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Blut und Rache - ein Thrillerautor erzählt
Interview mit Uwe K. Alexi
Media-Mania.de: Uwe, du hast bisher drei Thriller veröffentlicht, nachdem du zunächst erfolgreich in der Wirtschaft tätig warst. Hast du dir mit dem Schreiben einen lange gehegten Wunsch erfüllt, oder überkam dich der Wunsch zu schreiben erst spät? Und warum Thriller?

Uwe K. Alexi Es ist die Frage, wie man "spät" definiert. Früher war ich ein absoluter Workaholic, ich habe viel gearbeitet und nur meinen Beruf gekannt und bin dann 1999 mal für zwei Wochen in Urlaub gefahren – nach Kroatien. Ich habe am Strand gelegen, aufs Meer geschaut und ein Buch meines Lieblingsautors Harlan Coben gelesen. Und irgendwann dachte ich mir: "Das wär's, die Winter in warmen Gefilden verbringen und dort schreiben – und die Sommer in Europa." Ob mir das wirklich Spaß machen würde, konnte ich damals noch gar nicht sagen, weil ich in der Schule Aufsätze gehasst habe. Wenn man mir ein Thema vorlegt, über das ich schreiben soll, was schon mehrmals vorgekommen ist, lehne ich grundsätzlich ab. Das muss aus mir selbst rauskommen. Und als ich da am Strand lag, beschloss ich, ein Buch zu schreiben. Das war ziemlich naiv, denn ich hatte nie zuvor ein Buch verfasst, aber ich kam aus dem Urlaub zurück und hatte sechs Seiten geschrieben. Danach hatte ich wegen der vielen Arbeit nie mehr Zeit dafür. Diese sechs Seiten sind mir im Jahr 2013 beim Aufräumen – bereits nach meinem mittlerweile zweiten beruflichen Ausstieg – wieder in die Hände gefallen, und da dachte ich mir: Jetzt hast du die Zeit und die Muße; versuch, ein Buch daraus zu machen. Im Jahr '99 kannte ich bereits den Anfang und das Ende. Ob ich genug Fantasie für ein ganzes Buch haben würde, wusste ich nicht, aber es lief gut und hat viel Spaß gemacht. Die ersten Bewertungen waren so positiv, dass ich überlegte: Probier doch, ob eine zweite Geschichte in dir steckt.
Warum Thriller? Weil ich selbst auch schon früher nahezu ausschließlich Thriller und Kriminalgeschichten gelesen habe, auch schon als Kind, ich habe von meiner Oma immer die Jerry-Cotton-Romane genommen und gelesen, die haben mir so gut gefallen.

Media-Mania.de: Deine Lieblingsautoren?

Uwe K. Alexi Einen habe ich ja schon erwähnt, Harlan Coben, Lee Child lese ich auch sehr gerne und aus der jüngeren Zeit Ethan Cross.
Nachdem ich meinen zweiten Thriller geschrieben hatte, "Täter und Opfer", fragte ich mich, was deutsche Thrillerautoren so schreiben. Bis dato hatte ich keinen deutschen Thriller gelesen. Also habe ich mir einen Fitzek geschnappt, "Der Augenjäger", der hat mir sehr gut gefallen, auch wenn es ungeschickterweise der zweite Teil einer Serie war. Inzwischen lese ich fast nur noch Bücher von befreundeten Autoren, denn ich habe nur wenig Zeit zum Lesen, und der Kreis wird immer größer. So lese ich heute auch sozusagen genrefremde Bücher.

Media-Mania.de: Was mir an deinen Büchern sehr gut gefällt – und das ist auch eine Überleitung zur nächsten Frage: du reihst nicht einfach eine Bluttat an die andere, und der Ermittler hechelt hinterher und versucht, das Ganze aufzuklären, sondern es gibt zwischendurch auch immer Abschnitte, wo es sehr menschelt. Deine Figuren sind sehr gut ausgearbeitet. Ich sehe die vor mir. Woher nimmst du sie? Und auch: woher kommen die Ideen zu deinen Plots?

