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Tagebuch von der Frankfurter Buchmesse 2009

Dieser Beitrag ist ein Auszug des Media Mania Magazins vom Dezember 2009 mit dem Schwerpunkt "Lesen". Zum Magazin

Mittwoch, 14.10.09, 20:15 Uhr

Die Frankfurter Buchmesse ist eröffnet. Der erste Tag ist vorüber. Ich sitze vor meinem Laptop und verfluche die Tatsache, mich zu einen persönlichen Bericht über die Frankfurter Buchmesse 2009 bereit erklärt zu haben. Warum persönlich? Ganz einfach: Alles andere wäre langweilig, immerhin sind die Fakten schon seit einigen Wochen bekannt! Dass das Gastland China ist, weiß mittlerweile jeder und die Hallenanordnung interessiert keinen. Zudem werden seit der Eröffnungsfeier Stars und Möchtegern-Stars, Politiker und Verlagsmenschen gefilmt und mit wenig Zeitverzögerung im Fernsehen gezeigt. Also habe ich mich zu einem persönlichen Erfahrungsbericht entschlossen.

Heute um 8:45 Uhr habe ich den Eingang zum Messegelände passiert und erschien pünktlich um 9:00 Uhr beim ersten Verlag. Um 10:00 Uhr hatte ich mein erstes Interview: Heike Koschyk, die mit „Pergamentum“ einen historischen Krimi geschrieben hat, in dem Hildegard von Bingen eine große Rolle spielt. Das Buch wurde mir von meiner Ansprechpartnerin beim Aufbau Verlag empfohlen. Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Präzision sie Titel für mich aussucht, die mich wirklich ansprechen. Fast könnte man auf die Idee kommen, dass sie mein Leben recherchiert hat. Woher sollte sie sonst wissen, dass ich auf dem Hildegardis-Gymnasium in Bingen war?

Meine Kooperationspartner vom Yotta Player kamen zu spät zu dem Interview, sodass ich bereits um 11:00 Uhr zu spät für meinen nächsten Termin war und mich fragte, wie ich es schaffen sollte, die restlichen Termine, die ich bis einschließlich 17:00 Uhr hatte, zeitlich wahrzunehmen. Egal, weiter ging es in Siebenmeilenstiefeln – besser gesagt: als Turnschuh-Liebhaberin auf Absätzen – zur Gourmet Gallery. Die Gourmet Gallery war im Vorfeld groß angekündigt worden und ich hatte mich sehr darauf gefreut. Wer sich einmal mein Profil anschaut, wird dort an die 200 Rezensionen zu Kochbüchern finden. Also musste die Gourmet Gallery ein Paradies für mich sein. War es auch. Jede Menge hochkarätiger Kochbücher standen fein arrangiert in den Regalen, daneben war die großzügige Showküche zu finden und viele begeisterte Besucher. Einzig der Standort hätte besser gewählt sein können: Kommt man nämlich von den Hallen mit den Schwerpunkten „Literatur und Sachbuch“ muss man erst einmal durch zwei Hallen mit internationalen Verlagen, bevor man die Gallery ganz am Ende entdeckt.

Apropos Kochen: Mein persönliches Highlight des heutigen Tages - ein Interview mit Sarah Wiener. Ich hatte Lampenfieber und das nicht nur wegen der beiden Kameras des Yotta Players, die auf mich gerichtet waren. Sarah Wiener setzt sich sehr für eine gesunde Ernährung unserer Kinder und die Verwendung von Bio-Lebensmitteln ein, und ihre Kochbücher sind wirklich erstklassig. Man sollte bei „La Dolce Wiener“ nur aufpassen, denn die Rezepte versprechen Hüftgold ...

Nach dem Interview mit Sarah Wiener ging es zum Stand des Aufbau Verlags - und zu einem komplett anderen Thema: Atombombenanschlag auf Karlsruhe. Glücklicherweise ist das keine Schlagzeile, sondern der Inhalt des neuen Thrillers von Karl Olsberg. Nach einem E-Mail-Interview zu „Der Duft“ im letzten Jahr, habe ich mich dieses Jahr darauf gefreut, den Autor auch persönlich kennen zu lernen. Ein Interview per E-Mail erspart zwar viel Tipparbeit, ist aber nicht so befriedigend. Man bekommt zwar Informationen, lernt die Autoren aber nicht kennen und kann kein wirkliches Gespräch führen. Es geht einfach nichts über ein Interview mit Mikrofon und ein direktes Gespräch.
Nun heißt es: die geschundenen Füße hochlegen und Interview abtippen. Morgen geht’s weiter.


