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Voice over IP - Telefonie der Zukunft

"Das Pferd frisst keinen Gurkensalat!" war der erste Satz, der im Jahre 1860 auf dem elektrischen Weg übertragen wurde. Damit legte der deutsche Physiker Johann Philipp Reis die Grundlage für das heute nicht mehr aus der Gesellschaft wegzudenkende Telefon. Nach vielen Entwicklungen und Erfindungen begann in den 1980er Jahren die Standardisierung von ISDN. Seit dem Anfang des neuen Jahrtausends begann sich eine Entwicklung auf dem Telefonmarkt immer weiter durchzusetzen, welche die Telefonie mit dem World Wide Web (WWW) verbindet: Voice over IP oder kurz VoIP genannt findet in immer mehr Unternehmen und Haushalten Einzug. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Wie wird es realisiert? Und welche Probleme birgt die neue Technik derzeit noch?

Technik

Bei VoIP wird die Sprache in kleine Pakete verschnürt und auf den Weg durch die Welt des Internets geschickt. Dies geschieht ähnlich wie bei einer E-Mail oder anderen Daten. Dabei hat die Telefonie allerdings die zusätzliche Anforderung, dass dies in Echtzeit passieren soll, denn wer möchte schon zwei Minuten am Telefon auf eine Antwort warten müssen, wenn er eine Frage gestellt hat? Diese Anforderung und alle weiteren Aufgaben werden dabei von Protokollen übernommen, die durch verschiedene Standards definiert sind. Die beiden bekanntesten Standards heißen H.323 und SIP. Dabei hat sich in den letzten Jahren SIP (Session Initiation Protocol) durchgesetzt, da es von seinem Aufbau her sehr an eine E-Mail erinnert, was der Technik des Internets sehr entgegen kommt. Die Übertragung der Daten in Echtzeit werden dabei unter anderem von den Protokollen RTP (Realtime Transport Protocol) und RTCP (Realtime Transport Control Protocol) gesteuert und kontrolliert. Während das RTP die Sprache in kleine Pakete verschnürt, mit einem eindeutigen Kopf versieht und auf die Reise schickt, ist das RTCP dafür zuständig, die in willkürlicher Reihenfolge ankommenden Pakete zu ordnen und gleichzeitig Rückmeldungen an das Gerät des Sprechers über die Qualität der Übermittlung zu geben. SIP definiert noch einige Komponenten wie beispielsweise den User Agent, welcher das Endgerät zur Telefonie - also Telefon, Computer oder ähnliches - darstellt, oder den Proxy Server, welcher die einzelnen Pakete weiterleitet. Meist passieren die Pakete eine Vielzahl von solchen Servern, da die Pakete nicht auf dem direkten Weg über eine speziell für ein Telefonat genutzte Leitung zwischen den Personen hin und her gehen, sondern vielmehr mit einer Zieladresse ohne Straßenkarte auf die Reise geschickt werden in der Hoffnung, dass Einheimische (in diesem Fall Proxy Server) die Pakete schon richtig weiterleiten, so dass diese ihr Ziel auch erreichen.

Hard- und Software

Es gibt mittlerweile sehr viele Hard- und Software für VoIP auf dem Markt und im Internet. Dabei gibt es einige OpenSource-Software wie beispielsweise Asterisk, welche sich wachsender Beliebtheit erfreut. Die erste Software allerdings war Skype, das ähnlich einem Messenger funktioniert. Allerdings ist Skype nicht kompatibel mit SIP oder H.323, sondern nutzt seine eigenen Protokolle, welche der Öffentlichkeit leider nicht einsehbar sind. Durch die Verbreitung solcher proprietärer Software wird die Verbreitung von Voice over IP allerdings erschwert, da die direkte Anbindung an SIP-basierte Systeme nicht möglich ist.
Doch Voice over IP ist nicht nur für Telefonie am PC geeignet, sondern kann auch über altbekannte Telefone oder ganze Telefonanlagen genutzt werden. So hat beispielsweise die Deutsche Telekom im Sommer 2006 ein Sonderangebot gehabt, bei welchem man eine Telefon- und Internetflatrate erwerben konnte, wobei die Telefonie auf Voice over IP basierte. Die Anbindung an das klassische analoge Telefonnetz und ISDN ist durch verschiedene Übersetzer möglich, die zwischen den unterschiedlichen Netzen vermitteln.

