalten Maggies ebenfalls bedroht sehen. Als ihr Sohn Tom von der Arbeit seiner Mutter erfährt, ist er außer sich, besteht sogar darauf, das Geld, das seinem todkranken Sohn das Leben retten könnte, abzulehnen. Wie gefangen wir doch alle in unserem eigenen Stolz und in der Sorge um unser eigenes Ansehen sind! Diese Seitenhiebe auf unser prüdes Verständnis von Moral, Anstand und Würde sind der Kern dieses Films.
"Irina Palm", so viel sollte demnach klar sein, ist ein bemerkenswerter Film. Kaum ein Streifen hat in letzter Zeit eine derartige Gratwanderung zwischen depressivem Drama und schwarzer Komödie geschafft, ohne dabei einzubrechen oder lächerlich zu wirken. Das große Herz von "Irina Palm" schlägt stets am rechten Fleck, und es ist ein sehr großes. Liebhabern besonderer, kleiner Filme sei die Geschichte dieser wichsenden Witwe deswegen, ahem, wärmstens ans Herz gelegt.

Aktuell ist der Film jedoch noch ein wenig teuer, denn technisch oder bei den Bonusmaterialien punktet die DVD von "Irina Palm" nicht sonderlich. Das Bild ist nicht besonders gut aufgelöst und bei dem einzig nennenswerten Extra, einer einstündigen Pressekonferenz mit den Machern des Films, muss man auch erst mal zehn Minuten bloßes Blitzlichtgewitter der Fotografen überspulen - wobei es irgendwie auch seinen Reiz hat, die gierige Journalistenmeute auf ihrer Jagd nach den besten Fotos zu beobachten. Lediglich der Ton des Films ist astrein und versetzt einen mit seiner Soundkulisse gelegentlich mitten hinein in einen Sexclub. Aber mittlerweile weiß man ja, dass man sich dafür nicht schämen braucht.

Julius Kündiger



DVD | Disc-Anzahl: 1 | Erschienen: 01. Dezember 2007 | FSK: 12 | Laufzeit: 99 Minuten | Preis: 20 Euro | Untertitel verfügbar in: Deutsch | Verfügbare Sprachen: Deutsch, Englisch

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