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 American Psycho


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Viele Menschen kennen dieses Buch gar nicht, kennen vielleicht die Verfilmung, vielleicht aber auch diese nicht. Der Titel jedoch sagt jedem etwas, zumindest habe ich noch niemanden getroffen, bei dem es anders wäre. Den Titel zu kennen, heißt aber nicht, zu wissen, worum es geht, wovon dieses Buch handelt.
Für diese Menschen und auch solche, die Hörbücher mögen, ist dieses Werk nun als Hörbuch auf 6 CD von Moritz Bleibtreu eingelesen worden.

Moritz Bleibtreu beginnt seine Lesung mit einem Vorwort von sich selbst, doch mit diesem kann man zunächst nicht viel anfangen. Zwar erzählt er, worum es in seinen Augen in diesem Buch geht und was es ihm persönlich bedeutet, es zu lesen, doch da man die Handlung noch gar nicht kennt, steht man diesen Worten etwas ratlos gegenüber.
Hört man dieses Vorwort allerdings zum Ende des Hörbuches noch einmal, so erkennt man, wie gut er es getroffen hat.

Seine Lesung ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, umso mehr, weil der Hörer sogleich in das Leben des Patrick Bateman geführt wird, der den größten Teil in der Ich-Perspektive schildert. Sofort wird man mit Leuten konfrontiert, mit einer schier endlosen Menge nutzloser Kleidungsdetails und ebensolchen Small Talks. Hat man sich damit abgefunden, wird man rasch feststellen, dass Herr Bleibtreu genau das richtige Tempo trifft, um all diese Dinge als beiläufig wahrgenommene Details aus Sicht von Patrick abgespult zu sehen, aber auch langsam genug spricht, dass man ein Bild von dem Geschehen entwickeln kann.

Die Handlung plätschert langsam dahin und ist zunächst vor allem langweilig. Einige Details wie rüdes Verhalten vor allem Frauen gegenüber, feindliches und aggressives Verhalten Obdachlosen gegenüber und die Zurschaustellung scheinbar dummer Menschen, die eben nicht genau wissen, welche Socken zu Nadelstreifen passen oder welches Restaurant gerade besonders angesagt ist, fallen auf und stechen als Randerscheinungen manchmal mitten ins Herz, aber ansonsten bemerkt der Hörer höchstens den hohen Wiedererkennungswert.
American Psycho wird oft nachgesagt, eine Kritik an den ausgehenden achtziger Jahren zu sein, doch im Grunde ist diese Kritik heute nicht weniger aktuell. Man selbst ertappt sich, manche Situation schon ähnlich erlebt zu haben wie Patrick oder einer seiner Bekannten, zumindest aber sind einem viele Dinge von eigenen Bekannten vertraut.
Im Mittelpunkt steht die Kleidung, das Auftreten, die Kenntnis angesagter Läden, Musik, Filme und die Ereignisse aus als besonders wichtig deklarierten TV-Shows. Man ist, was man hat oder zumindest das, als das man sich darstellen kann.

Moritz Bleibtreu liest gerade die unterschiedlichen Geschlechter so, dass man sie gut unterscheiden kann, spricht zornig, wenn die Wut in Patrick aufkocht, aber an sich liest er sehr gleichgültig und monoton. Was zuerst so wirkt, als sei er ein eher ungeeigneter Sprecher, entpuppt sich dann jedoch als absolut passend. Gleichgültigkeit ist ein zentraler Aspekt des Buches und genauso gleichgültig erzählt der Protagonist auch von seinen nächtlichen Plänen und Erfahrungen.
Nachts wird er zum Sadisten, zum Mörder. Eiskalt und scheinbar grundlos, aus purer Freude oder durch Nichtigkeiten inspiriert, foltert er Frauen, zerhackt einem Bekannten das Gesicht, setzt ein Bolzenschussgerät ein, Messer, seine bloßen Hände ... es ist ihm egal.
Ohne jede Vorwarnung wird der Hörer vom langweiligen Alltagstrott urplötzlich in eine vulgäre Sexszene, in Folter oder mitten in das Morden gerissen. Umso erschreckender und verstörender wirken diese Szenen, weil sie dieselbe Gleichgültigkeit besitzen wie alle anderen, aber auch, weil sie erschreckend detailliert beschrieben sind. Nichts wird ausgelassen, wirklich nichts - und gerade darum trägt das Hörbuch auch deutlich lesbar "Dieses Hörbuch ist für Kinder und Jugendliche nicht geeignet!" auf seinem Rücken.

Was bleibt, ist nicht einfach nur ein Hörbuch, nicht einfach nur Horror oder die Umsetzung perverser Phantasien.
Was bleibt, das ist ein Kunstwerk, das einem in der vielleicht einzig perfekten Form vor Augen führt, in welchen Kontrasten wir leben, was sie bewirken und wie einsam sie uns machen.
Letztlich wird nicht ganz klar, ob Patrick all diese Morde wirklich begangen oder nur erträumt hat, denn als er sie gesteht, glaubt ihm niemand. Ein weiteres Symptom einer krankenden Gesellschaft oder eher darauf zurück zu führen, dass er wirklich halluzinierte, wie die von ihm reichlich konsumierten Drogen, die ihm im Verlauf des Hörbuches ohnehin physisch und psychisch zunehmend zusetzen, vermuten lassen?
Was bleibt, ist aber auch ein verstörter oder vielleicht auch sehr nachdenklicher Hörer, denn man empfindet Mitleid. Ob nur mit den Opfern, ob mit dieser Art zu leben oder gar auch mit Patrick Bateman selbst - das muss jeder selbst entscheiden ...

Da gerade bei diesem Buch sehr widersprüchliche Emotionen beim Hörer geweckt werden, ist auch die Bewertung in Sternen womöglich etwas schwer nachzuvollziehen, weshalb ich meine Wertung gern etwas näher ausführen möchte.
Es gibt kleine Szenen, die einen bis ins Herz treffen und Mitleid erzeugen, darauf bezieht sich die Wertung des Gefühls - natürlich nicht auf die allgemein gleichgültige Haltung des Protagonisten selbst.
Ich habe lang nicht etwas derart Brutales gelesen und gehört wohl nie zuvor. Es passt, es gehört in dieses Hörbuch ebenso wie die langatmigen Markenaufzählungen, denn nur durch beides funktioniert dieses Werk - doch für Zartbesaitete ist das ganz sicher nichts.

Tanja Elskamp



CD | CD-Anzahl: 6 | Erschienen: 1. Juni 2005 | Laufzeit: 420 Minuten | Preis: 29,50 Euro

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