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 Die Geschichte von Mutter und Vater

Autoren: Edvard Hoem
Übersetzer: Ebba D. Drolshagen
Verlag: Insel

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Als sechsjähriger Junge stellt Edvard Hoem seiner Mutter eine Frage, deren Antwort ihn fünfzig Jahre lang nicht loslassen und schließlich der Aufhänger für sein Buch "Die Geschichte von Mutter und Vater" sein wird.
Der kleine Edvard hat gerade entdeckt, dass es etwas gibt, das Lieben heißt. Um zu sehen, was es mit diesem Wort auf sich hat, fragt er seine Mutter: "Mama, liebst du den Papa?" In der Reaktion seiner Mutter erkennt Edvard nicht nur die Besonderheit des Wortes Liebe, sondern auch, dass es im Leben seiner Eltern etwas gibt, worüber nicht gesprochen wird.

Circa fünfzig Jahre später macht sich Edvard Hoem auf die Suche nach den Menschen, die seine inzwischen verstorbenen Eltern einmal waren. Er schreibt von ihren Hoffnungen auf ein Leben außerhalb der bäuerlichen Arbeit, Disziplin und Enge. Während sein Vater als Laienprediger mit einem Fahrrad quer durchs Land zieht, arbeitet seine Mutter als Hausmädchen. Im Frühjahr 1944 verliebt sie sich in einen deutschen Soldaten, wird schwanger und sitzen gelassen. Als Edvard auf sie und ihre Geschichte trifft, will er sie heiraten. Doch das junge Mädchen ist noch immer in den deutschen Soldaten verliebt und so geht einige Zeit ins Land, bevor sie dem Werben des Predigers nachgibt und seine Frau wird.

In Norwegen wurde das Buch bereits kurz nach seinem Erscheinen zum Bestseller - kein Wunder, stehen doch die Geschichten der Eltern stellvertretend für mindestens eine Generation norwegischer Bauern. Das Buch vereint also Zweierlei: zum einen die individuelle "Geschichte von Mutter und Vater", zum anderen aber auch eine Geschichte der norwegischen Gesellschaft und des norwegischen Lebens einer Zeit, die geprägt ist von Armut und harter Arbeit, von Tradition und christlichem Glauben, vom Zweiten Weltkrieg und deutscher Besatzung. So spürt Hoem auf sehr liebevolle Art und Weise den Geschichten seiner Eltern nach und zeichnet zugleich ein Bild des Lebens im ländlichen Norwegen der dreißiger und vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Langsam, zärtlich und leise nähert sich der Autor dem Leben zweier Menschen an, die ihm nahe stehen, nicht jedoch dem Leser. Ein grundsätzliches Interesse an individuellen Lebenswegen sollte man also haben, wenn man dieses Buch mit Freude lesen will. Nicht jeder wird der ruhigen Art des Autors viel abgewinnen können oder auch der Geschichte zweier Eltern, die in einem Norwegen aufwachsen, das es nicht mehr gibt.

Allen anderen aber sei "Die Geschichte von Mutter und Vater" sehr empfohlen, denn Hoem schreibt gefühlvoll, aber nicht pathetisch. Sein Buch rührt den Leser, wirkt aber niemals rührselig. Die beiden Hauptfiguren werden immer liebevoll betrachtet, nicht jedoch unkritisch oder unreflektiert. Hoem schafft mit seiner Sprache eine schöne Balance zwischen Distanz und Nähe. So wird die Suche für den Leser nachvollziehbar und zugleich wird die Geschichte der Eltern aus ihrer Individualität herausgehoben und steht exemplarisch für eine ganze Generation. Zudem ermuntert das Buch den eigenen Eltern neu zu begegnen, ihre Träume und Hoffnungen zu ergründen, ihre Lebenswege nachzuzeichnen und sie so vielleicht neu oder anders zu verstehen.

Katja Maria Weinl



Hardcover | Erschienen: 1. September 2007 | ISBN: 9783458173595 | Originaltitel: Mors og fars historie | Preis: 19,80 Euro | 221 Seiten | Sprache: Deutsch

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