Einsatz und Vorteile von Voice over IP

Seit knapp zwei Jahren gibt es immer mehr Angebote für Privathaushalte, welche auf Voice over IP basieren. Doch obwohl es einige Vorteile für Privatanwender bietet, verbreitet sich Voice over IP schneller bei Unternehmen und an Hochschulen. Obwohl die Investition beim Umstieg von ISDN auf Voice over IP für ganze Unternehmen sehr groß ist, bauen sehr viele Unternehmen bereits heute auf diese neue Technologie, da Voice over IP mit Fax, Internet, E-Mail und einigen anderen Services verbunden werden kann und dadurch im Endeffekt nur noch eine Breitbandanbindung benötigt wird. Ebenso fällt eine große Telefonanlage und deren regelmäßige Wartung weg, wodurch natürlich auch eine Menge Kosten gespart werden können. Hinzu kommen die geringen Gesprächskosten, die man mit Voice over IP erzielen kann. Vor allem bei Gesprächen ins Ausland ist die Senkung der Gesprächskosten im Vergleich zu älteren Telefonstandards auch für Privatpersonen sehr deutlich: Wenn beispielsweise zwei Personen Skype nutzen, können sie kostenlos miteinander telefonieren, egal wo sie sich auf der Welt befinden.
Was die meisten Menschen nicht wissen ist, dass Voice over IP unabhängig von Unternehmen und Haushalten bereits sehr erfolgreich eingesetzt wird. Denn bei Ferngesprächen wie beispielsweise einem Telefonat in die Vereinigten Staaten wird bereits seit einigen Jahren Voice over IP genutzt. Dies hat vor allem den Vorteil, dass sehr viele Gespräche über die gleiche Leitung laufen können und somit weitere Kosten gespart werden. Die Nutzer mit dem Telefon am Ohr bekommen davon allerdings nichts mit.
Ein weiterer Vorteil im Vergleich zur analogen Telefonie ist die gleichzeitige Nutzung mehrerer Medien wie Telefon und Internet. Wer einmal einen analogen Anschluss hatte und seine Internetverbindung über ein Modem steuern musste, weiß, wie ärgerlich es sein kann, wenn man für zwei Stunden im Internet ist und in dieser Zeit nicht per Telefon erreichbar ist. Ebenso kann man während eines Telefonats im Zeitalter des Internets nicht "mal schnell nebenbei" etwas im Internet nachschauen oder eine E-Mail schreiben. Dies wurde bereits mit Hilfe von ISDN realisiert, allerdings bietet Voice over IP den zusätzlichen Vorteil vieler verschiedener Features wie beispielsweise die Nutzung der SIP-Adresse - welche wie eine E-Mail-Adresse aufgebaut ist - als E-Mail-Adresse, so dass man sich für die Zukunft nur noch eine Adresse oder Nummer merken muss und nicht drei E-Mail-Adressen und vier Rufnummern für eine Person irgendwo abspeichern muss.

