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 Die Welt ohne uns

Autoren: Alan Weisman
Sprecher: Stephan Schad
Übersetzer: Hainer Kober
Verlag: Hörbuch Hamburg

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


"Die Welt ohne uns" ist der Versuch des amerikanischen Journalisten Alan Weisman, aufzuzeigen, was ohne den Menschen, seine Gegenwart, seine permanente Aktivität im Laufe der Zeit auf Erden übrig bleibt. Und es ist gleichzeitig eine Bestandsaufnahme der Umweltzerstörungen und Veränderungen, der Inanspruchnahme und Vernichtung der natürlichen Ordnung, die die Evolution ohne ein bewusst eingreifendes Wesen hat entstehen lassen.

Zu Beginn versucht Weisman jeden einzelnen Menschen mit in sein Gedankenexperiment einzubinden, indem er sich des Hauses, der Wohnung oder des Gebäudekomplexes annimmt, den der Leser und Hörer bewohnt. Wie lange bleibt ein Haus stehen, wie lange braucht die Natur, brauchen Wasser und natürliche Erosion, um daraus einen Haufen Schutt werden zu lassen?
In diesen Momenten offenbart Weisman ein herausragendes Talent, in meist einfachen Worten klar zu machen, dass nichts, was der Mensch gebaut hat, von Dauer ist. Jedenfalls fast nichts. Nach vielen Kapiteln, unzähligen Beispielen und Szenarien erläutert der Autor, was fast für die Ewigkeit von der Menschheit aus der Natur herausgelöst wurde. Die durch ungeheuer aufwendige Prozesse angereicherten Uran-Isotope, die der Mensch für Waffen, Kernkraftwerke und Forschung aus Millionen Tonnen Gestein herausgelöst hat, überdauern sogar den Fortbestand des Planeten selber und geben noch nach Milliarden Jahren ein strahlendes Zeugnis des Wirkens den Menschen ab.

Immer dann, wenn Weisman konkret belegt, wie sich Dinge, Bauwerke und Errungenschaften verändern werden, wenn der Mensch von einem zum anderen Tag nicht mehr zur Stelle ist, um zu erhalten, zu warten, zu korrigieren und zu reparieren, lauscht man fasziniert, ist schockiert und gleichzeitig nachhaltig beeindruckt. Ob es die gewaltige Stadtlandschaft New Yorks ist oder der von Weisman als die größte Leistung der Menschheit klassifizierte Panama-Kanal, riesige Brücken, gewaltige Ölraffinerien, Tunnelsysteme, Deiche und Dämme, Mauern, Salzkavernen oder die Portraits der US-Präsidenten in Mount Rushmore - Weisman hat mit immensem Fleiß Wissen gesammelt, Fachleute befragt und wissenschaftlich fundiert analysiert und minutiös aufgelistet, welcher Werkstoff wann, welche synthetische Verbindung wie und welche technischen Errungenschaften der Menschheit nach wie langer Zeit nicht mehr als solche zu erkennen sind und spurlos von der Erdoberfläche verschwunden sein werden. Er spannt dabei einen Zeitbogen von wenigen Tagen bis Jahrmilliarden.

Besonders elegant ist die Verankerung all dieser Szenarien in der Vergangenheit. Eine oft sehr ausführliche - manchmal fast langatmige - Schilderung der Bedingungen vor unserer Zeit dient Weisman als Basis, die Bedingungen zu formulieren, die nach uns herrschen könnten. Leider geraten einige dieser Beispiele zum Selbstzweck. Sie scheinen mehr der Kritik am jetzigen Zustand zu dienen denn dem virtuellen Projekt "Welt ohne uns". So ist es zwar leidlich interessant zu erfahren, wie sich der Panama-Kanal nach Jahren und Jahrzehnten in seine Bestandteile auflöst und schlicht aufhört zu existieren, doch die Dreiviertelstunde, die sich Weisman mit jedem Damm, jeder Pumpe und noch dem kleinsten Detail auseinandersetzt, ist überflüssig, langweilig und übergenau - das wollte man eigentlich so genau nicht wissen.

Auch die hämische, zynische, oft unangebrachte Kritik, die Weisman einfließen lässt, ist oft überzogen und dem Titel nicht angemessen. Hier wird Gesellschaftskritik geübt und nicht darüber nachgedacht, wie die Welt ohne uns aussehen wird.
Dies gipfelt im ultimativen Lösungsvorschlag des Amerikaners. Er postuliert, dass eine Geburtenkontrolle ähnlich der, die in China seit Jahrzehnten Realität ist, nämlich die "eine Frau ein Kind-These", alle Probleme beseitigen wird, die heute unser Weiterleben gefährden. Nach wenigen Jahrzehnten lebten dann nur noch knapp über eine Milliarde Menschen auf der Erde und das Paradies wäre nicht mehr weit. Bei aller Prägnanz dieses Vorschlags, - und Weisman wird fast zum Prediger dieser Utopie -: Dass die schiere Zahl der Menschen das eigentliche Problem ist und nicht der dem Luxus und dem uneingeschränkten Konsum geschuldeten Naturverbrauchs, ist zumindest fragwürdig. Aus einem ideologischen und psychologischen Problem eines der Quantität zu machen, mutet doch zu einfach an, um ernst genommen zu werden.

Doch abseits dieser mahnenden Worte schafft es Weisman auf sehr prägnante Weise, den Zuhörer wachzurütteln, ihm vor Augen zu führen, wie kurzlebig die Errungenschaften der menschlichen Gesellschaft sind und wie sehr sie - im wahrsten Sinne des Wortes - auf Sand gebaut sind. Er mahnt, rüttelt wach, macht nachdenklich und fasziniert darüber hinaus mit einer solchen Fülle an Fakten, dass man dieses Hörbuch mit Sicherheit mehrmals hören muss, um vieles erst richtig zu erfassen.

Dank eines sehr gut aufgelegten Sprechers Stephan Schad, der mit Verve, klarer Aussprache und sympathisch sonorer Stimme diesen in Teilen doch sehr schwierigen Text vorträgt, sind die zweihundertsechsundachtzig Minuten fast durchweg ein großes Hörvergnügen und jedem wissenschaftlich Interessierten zu empfehlen. Und selbst wenn man der politischen Botschaft Weismans nicht uneingeschränkt zustimmen kann oder will, ist er doch ein ausgezeichneter Journalist, der ein faszinierendes Gedankenexperiment fast bis zum Exzess analysiert und für den Leser und Hörer gekonnt aufbereitet hat.

Stefan Erlemann



CD | CD-Anzahl: 4 | Erschienen: 1. März 2008 | ISBN: 9783899034875 | Laufzeit: 286 Minuten | Originaltitel: The World Without Us | Preis: 22,95 Euro

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