Donnerstag, 15.10.09, 21:21 Uhr

Heute Abend ist es ein bisschen später geworden, was aber nicht heißt, dass ich heute Morgen später angefangen habe. Interviews hatte ich heute keine, aber dafür einen zeitlich sehr durchgeplanten Marathon, um all die Presse-Ansprechpartner zu treffen, deren Gesichter ich doch endlich einmal sehen wollte. Selbst nach über vier Jahren Presse-Arbeit kenne ich doch nur wenige Ansprechpartner persönlich. Entweder sie haben gewechselt oder es hat zwischendurch jemand anderes den Verlag von unserer Seite aus betreut. Oder aber es hat sich bisher einfach nicht ergeben. Hat man ein Gesicht zu einem Namen, ist vieles einfacher, E-Mail-Verkehr zum Beispiel oder auch das Planen gemeinsamer Aktionen. Pläne wurden heute auch so einige geschmiedet. Verraten wird an dieser Stelle natürlich noch nichts, dafür ist es noch viel zu früh, aber ich freue mich schon auf die nächsten Monate.

Dieses Jahr – speziell auch heute in den Gesprächen – ist mir eines besonders bewusst geworden: Media-Mania.de wird von den Verlagen als vollwertiger Pressepartner anerkannt.
Media-Mania.de hat die letzten Jahre ständig um Anerkennung kämpfen müssen. Als Online-Portal hatte es bei der Gründung vor viereinhalb Jahren keine wirklich gute Position. Immer wieder mussten wir uns mit dem Vorurteil rumschlagen, dass es sich bei den Redakteuren nur um Leute handele, die Exemplare umsonst „abgreifen“ wollen. Heute ist das anders. Die Printpresse verurteilt Online-Medien noch immer gerne. Gleichzeitig haben sie aber das Problem, dass ihnen die Leser wegbleiben. Nun könnte man böse schlussfolgern, dass die Menschen verblöden und sich darum nicht mehr für die Printpresse interessieren. Man könnte aber auch schlussfolgern, dass das verachtete und höchst gefährliche Internet immer mehr Leser gewinnt, die der Printpresse den Rücken kehren.
Das ist sicherlich überspitzt und vereinfachend formuliert. Aber genau das ist es, was mir auf so genannten Social Events für die Presse immer wieder entgegenschlägt. Meist bin ich eine der wenigen Online-Medien-Vertreter auf solchen Veranstaltungen – teilweise sogar die Einzige –, aber das scheint für einige Print-Medien-Vertreter Anlass genug zu sein, ihre Untergangsangst hinter Vorurteilen und Anschuldigungen zu verstecken.

Glücklicherweise ist die Verlagswelt nicht die Pressewelt. Das Feedback der Verlage, das ich heute erhalten habe, war durchweg positiv. Das Engagement der letzten Jahre und der viele Schweiß des „harten Kerns“ von Media-Mania.de hat sich ausgezahlt. Nicht zuletzt merkt man es an den Interviewpartnern, die wir für diese Buchmesse bekommen haben. Letztes Jahr hatten wir kein Interview mit Sarah Wiener - dieses Jahr schon. Und auch von Sabine Kuegler und Hella von Sinnen hätte ich letztes Jahr noch nicht zu träumen gewagt. Am Samstag werde ich sie beide vor mein Diktiergerät bekommen.


Freitag, 16.10.09, 20:23 Uhr

Kann man die Schmerzen mit den Schuhen ausziehen? Nein, definitiv nicht.
Heute war der dritte Tag, der um Punkt 9:00 Uhr an einem Verlagsstand begann und um 18:30 Uhr an der U-Bahn-Station endete. So langsam ist meine Energie aufgebraucht, und das wirkliche Chaos wird erst morgen, mit den öffentlichen Tagen, beginnen. Es wird brechend voll werden – als wäre es das nicht schon die letzten Tage gewesen. Aber es warten auch zwei Interviews auf mich, die mich sehr interessieren.

Heute hatte ich die erste und einzige chinesische Autorin, die ich auf der Buchmesse interviewe, vor meinem Diktiergerät. Aber zwei Redakteurinnen, die sich ebenfalls für Media-Mania.de die Füße wund laufen, haben auch chinesische Autoren interviewt. Heute fiel für mich auch die Entscheidung, dass ich im neuen Media Mania Magazin gerne das Interview von Regina Károlyi mit Xinran vorstellen möchte. Ich selbst habe das Buch nicht gelesen, aber ich habe nun jeden Abend Lobeshymnen auf das Buch gehört und auch auf der Messe geistert der Titel immer wieder als Lesetipp umher. Unter anderem Sarah Wiener ist begeistert von den Büchern der Autorin.