Uwe K. Alexi Wenn ich das wüsste (lacht). Ich habe früher auch Konsalik gern gelesen, und da gibt es einen mit dem Titel "das Haus der verlorenen Herzen". Das spielte im medizinischen Bereich, junge gesunde Leute wurden entführt, und ihnen wurde das Herz entnommen für Leute mit viel Geld. Das hat mich fasziniert, und so kam ich, zwar zwanzig Jahre später, irgendwie auf dieses Medizinthema von meinem ersten Thriller.
Und bei den weiteren Büchern war es wirklich so – ich hatte keine Ahnung, was ich schreiben wollte. Ich wusste, ich schreibe weiter Thriller, habe meinen Laptop aufgeschlagen und angefangen, zu schreiben.
Ich plotte nicht. Andere denken sich eine Geschichte aus, teilen die in Kapitel ein und entwickeln die Figuren dazu. Das wäre für mich wieder Arbeit. Ich hatte ja damals einen Burnout von der Arbeit und wollte nie mehr in eine solche Tretmühle hinein, dass ich etwas einfach nur mache, um Geld zu verdienen, ohne Spaß daran zu haben. Deshalb gestalte ich das Schreiben sicher ineffizient, aber es macht mir einen Riesenspaß. Jetzt bei "Blut und Rache" dachte ich, der Armin Anders braucht mal eine Frau zwischendurch, er ist ja auch nur ein Mann, also habe ich mir da jemanden einfallen lassen. Das kommt so einfach. In meinem Schreibprogramm gibt es eine Figurendatenbank – früher habe ich das in einer Extra-Datei gemacht -, da schreibe ich dann hinein, wie jemand aussieht, wie groß er ist und so weiter, um diese mir selbst ja noch unbekannten Figuren kennen zu lernen. Die Figuren in meinen Büchern habe ich nicht aus meinem wahren Leben entnommen. Aber sie haben sicher Züge und Eigenschaften von mir bekannten Personen. Armin Anders geht ja beim Nachdenken immer in seinem Büro auf und ab, sodass er im Parkett schon eine Spur hinterlassen hat. Wenn du solche Personen kennst, warum sollst du das erfinden? So sind meine Bücher recht lebensnah.

Media-Mania.de: Welchen Reiz hat für dich dein Wohnort Bad Homburg als Ort des Geschehens für deine Bücher? Frankfurt ist ja viel größer und auch viel "krimineller". Oder ist es gerade das Unerwartete – das verschlafene Bad Homburg, das plötzlich zwei grässliche Morde erlebt?

Uwe K. Alexi Ja – bei Frankfurt denkt ja jeder ans Bahnhofsviertel und die fast alltäglichen kleineren und manchmal größeren Delikte. Früher habe ich in Österreich gewohnt und meine damalige Partnerin, eine Österreicherin, mal nach Frankfurt gebracht. Die meinte auch: "Frankfurt – da hört man so viel Schlechtes." Ich: "Ach, Frankfurt ist total sicher, ich hab da noch nie irgendwas erlebt." Und so war es in meiner Kindheit gefühlt auch gewesen. Na ja, wir sind dann abends in die Disco "Omen" gegangen, hatten das Auto im Westend geparkt. Und als wir später zum Auto zurückgingen … lag 'ne Leiche auf der Straße. Da hatte wohl jemand eine alte Dame überfallen und, als sie sich wehrte, abgemurkst. So viel zu "Frankfurt ist sicher".
Bad Homburg ist für mich ein Ruhepol, ich lebe da sehr gerne, es ist ein bisschen noch eine Oase der Glückseligkeit. Auch wegen der Altersstruktur passiert da nicht viel. Und wenn man im Kurpark spazieren geht, kommt doch mal die Fantasie, dass da jemand hinter dem Busch lauern könnte.

Media-Mania.de: Könntest du dir auch ein anderes Genre vorstellen?

Uwe K. Alexi Nicht wirklich. Nee.
Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt könnte ich mir nicht vorstellen, was anderes zu schreiben. Es macht mir zwar Spaß, zum Beispiel wie in "Blut und Rache" eine kleine Liebesgeschichte einzubauen, aber das ist dann in was Aufregenderes eingebunden. Ich brauche den Nervenkitzel.

Media-Mania.de: "Blut und Rache", dein neustes Buch, ist der zweite Band einer Serie um den Journalisten Armin Anders, der mal mehr, mal weniger zufällig zum Ermittler wird. Dürfen wir schon mal andeutungsweise erfahren, wie es mit ihm weitergeht? In einer Lesung hattest du angedeutet, dass da was vor sich hinköchelt.

Uwe K. Alexi Das ist das Problem. Ich habe eine grobe Idee zu einer Figur, die ich in "Blut und Rache" vorgestellt habe, aber diese Idee ist wirklich nur ganz vage. Einen Arbeitstitel habe ich – die Armin-Anders-Reihe ist ja meine "Und-Reihe", immer zwei mit "und" verbundene Schlagwörter. Ich könnte mir vorstellen, dass der nächste Band ein blaues Cover hat und "Wahn und Sinn" heißt. Mal sehen.

Media-Mania.de: Was machst du, wenn du gerade mal keine Thriller schreibst?

