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Fotografen und ihre Themen im Wandel der Zeit

Einige Namen großer Fotografen kennt sicher jeder Fotofreund, allen voran vielleicht Helmut Newton (1920-2004), der die berühmtesten Models in üppigem, dekadentem Ambiente inszenierte und so außergewöhnliche Akte mit Persiflagecharakter produzierte, sich jedoch auch auf eindrucksvolle Portraits verstand. Oder Richard Avedon (1923-2004), jahrzehntelang gefeierter Modefotograf und Portraitist, der unter anderem ein gewaltiges Projekt umsetzte, in dessen Rahmen er 752 Personen aus dem Westen der USA fotografierte; bisweilen fertigte er auch provozierende Bilder an wie der Doppelakt von Peter Orlowski und Allen Ginsberg in einer Umarmung.
Extravagant und vielseitig war auch Herbert List (1903-1975), der viele Künstler des 20. Jahrhunderts, aber auch griechische und italienische Orte auf Film bannte.

Henri Cartier-Bresson (1908-2004) wurde als "Auge des Jahrhunderts" bezeichnet (Pierre Assouline) und schuf nicht nur Fotografien von historischer Bedeutung, sondern brachte zudem durch seinen "siebten Sinn" für Motive und Bildgestaltung, für geometrische Figuren und Anordnungen bemerkenswerte Werke hervor. Und wer sich für Fotografie interessiert, kennt sicher auch Man Ray (1890-1976), einen Grenzgänger zwischen den verschiedenen künstlerischen Disziplinen.
Robert Capa (1913-1954) gilt als erster und wohl berühmtester Kriegsfotograf im eigentlichen Sinne. Er begann im spanischen Bürgerkrieg damit, Kampfhandlungen, aber auch das Leid der Flüchtenden und Sterbenden zu dokumentieren, und wurde in Nordvietnam selbst Opfer einer Landmine.

Manche Fotografen haben heftige Kontroversen ausgelöst, so zum Beispiel Robert Mapplethorpe (1946-1989), der florale Stillleben schuf und berühmte Persönlichkeiten portraitierte, jedoch auch seine exzessiven sexuellen Vorlieben künstlerisch verarbeitete.
Auch der Tscheche Jan Saudek (*1935) besticht durch Eigenwilligkeit; seine Akte präsentieren reale Frauen mit körperlichen Makeln, keine verfremdeten, allzu schönen Modelle.

Zu den großen, extravaganten Fotografen gehört zudem Hiroshi Sugimoto (*1948), der Wachsfiguren historischer Persönlichkeiten statt lebender Zeitgenossen, Meere ohne meteorologische Auffälligkeiten und weitere Motive bevorzugt, die seine Nähe zum Zen aufzeigen.

Zu nennen sind außerdem Frauen wie Dorothea Lange (1895-1965), die sich mit ihren Arbeiten für Menschen in Not einsetzte und unter anderem die schrecklichen Folgen der Dürre in Oklahoma während der 30er-Jahre dokumentierte, und die 1949 geborene, ungemein vielseitige Annie Leibovitz, die nicht zuletzt auch mit ihrem schillernden Privatleben auf sich aufmerksam machte und derzeit eine Zwangsversteigerung ihres Besitzes befürchten muss; Leibovitz hat eine Fülle an prämierten, weithin berühmten Fotos produziert, nicht zuletzt jenes von John Lennon und Yoko Ono kurz vor Lennons Ermordung und einen Akt der schwangeren Demi Moore. Doch auch die berühmte, umstrittene Leni Riefenstahl (1902-2003) darf nicht unterschlagen werden. Als Filmerin tat sie sich zunächst im Dritten Reich hervor und wurde bekannt durch ihre Reichsparteitags- und Olympiafilme. Nach dem Krieg machte sie als Fotografin Karriere, insbesondere mit ihren Aufnahmen vom Volk der Nuba im Sudan.
Nicht außen vor blieben sollte darüber hinaus die zumindest innerhalb Deutschlands bekannte Presse-Fotografin Barbara Klemm (*1939), die viele markante Ereignisse ab der Nachkriegszeit dokumentierte. Erst vor Kurzem würdigten Ausstellungen in Frankfurt ("Straßen Bilder") und Wiesbaden (Bilder vom Mauerfall) ihre Leistung. Persönlichkeiten aus Politik und Kultur der Bundesrepublik Deutschland wurden auch von Liselotte Strelow (1908-1981) portraitiert.

