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 Taxi

Autoren: Karen Duve
Verlag: Eichborn Verlag

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Alex Herwig weiß nicht so recht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Da kommt ihr eine Zeitungsannonce, in der auch ausdrücklich weibliche Taxifahrer gesucht werden, gerade recht - immerhin eine Möglichkeit, die Zeit bis zum Studium oder was auch immer zu überbrücken.
Alex weiß nicht, dass sie mehr als fünf Jahre lang in den Mikrokosmos der Taxifahrer eintauchen wird, diese Welt aus gescheiterten Existenzen, ewigen Nachtschichten, hässlichen, stinkenden Fahrgästen und kuriosen Erlebnissen. Fortan ist das Taxi ihr Lebensraum, und Nacht für Nacht kutschiert sie Fahrgäste bis zum frühen Morgen durch Hamburg, darunter viele Nutten, Zuhälter und Besoffene, aber auch fiese Anzugträger, nette alte Damen und schicke Business-Weibchen.
Schließlich kommt sie mit Dietrich zusammen, der ebenfalls Taxifahrer ist - wie könnte es anders sein? Andere Freunde als Taxifahrer hat Alex nicht mehr. Die Beziehung ist nicht das, was sie will, eigentlich erträgt sie es nicht, mit jemandem länger als zwanzig Minuten das Leben zu teilen. Aber die Jahre vergehen, Alex ist immer noch Taxifahrerin, immer noch widerwillig Dietrichs Freundin und wird immer depressiver. Sie schläft mit den falschen Männern und schreckt vor nichts mehr zurück, als den entscheidenden Schritt zu wagen und etwas zu verändern. Dann ist da noch Marco, der kleinwüchsige Psychologiestudent, doch der will mehr von Alex, als sie ihm geben kann …

Nach Ausflügen ins Fantasy- und Kinderbuchgenre ("Die entführte Prinzessin", "Thomas Müller") hat Karen Duve wieder einen Roman geschrieben. Die Autorin ist selbst über dreizehn Jahre lang Taxi gefahren und berichtet somit quasi aus erster Hand. "Taxi" ist eine lakonische, unterhaltsam erzählte Mischung aus Episodenroman, Selbstfindung, Milieustudie und beinharter Realität. Die Episoden, die in den Achtziger Jahren angesiedelt sind, beginnen überwiegend komisch, sind leichtfüßig erzählt und machen süchtig nach mehr. Doch je weiter die Seiten und damit die Jahre voranschreiten, umso mehr offenbaren für Alex der Job, das nächtliche Hamburg und das Leben selbst ihr hässliches Gesicht. Man merkt im Lesefluss gar nicht so recht, wo Karen Duves Plauderton die Erzählung auf einmal verändert hat und wo sie plötzlich nicht mehr locker-lustig ist, sondern teilweise traurig und böse, in jedem Fall aber viel tiefer gehend als eine bloße kuriose Episodensammlung.
Alex, eigentlich patente, kluge Protagonistin in diesem Roman, immer bemüht, sich in dieser von Männern dominierten, gierigen Welt nicht unterbuttern zu lassen, wird depressiv, ist unzufrieden mit ihrem Job, mit ihren Beziehungen, mit ihrem Leben. Alex ist krankhaft entscheidungsunfähig und von der Angst besessen, dass sie, wenn sie einmal eine falsche Entscheidung trifft, lebenslang dafür büßen wird. Dass sie ihr Leben bereits ruiniert, indem sie einfach passiv verharrt, fällt ihr nicht auf. Um nichts ändern zu müssen, verzichtet sie nicht nur auf Geld - das immer weniger wird, je mehr ihre Erschöpfung und Depression zunehmen -, sondern zunehmend auch auf ihre Würde. Am Ende gibt es dann aber doch eine Erlösung, die die Story noch einmal herumreißt und dem Leser dann auch wieder ein Schmunzeln gönnt.

"Taxi" von Karen Duve kann man in einem einzigen Rutsch durchlesen. Das Buch ist grandios unterhaltsam und vor allem das Insider-Wissen rund ums Taxifahren ist sehr interessant - eine Vier-Sterne-Wertung. Aber für das skurrile Ende, in dem Alex endlich eine Wende herbeiführt, gibt es noch einen Zusatzstern!

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. Mai 2008 | ISBN: 9783821809533 | Preis: 19,90 Euro | 313 Seiten | Sprache: Deutsch

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