Problematiken von Voice over IP

Obwohl Voice over IP bereits einige Millionen Nutzer erreicht hat, steckt diese neue Technologie immer noch in den Kinderschuhen. Und wie es nun einmal bei Kindern so ist, muss auch diese Technologie noch reifen, bis sie sich letztendlich durchsetzen kann. Voice over IP benötigt beispielsweise einen DSL-Anschluss, um eine einigermaßen vernünftige Qualität der Übertragung zu gewährleisten. Doch gibt es auch in Großstädten wie zum Beispiel Lübeck noch immer Stadtteile, in denen noch kein DSL verfügbar ist. Wenn man allerdings von DSL als Standard ausgeht und dann die Nutzung von Voice over IP betrachtet, gibt es trotzdem noch einige Problematiken, welche voraussichtlich erst in den kommenden Jahren kontrolliert werden können.
Wie bereits erklärt, werden die Pakete auf unterschiedlichen Wegen auf die Reise gesetzt. Durch das Passieren verschiedener Schnittstellen, an denen unterschiedlich viel Betrieb herrscht - der Vergleich mit Stau auf der Autobahn ist dabei wohl doch sehr nahe liegend -, kommen die Pakete auch zu unterschiedlichen Zeiten beim Empfänger an. (Schicken Sie einmal zwei Autos von Deutschland nach Italien. Das erste Auto fährt über die Schweiz, das zweite über Österreich... Sie werden selbst bei gleicher Kilometeranzahl niemals gleichzeitig eintreffen.) Wenn es sich dabei um einen Bereich von bis zu 400 Millisekunden handelt, dann ist die Sprachqualität noch akzeptabel. Bei größeren Schwankungen kommt es allerdings zu großen Verlusten bei der Sprachqualität bis hin zur Unfähigkeit, ein Gespräch zu führen.
Selbst wenn die Schwankungen sehr gering sind, muss man immer die Zeit der Reise bedenken, den die Pakete benötigen, um von einem Gerät zum anderen zu kommen, denn jede passierte Netzwerkkomponente gibt den Paketen ihren ganz individuellen Header, also Kopfteil. Dabei müssen die Pakete mit dem ersten Kopfteil beim Absender verpackt werden. (Ohne Kleidung wird keine Frau und auch nur selten ein Mann in Urlaub fahren wollen.) Bei den Zwischenstationen wird dann der Header ausgewertet und ein neuer Header hinzugefügt. (An der einen Tankstelle kommt eine Cola dazu, um wach zu bleiben auf der Fahrt, und am Zoll wird dann auch erst mal noch kontrolliert, was man im Auto hat.) Und auch beim Empfänger müssen die Header ausgewertet und die kodierten Daten wieder in Sprache übertragen werden. (Manche Menschen fragen sich dann meist am Urlaubsziel angekommen, wie man so viele Sachen in einen solch kleinen Koffer bekommen kann.)
Ebenso kann es immer passieren, dass einzelne Pakete verloren gehen oder einfach zu spät eintreffen und bereits vom RTCP als verloren aufgegeben wurden. Dabei wird die Grenze der akzeptablen Qualität auf 5 % Verlust gesetzt. (Den Vergleich mit den Autos erspare ich Ihnen.)
Die Auswirkungen der Problematiken schlagen sich meist auf der Sprachqualität nieder. Der Nutzer von Voice over IP merkt dies meist an einem höchst nervenden Echo oder Knacken und Rauschen in der Leitung. Allerdings kann es in extremen Fällen auch zur Unterbrechung von Telefonaten oder kurzen abgehackten Gesprächsfetzen führen, die nur noch wenig Sinn ergeben.

Fazit:

Voice over IP wird bereits heutzutage erfolgreich eingesetzt und bietet entscheidende Vorteile, welche für sich sprechen. Vor allem die in fast allen Bereichen sinkenden Kosten ziehen die Kunden an. Allerdings gibt es auch noch einige Problematiken bei der Übertragung und die vielen verschiedenen Standards und Implementierungen behindern die Standardisierung von Voice over IP, da sie teilweise nicht zueinander kompatibel sind und sich ein neugieriger Nutzer erst einmal durch eine großen Berg von Informationen wühlen muss, bis er auf nützliche Informationen stößt. Die Vereinheitlichung und das Abstimmen der verschiedenen Systeme ist wohl ein Wunschtraum vieler Informatiker, allerdings wird dabei der Konkurrenzkampf der kommerziellen Anbieter einen unüberwindbaren Stein in den Weg rollen. Im Endeffekt werden sich die stärksten Standards durchsetzen und den allgemeinen VoIP-Standard definieren.
Voice over IP ist die Telefonie der Zukunft, deren Tage bereits begonnen haben.

Vera Schott