Diese kurze Aufzählung soll und kann weder objektiv noch repräsentativ sein, vermag aber hoffentlich Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem Werk großer Fotografen zu bieten.
Man muss jedoch nicht unbedingt in die Vergangenheit schweifen, um gute Fotografen kennenzulernen. Einige von ihnen, die ein bedeutendes Gesamtwerk geschaffen haben, hat Jacqueline Esen in einem Interview im Rahmen dieses Foto-Specials erwähnt.
In letzter Zeit sind vermehrt Foto-Bildbände von jüngeren und/oder (derzeit noch) weniger berühmten Fotografen erschienen, die sich hinter den Altmeistern nicht verstecken müssen und vor allem mit ungewöhnlichen Motiven und Sichtweisen aufwarten; etliche von ihnen leben in Deutschland. Einige dieser Bücher wurden bei Media-Mania.de besprochen; mehrere Fotografen, deren Werke sie enthalten, sollen hier kurz vorgestellt werden.

Unter anderem überzeugt Boris Becker (*1961) aus Köln, der sich jahrelang außergewöhnlichen Themen wie Hochbunkern und so genannten Fakes (Dinge, die nicht das sind, was sie vorgeben zu sein) gewidmet hat. Einen außergewöhnlichen Schwerpunkt kann auch die Amerikanerin Vicki Topaz vorweisen: Sie hat sich mehrere Jahre hindurch mit den "Colombiers" beschäftigt, verfallenden großen, oft Hunderte Jahre alten Taubenschlägen auf französischen Landgütern.
Der russisch-deutsche Nachwuchskünstler Andrej Krementschouk (*1973) hingegen wurde durch Aufnahmen aus seiner früheren russischen Heimat bekannt, teils romantisch bis impressionistisch inspiriert (und nicht immer ohne Ironie), teils hart und realistisch. Im Buch "Grenzfälle/Falling Barriers" arbeiten sechs Presse-Fotografen aus der ehemaligen DDR das Thema der innerdeutschen Grenze künstlerisch und dokumentarisch auf.
Morbide mag das Debüt des Fotografen Daniel Brembor wirken, der in "Aus dem Dunkel bricht das Licht" Skulpturen und andere Elemente aus einem Hamburger Friedhof präsentiert.

Um Menschen in ihrer angestammten Umgebung geht es Frank Gaudlitz, der unter anderem Portraits von unterschiedlichsten Personen und ihren Wohnzimmern in zwei Büchern veröffentlicht hat, die entlang der Donau östlich von Österreich beziehungsweise in den neuen südöstlichen Mitgliedsstaaten der EU sowie in der Republik Moldau aufgenommen wurden.
Oliver Mark (*1963) ist ebenfalls Portraitist, doch er bildet seine Modelle – Politiker, Künstler und andere Personen des öffentlichen Lebens – zumeist in höchst unkonventionellen Posen und Situationen ab.

Fazit: Die Technik in der Fotografie hat sich massiv geändert. Seit digital fotografiert wird, scheint nichts mehr unmöglich. Trotzdem sind es die Motive und die Inszenierungen, die fesseln, die zählen. Eine Vielzahl an Fotografen widmet sich dem Menschen selbst. Andere nehmen seine Umgebung ins Visier – oder den Menschen in seinem privaten Umfeld. Daran hat sich nichts verändert. Es gibt jedoch auch spannende Nischen, die einen Fotografen mitreißen und an sich binden können – so nachdrücklich, dass er auch seine Betrachter zu fesseln vermag. Entsprechende Veröffentlichungen findet man erst seit wenigen Jahren häufiger. Es lohnt sich jedoch, solchen Werken Aufmerksamkeit zu schenken, erweitern sie doch unseren Horizont, ermöglichen sie letztlich eine differenzierte Sicht auf Dinge, die wir andernfalls nicht einmal flüchtig zur Kenntnis nehmen würden. Man darf neugierig sein, wohin uns eine neue Generation von aufmerksamen und kreativen Fotografen entführt!

Quellen:
"50 Fotografen, die man kennen sollte" von Peter Stepan, Prestel, München 2008;
Wikipedia;
verschiedene seriöse Websites zu den Fotografen sowie Rezensionen bei Media-Mania.de.

Regina Károlyi, 28.02.2010