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 Scared to Death

From BSE to Global Warming: Why Scares Are Costing Us the Earth


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Etwa seit Mitte der Achtzigerjahre häufen sich beängstigende Vorfälle, die ein enormes Medienecho erzielen, Politiker und zuständige Beamte zu raschem Handeln zwingen und eine Vielzahl von Organisationen und Lobbys auf den Plan rufen. Bürger und Verbraucher stehen hilflos und verstört inmitten des Chaos, und bei vielen von ihnen kommt angesichts der Meldungen und der massiven Reaktionen seitens der Politik Panik auf.
Was aber steckt wirklich hinter diesen Vorfällen, die weltweit starke Ängste auslösen und nach einiger Zeit, ein paar Monaten oder wenigen Jahren, diskret unter den Teppich gekehrt werden?
Die Autoren des vorliegenden Buches gehen dem Phänomen der Massenängste unserer Zeit nach und untersuchen es anhand der folgenden "Scares": Salmonellen in Eiern, 1988-89; eine Unzahl von Betriebsschließungen im Nahrungs- und Gastronomiebereich aufgrund angeblich mängelbehafteter Hygiene, 1990-94; Listerien vor allem in Blauschimmelkäse, 1995; BSE, 1996-99; das belgische Dioxin-Debakel, 1999; der "Millenium Bug", 1999; angeblicher ritualisierter, kollektiver Kindesmissbrauch, 1987-94; Durchsetzung von Geschwindigkeitskontrollen auf Kosten von Alkohol- und Drogen-Kontrollen ("Speed Kills"); Blei; passives Rauchen, 1950-2007; Asbest; die globale Erwärmung. Im Anschluss findet sich ein Kapitel, das anhand eines Beispiels (Organophosphate als Schädlingsbekämpfungsmittel und Flugbenzinzusatz) im Gegenzug zeigt, wie "dank" starker Lobbys die Öffentlichwerdung von manchen echten Gesundheitsgefahren unterbunden wird.

Jeder gesundheits- und umweltbewusste Mensch wird im ersten Augenblick Empörung verspüren, wenn die genannten, größtenteils auch in Deutschland mit massiven Ängsten verbundenen Ereignisse einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Indes dürfte jedem politisch Interessierten aufgefallen sein, wie schnell hochgeschaukelte scheinbare Gefahren in der Versenkung verschwinden können, beispielsweise die Vogelgrippe, die das Buch nur am Rande streift, oder auch BSE.
In "Scared to Death" werden Fälle aus Großbritannien, zum Teil auch aus den USA herangezogen, von denen die meisten nicht minder große Wellen in Deutschland schlugen. Das Muster, wie solche "Scares" entstehen, ist in allen Ländern gleich und wird von den Autoren anhand der genannten Beispiele folgendermaßen definiert:
1.) Ein echtes Problem wird aufgebauscht, teils, indem man unterstellt, es sei Keim einer umfangreicheren Bedrohung.
2.) Die Bedrohung muss universell sein, sprich, direkt oder indirekt praktisch jedermann betreffen (Salmonellen in Eiern, Rindfleischkonsum und BSE, Klima).
3.) Es muss darin ein starkes Element der Unsicherheit enthalten sein. Das heißt, es liegen keine gesicherten Erkenntnisse hierzu vor, und Spekulationen werden Tür und Tor geöffnet.
4.) Die Bedrohung muss aus wissenschaftlicher Sicht plausibel erscheinen. Hier treten so genannte Experten auf, die jedoch meistens ein starkes Eigeninteresse an einem Fortbestehen der Bedrohung haben.
5.) Die Bedrohung muss von den Medien vorangebracht werden.
6.) Der Höhepunkt wird erreicht, wenn die Regierung Handlungsbedarf signalisiert.
7.) Schließlich kommt die Wahrheit heraus, und es zeigt sich, dass eine in der Tat vorhandene Mücke zum Elefanten gemacht wurde.

Die bestürzenden Trugschlüsse durch übereifrige oder geltungssüchtige Mitarbeiter von Behörden und Organisationen sowie zweitrangiger Politiker, gestützt von den auflagenhungrigen Medien und Lobbyisten aller Art, sind, wie die Autoren herausstellen, zentrales Element dieser Angstmaschinerie. Als Beispiel kann die Asbest-Hysterie dienen, bei der für zwei in ihrer Wirkung völlig unterschiedliche Mineralien nun einmal derselbe Oberbegriff, Asbest, existiert, weshalb für beide derselbe Maßstab angelegt wurde, ebenso der Glaube, in Blauschimmelkäse gefundene Listerien (Stäbchenbakterien) seien generell eine Bedrohung der Gesundheit - die nachweislich nur durch eine Art existiert, welche bei dem im Buch geschilderten Fall, der etliche renommierte Betriebe ruinierte, jedoch nicht auftrat.
Die Autoren Christopher Booker und Richard North sind intime Kenner der Materie. Booker als Journalist und North als ehemaliger Mitarbeiter entsprechender Behörden und Gremien haben die beschriebenen Fälle sämtlich als "Insider" miterlebt und daher auch erfahren, was kritischen Journalisten und Wissenschaftlern blüht, die sich mit den Ergebnissen aus seriösen wissenschaftlichen Untersuchungen und schlichter Logik gegen den Filz der Angstlobby wenden: Diffamierung und Mundtotmachung. Auch dies ist Gegenstand des Buchs.
Al-Gore-Fans werden das Buch nicht mögen, zeigt es doch auf, dass der ehemalige amerikanische Vizepräsident in einem Jahr mehr "klimaschädlichen" Strom verbraucht als der durchschnittliche Amerikaner im Monat, was er durch die Unterstützung eines Betriebs zur Erzeugung erneuerbarer Energien ausgleicht, an dessen Profiten er allerdings maßgeblich beteiligt ist. Honi soit qui mal y pense - ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt. Die Autoren weisen aber auch anhand rein wissenschaftlicher, wie sämtliche Kapitel von gut zugänglichen Quellen gestützter Argumentation nach, wie haltlos die aktuelle Klimapanik ist. Sie richten das Augenmerk des Lesers in allen Fällen auch auf die immensen Kosten an Geld und Arbeitsplätzen, für die der von Ängsten gepeinigte Steuerzahler ablassartig aufkommen muss, und auf die vielen individuellen, menschlichen Katastrophen in diesem Kontext. Und sie verweisen auf den Hexenwahn der frühen Neuzeit, der ähnliche Züge hatte wie unsere modernen, beinahe religiös anmutenden Neurosen.
Einseitig gehen sie jedoch nicht vor, wie das exemplarische Kapitel über das Totschweigen einer realen Gefahr zeigt, nämlich der nervenschädigenden Organophosphate, die Gesundheit und Berufsfähigkeit zahlloser Beschäftigter der Landwirtschaft und des Flugpersonals ruinierten.
Keine leichte Lektüre also, obwohl das Buch in gut verständlichem Englisch verfasst ist und keine wissenschaftlichen Vorkenntnisse voraussetzt. Nur vereinzelt schreitet die Argumentation für den unbedarften Leser etwas zu zügig voran. "Scared to Death" ist ein für den willigen, mediengläubigen Bürger unbequemes Buch, das wirklich miese Mechanismen und Manipulationen in Politik und Gesellschaft entlarvt und logisches (Um-)Denken einfordert. Doch es lohnt sich.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 1. Februar 2008 | ISBN: 9780826486141 | Preis: 25,99 Euro | 494 Seiten | Sprache: Englisch

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