Das Interview mit Luo Lingyuan war sehr angenehm. Sie ist eine interessante Frau, die versucht, den Deutschen mit ihren Büchern die chinesische Kultur näher zu bringen. Meine geringe Freizeit habe ich genutzt, um mir das Gastland auf der Messe näher anzuschauen. Auf dem Platz inmitten der Messegebäude befindet sich ein Zelt, in dem chinesische Händler ihre Produkte verkaufen. Besonders gefallen haben mir die Scherenschnitte einer chinesischen Künstlerin. Vor dem Zelt ist eine Bühne aufgebaut. Eine der beiden täglichen Shows konnte ich mir glücklicherweise anschauen. Vor den einzelnen Darbietungen wurde erklärt, worum es geht, was auch nötig war, denn andernfalls hätte ich es nicht verstanden. Dafür waren die Kostüme sehr ansprechend.


Samstag, 17.10.09, 21:46 Uhr

Heute habe ich mir zusammen mit Regina Károlyi die Novitäten aus dem Hädecke Verlag angeschaut. Ein wunderbares Currybuch wartete dort auf uns, dem wir in Zukunft sicherlich eine besondere Beachtung schenken werden. Außerdem hat der Verlag wunderbare Bücher mit vegetarischen Gerichten, die selbst mich als Fleischfresser überzeugen können.

Insgesamt war heute, wie erwartet, Hektik, Gedränge und Stress angesagt. Zwar war ich am heutigen Tag nicht so lange auf der Messe wie an den letzten drei Tagen – „nur“ zwischen 10:00 Uhr und18:00 Uhr –, aber da heute Publikumsverkehr war, herrschte Chaos in den Hallen. Massen an teils sehr seltsam kostümierten Wesen streiften durch die Hallen, blieben regelmäßig mitten im Gang stehen und schauten sich um, als wären keine Menschen hinter ihnen, die den Wunsch haben könnten, weiterzugehen. Hat man feste Termine, bedarf es einer genauen Zeitplanung - auch die 20 Minuten Wartezeit vor der Toilette müssen in den Tagesplan eingerechnet werden.

Mein persönliches Highlight war das Interview mit Hella von Sinnen. Während Scharen an den Stand der VGS Verlagsgesellschaft drückten, um während der zur Verfügung stehenden dreißig Minuten ein Autogramm zu ergattern, saß ich hinter den Bodyguards und konnte so dem Treiben entspannt zuschauen. Danach hatte ich dann das Vergnügen, Hella zu dem Donald-Duck-Buch zu befragen, für das sie die Geschichten ausgesucht und kommentiert hat. Ein sehr knackiges, witziges und interessantes Interview.
Nicht ganz so prominent, aber dennoch mittlerweile sehr bekannt, ist eine andere Autorin, die ich heute interviewen durfte. Mit sehr viel Ehrfurcht habe ich Sabine Kuegler Fragen gestellt, die nach „Das Dschungelkind“ und „Ruf des Dschungels“ ihr neues Buch „Jägerin und Gejagte“ vorgestellt hat. Sabine Kuegler ist von eher schmächtiger Statur, aber wenn man mit ihr spricht und ihr in die Augen schaut, dann sieht man die Stärke, die in ihr steckt. Davor hatte ich großen Respekt.

Heute war der Tag der Highlights für mich. Hört sich seltsam an, aber es war mit Abstand mein kurzweiligster Tag auf der Buchmesse. Vor allem habe ich mich gefreut, zwei weitere Redakteure von Media-Mania.de endlich einmal persönlich kennen zu lernen. Nach vier Jahren des fast täglichen Schreibens miteinander ist die reale Begegnung dann doch etwas Besonderes. Wir sollten regelmäßige Redaktionstreffen veranstalten und uns alle einmal kennen lernen. Da wir aber in ganz Deutschland und Österreich verstreut sind, ist das wohl nur Wunschdenken. Schade ...


Sonntag, 18.10.09, 14:00 Uhr

Weg hier! Der Tag mit den meisten Besuchern. Der Tag mit den größten Schmerzen - in den Füßen und anderswo. Der Tag mit der geringsten Lust auf Buchmesse. Und der Tag, an dem man beschließt, dass man nächstes Jahr während der Buchmesse krank sein wird. Aber auch der Tag, an dem man weiß, dass man genau das nicht sein wird, denn auch nächstes Jahr werden wir wieder auf der Messe sein. Die Frankfurter Buchmesse ist einfach ein Highlight!

Vera Schott, 07.03.2010