Uwe K. Alexi Renovieren – ich habe mein halbes Leben hindurch Häuser renoviert. Daneben Gartenarbeiten. Dann versuche ich immer mal, meinen inneren Schweinehund zu zähmen und ins Fitness-Studio zu gehen. Zwei- bis dreimal pro Jahr hole ich das Mountainbike aus dem Keller. Ansonsten reise ich sehr gerne.

Media-Mania.de: Renovieren ist oft infolge von Umzügen fällig. Du hast ja in der Kindheit im Ausland eindrucksvolle Erfahrungen gemacht. Kannst du ein paar Stationen umreißen?

Uwe K. Alexi Ich wurde in Mainz geboren und zog als Kind nach Niedernhausen, wo es auch sehr ruhig war. Von da ging es in die weite Ferne: Ich habe das zweite Schuljahr in Lagos/Nigeria erlebt. Mein Vater hat da drei Jahre gearbeitet, und meine Mutter und wir sind im zweiten Jahr nachgekommen. Da habe ich schon viel gesehen, unter anderem Kinder, denen einzelne Gliedmaßen gefehlt haben [ein Thema in "Blut und Rache", Anmerkung der Redaktion]. Von da ging es dann wieder zurück nach Niedernhausen; von dort bin ich nach Österreich gezogen und habe studiert. Von Österreich ging's zurück ins Rhein-Main-Gebiet mit mehreren Stationen – Idstein, Schmitten, Heidenroth, Liederbach und irgendwann nach Bad Homburg -, danach London und von dort wieder zurück nach Bad Homburg.
Seit ich keinen "Stressberuf" mehr habe, habe ich einige Länder in Afrika, der Karibik und Südostasien bereist, vorher war es beruflich Nordamerika. – Sri Lanka -. Solche Reisen erweitern den eigenen Horizont. Und damit fällt es leichter, sehr unterschiedliche Figuren zu gestalten, die Freigeister sind und alles nicht so verbissen sehen. Außer, ihre Rolle erfordert das.

Media-Mania.de: In der gestrigen Lesung [Jacques Weindepot, F-Bornheim, Anm. d. Red.] kam die Frage auf, ob sich als pervers grausame Psychopathen agierende Figuren irgendwie auf dich auswirken. Du beschreibst dich selbst als sanftmütigen Menschen und bist es bei unmittelbarer Bekanntschaft auch. Was machen diese Figuren mit dir? Wie kannst du dich in sie hineinversetzen?

Uwe K. Alexi Keine Ahnung, mich faszinieren solche Figuren, so wie mich zum Beispiel "Das Schweigen der Lämmer" fasziniert hat. Ich bin ein rational denkender Mensch, und es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass ein Hirn derart, ja, degeneriert und in solche … (zögert) … krampfhafte Aktionen verfällt. Dass Leute jegliches Mitleid verlieren und Spaß daran finden, andere zu quälen; es fasziniert mich einfach, dass das menschliche Hirn so krank sein kann. Ich empfinde nichts dabei, wenn ich das schreibe. Ich stelle es mir in meinem Kopf vor, versuche herauszufinden, was jemanden antreibt, der andere foltert, und ein gesundes Maß zu finden, sodass in jedem Buch ein, zwei Szenen vorkommen, die wirklich "krank" sind, aber dass das Buch nicht davon lebt. Ich mache keinen Splatter und keinen Horror, das gucke ich auch nicht. Wenn aber in einem Thriller eine solche Szene vorkommt, habe ich damit auch kein Problem. Ich kann ganz gut unterscheiden zwischen dem, was ich im Kopf entwickle – da brauche ich ja die böse Figur -, und der Wirklichkeit.
In der Zeitung oder in XY ungelöst lese oder sehe ich ja auch von grausamen Verbrechen und frage mich, wie ein so krankes Gehirn tickt, das so etwas auslöst. Und – das darf man in diesem Land eigentlich gar nicht sagen -, ich frage mich auch hin und wieder, warum in diesem Land die Täter eher geschont werden als die Opfer. Das Thema habe ich in "Opfer und Täter" verarbeitet: Sehr oft wird sich zu wenig um die Opfer gekümmert und beim Täter nachgeschaut, ob er in der Kindheit zu viel auf seinen Allerwertesten bekommen hat und deshalb ins Böse abgedriftet ist – das geht mir einfach zu weit. Das Leid der Opfer ist einfach nicht mehr wiedergutzumachen. Und sie werden oft alleingelassen.

Media-Mania.de: Media-Mania.de bedankt sich für das Interview und wünscht weiterhin viel Erfolg sowie jederzeit Inspiration!

Link zur Rezension auf Media-Mania.de.
Geführt von Regina Károlyi am 12.10.2017